Sach 14,7
C.H.Spurgeon
,,Um den Abend wird es licht sein."
Sach. 14, 7.
Manchmal schauen wir erwartungsvoll in die Zukunft, in die Zeit
der Tage grauen Alters, und vergessen, daß es um den Abend licht
sein wird. Vielen Heiligen ist das Greisenalter die liebste Zeit
ihres Lebens. Ein balsamischer Hauch fächelt des Seemanns
Wange, wenn er dem Ufer der Unsterblichkeit naht, ruhigere
Wellen umtanzen sein Schiff, ihm lächeln liebliche Gegenden
zu, Ruhe herrscht um ihn, tiefe, stille, feierliche Ruhe.
Verschwunden sind vom Altar des Alters die ungestüm lodernden
Flammen des jugendlichen Feuers, aber die wahrere Flamme
ernster Gefühle bleibt zurück. Die Pilger haben das Land
,,Meine-Lust-an-ihr" erreicht, das selige Gefilde, dessen
Tage sind wie Tage des Himmels auf Erden. Engel besuchen es,
himmlische Lüfte wehen darüber hin, Blüten des Paradieses
wachsen darin, und den Luftkreis erfüllt Seraphs-Gesang. Etliche
weilen hienieden jahrelang darin, und andre kommen erst wenige
Stunden vor ihrem Abscheiden hinein, aber es ist ein Eden auf
Erden. Wir dürfen uns wohl nach dem Augenblick sehnen, wo wir
uns erquicken dürfen im Schatten seiner lieblichen Gebüsche, und
uns sättigen mit der Hoffnung, bis die Zeit des Genusses
herbeikommt. Die Sonne erscheint größer, wenn sie untergeht, als
wenn sie hoch am Himmel steht, und ein herrlicher Glanz
vergoldet alle Wolken, die sie beim Niedersinken begleiten.
Mühsale vermögen die Ruhe der lieblichen Dämmerstunde des Alters
nicht zu stören. Das Herz sammelt reife Früchte köstlicher
Erfahrung zur Erquickung am Abendmahl des Lebens, und die Seele
macht sich zur Ruhe bereit.
Des Herrn Volk erfreut sich des Lichts auch in der Stunde des
Todes. Der Unglaube bebt und zagt; die Schatten sinken, die
Nacht kommt, das Leben neigt sich zum Ende. O nein, ruft der
Glaube, jetzt gerade hat die Nacht ein Ende und der wahre
Tag bricht an. Das Licht ist gekommen, das Licht der
Unsterblichkeit, das Licht von deines Vaters Angesicht. Lege
deine Füße auf deinem Bette zusammen, siehe die wartende Schar
der seligen Geister! Engel tragen dich hinweg. Lebewohl,
Geliebter, du bist weggezogen, du winkst mit deiner Hand. O, nun
wird's licht. Die Perlentore stehen offen, die goldenen Gassen
strahlen im Schimmer des edlen Jaspis. Wir bedecken unsre Augen,
aber du siehest das Unsichtbare; lebewohl, Bruder, bei dir
ist's nun licht um den Abend, bei uns noch nicht.