Matthäus

Mt 4,8 de Wette Wiederum führte Ihn der Teufel auf einen sehr hohen Berg, und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit; und sprach zu ihm: Dies alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest. Matth. 4, 8.9

Der Teufel will ihn durch die trügerische Vorspiegelung der ihm zu erteilenden Weltherrschaft dazu verleiten, Gott und seinem Dienst untreu zu werden und sich ihm und seinem Dienst zu ergeben; anstatt Gottes Willen zu erfüllen, Gottes Werk zu vollziehen, Wahrheit, Gerechtigkeit und Gottseligkeit zu verbreiten, das Reich Gottes unter den Menschen zu stiften, soll er sich den entgegengesetzten Zwecken widmen, Böses tun und befördern, sich mit den Bösen verbinden und deren Begierden befriedigen, um die Herrschaft der Welt zu erlangen und ihre Herrlichkeit zu genießen, um als ein weltlicher König in Glanz, Pracht und Wollust zu herrschen.

Daß der Messias ein weltliches Reich stiften werden, war die beinahe allgemeine Erwartung der Zeitgenossen Jesu; zu weltlicher Macht gelangt man aber auf dem Weg der Gerechtigkeit, und durch Anwendung allein guter Mittel selten oder nie, sondern fast immer wird es über die Auseinandersetzung mit List, Gewalt, Unrecht und Unredlichkeit führen. Gab Jesus den Erwartungen seiner Zeitgenossen nach und ließ sich von dem Reiz der Herrschaft verführen: so war damit in praxi auch seine Abtrünnigkeit von Gott entschieden, und er trat in den Dienst des Teufels.

Mit Abscheu verwarf Jesus diesen Antrag (5.Mos. 6, 13). Er war entschlossen, seinem himmlischen Vater und dem, was dieser ihm aufgetragen hatte, treu zu bleiben; dem Guten wollte er dienen, nicht dem Bösen, in Gottes heiligem Dienst wollte er lieber das Kreuz tragen, als im Dienst des Satans in weltlicher Lust und Herrlichkeit zu leben.

Jesus weist diesen Antrag ganz entschieden ab, ohne zu wanken und ohne sich unentschlossen halb dahin und halb dorthin zu neigen, auch ohne einen Mittelweg einzuschlagen, der ihn zu weltlicher Lust und Freude und doch nicht ganz zum Bösen zu führen schien; ohne sich mit dem Fürsten dieser Welt in irgendeinen Vertrag einzulassen.

Viele, ja vielleicht alle, hätten an Jesu Stelle wohl das Gute gewollt, doch auch einigermaßen ihr zeitliches Glück mit dem Wohl des Ganzen zu vereinigen gesucht, und die sich darbietende Herrlichkeit der Welt nicht ganz von der Hand gewiesen. Aber dann hätten sie schon den einen Fuß in die Schlinge des Bösen gesetzt, und bald würde er auch wissen, den anderen mit hineinzuziehen. Gibt man der Selbstsucht, der Sinnenlust nur ein wenig nach, so betritt man schon den Weg der Sünde; spielt man mit ihr, so wird bald Ernst daraus. Diese Entschlossenheit, welche Jesus hier beweist und die er während seines ganzen Lebens bewies, ist die einzig wahre Schutzwächterin! O möchte sie uns nie verlassen, uns immer der feste, starke Wille zur Seite stehen, wenn zwischen dem Guten und Bösen zu wählen ist, damit wir uns nie zur falschen Seite neigen! Und worin der HErr selbst gelitten hat, als er versucht wurde, kann er helfen denen, die versucht werden. Das sei unser Trost und Zuversicht.





J.Kroeker Von unseren Versuchungen.

"Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen." Matth. 4,8.

Wohin hätte es wohl geführt, wenn Christus sich auf Grund einer herausgerissenen Verheißung dahin hätte bestimmen lassen, vom Tempel hinunterzusteigen? Das wäre ein Gottversuchen und damit eine Sünde gegen seinen Vater gewesen. Denn jedes Gottversuchen ist Sünde. Der Versucher hatte sich in der Wüste des Sohnes Vertrauen zum Vater wohl gemerkt, und zwar, wie Christus gerade auf Grund der Schrift Gott vertraute. Da wählt auch er eine Verheißung, um seine Versuchung zu begründen. Diese war scheinbar so sachlich und dem vorliegenden Fall so entsprechend. Sie sollte aber Jesum bewegen, auf Gottes Hilfe zu rechnen auf einem Wege, der Ihm nicht von seinem Vater gegeben worden war.

Selbst durch eine Verheißung können wir irregeleitet werden. Sobald wir uns durch ein Verheißungswort "anstatt zur Geduld und zum Vertrauen, zu ungöttlicher Hast und fleischlicher Klugheit reizen lassen", verbinden wir damit Schritte, die nie von Gott gerechtfertigt werden können. Auch Jesus wusste, dass der Vater seine Sendung vor der Welt rechtfertigen würde. Es wäre aber ein Gottversuchen gewesen, hätte Jesus auf Grund jenes Verheißungswortes hier die Forderung an seinen Vater gestellt, dass Er Ihn von der Zinne des Tempels durch Engel hinuntertragen ließe, damit das Volk erkenne: Der ist von Gott gesandt!

Nicht in dieser Stunde und nicht auf diesem Wege wollte der Vater die Sendung seines Sohnes beglaubigen. Christus wartete daher in Geduld, bis die Stunde für seinen Vater gekommen sei, Ihn als Sohn zu verherrlichen. Wie Christus bei der ersten Versuchung sein kindliches Gottvertrauen offenbarte, so zeigt Er sich in der zweiten Versuchung in seiner kindlichen Gottergebung.

Auch wir wollen daher immer wieder zu erkennen suchen, ob Gott hinter der Sache steht, die wir zu tun im Begriffe sind. Sehr richtig schreibt Dr.eTrench in seinem Büchlein über diese Versuchung Christi, "dass durch jene Weigerung Jesu alle diejenigen verurteilt werden, die da laufen, ehe sie geschickt werden, die sich in Gefahren stürzen, ohne dazu berufen zu werden; alle, die gerne Reformatoren sein möchten, welche Gott aber weder zum Reformationswerk bestimmt noch ausgerüstet hat, und die daher meistenteils sich und ihre Sache in Schande, Unehre und Niederlage bringen."

Sind wir aber mit der Offenbarung Gottes in ihrem Zusammenhang vertraut, leben wir wie Jesus im Geiste der Schrift, dann wird es dem Heiligen Geiste nicht schwer fallen, uns in solchen Versuchungsstunden jenes Wort des Vaters zu geben, durch welches auch wir über den Feind unserer Seele siegen. Was uns in der Absicht des Feindes zum Fall gereichen sollte, wird unter Gottes Leitung und Bewahrung zu einer Begnadigung zu weiterem Dienst gereichen.





J.Kroeker Von unseren Versuchungen.

"Wiederum nimmt Ihn der Teufel mit auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit." Matth. 4,8.

Der Versucher findet immer neue Ausgangspunkte, von denen aus er kommen kann. Es gibt daher für uns in diesem Leben nirgends einen Raum, den Satan nicht betreten dürfte. Er vermag sich uns überall zu nahen, um den Versuch zu machen, uns zu sichten wie den Weizen. Die Überwinderschar wird sich einst aus Menschen des Glaubens zusammensetzen, die sich auf jeder Glaubensstufe und auf jeder Geisteshöhe bewährt haben.

Hier auf der Höhe zeigt Satan dem Herrn alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit. Er tat es mit dem Versprechen: "Das alles will ich dir geben." Welch ein Anblick muss das gewesen sein! "Da lag das schöne heilige Land mit seinen Ölgärten und Weinbergen, dort Jerusalem, die Davidstadt mit ihren Verheißungen - noch immer des erwarteten Davidsohnes entbehrend; dort Ägypten mit seinen reichen Kornfeldern und altehrwürdigen Riesenbauten; dort dehnte sich das blaue Mittelmeer, hinüberwinkend zur hellenischen Welt mit all den Schätzen ihrer Kultur, zur stolzen Roma mit ihrer Kaisermacht, und hinter ihnen ungezählte Völker, noch nicht eingetreten ins helle Tageslicht der Geschichte; dort Indien und China mit ihren unermesslichen Reichtümern und üppig wuchernden Geisteskräften - sie alle im Dunkel suchend nach dem helleren Licht göttlicher Offenbarung. Welch ein Anblick!" Und nun das satanische Versprechen: "Dieses Ganze will ich dir geben, wenn du niederfällst und mir huldigst!"

Das Verlangte war wahrlich ein hoher Preis! Unsere eigene Geschichte liefert nur den Beweis, dass wir in der Regel für einen viel niederen Preis zu haben waren. Esau verkaufte den Segen bereits für ein Linsengericht. Simson, Gott, dem Herrn geweiht, war zu haben für eine Philisterdirne. David konnte den Anblick von der schönen Bathseba nicht ertragen. Er wurde darüber zum Ehebrecher und zum Mörder. Absalom betrat um eines Thrones willen den Weg der offenen Empörung gegen seinen Vater David. Judas verkaufte schon um dreißig Silberlinge willen den Herrn. Das sind wir in unserer Art. Ein dunkles Kapitel unserer Geschichte.

Sollte durch den heiligen Geist unsere Geschichte, d.h. rdie der Glieder der Kirche Christi der Gegenwart geschrieben werden, wir würden in ihr dieselben Bilder wieder finden. Solch eine Geschichte würde den Beweis liefern, dass der Versucher manchen auch heute noch sehr wohlfeil kaufen konnte. Manchen brauchte er nicht einmal auf einen hohen Berg zu führen. Für viele ist des Tempels Zinne schon hoch genug. Anderen genügt viel weniger als die Aussicht auf Thron und Zepter. Bereits eine geltende Stellung im Volk, in Berufskreisen oder sonst wo, genügen, dass sie ihr Heiligstes verraten.