Daniel

Dan 5,23 J.Kroeker Vom Dienst in Vollmacht.

"Du aber, sein Sohn Belsazar, hast dein Herz nicht gedemütigt; ... den Gott aber, in dessen Hand dein Odem und alle deine Wege sind, hast du nicht verherrlicht." Dan. 5,22 f.

Nach dieser so ernsten und heiligen Darstellung der Vergangenheit wird der Gottesprophet in seiner Botschaft ungemein direkt und persönlich. "Du aber, sein Sohn Belsazar, hast dein Herz nicht gedemütigt, trotzdem du alles wusstest, sondern du hast dich über den Herrn des Himmels erhoben."

Ja, Gottes Knechte können sehr direkt und persönlich werden, wenn es Gottes Sendung und Auftrag verlangen. "Du aber ..." "Trotzdem du das alles wusstest!" Je mehr Licht der Vergangenheit in unser Leben fallen kann, desto größer wird auch die persönliche Verantwortung und desto erschütternder wird das Gericht, das man sich vorbereitet. Wenn man das in seiner ganzen Tiefe erfasst hat, dann zittert man innerlich auch im Blick auf unsere Gegenwart. Was haben die europäischen Staaten, was haben ihre Völker und Regierungen, was haben ihre Kirchen und Kulturbestrebungen nicht alles auch in den jüngsten Jahrzehnten erlebt! Wie wurde die Ohnmacht des Menschen, wie wurde die Grenze seines Wissens und seiner Vernunft, wie wurde die Unfähigkeit seiner Politik und seiner Diplomatie, wie wurde die Hohlheit seiner Bildung und Kultur während der Gerichtszeit doch in einer erschütternden Weise offenbar.

"Du aber hast dein Herz nicht gedemütigt, trotzdem du das alles wusstest, sondern du hast dich über den Herrn des Himmels erhoben." Muss das nicht auch heute Gottes Prophet so manchen Schichten der europäischen Völker, so manchen Diplomaten in den gegenwärtigen Regierungen, so manchen Kirchen in ihren öffentlichen Diensten, so manchen Bestrebungen im Kultur- und Wirtschaftsleben zurufen? Soll unsere Gegenwart mit ihrer Ruhm- und Genusssucht, mit ihrem Selbstvertrauen und ihrer Selbsterlösung nichts gelernt haben aus der Vergangenheit? Soll sie in ihrer Stellung und Gesinnung wirklich einem Belsazar gleichen, für den Gott in den Tagen Nebukadnezars vergeblich geredet hatte?

Oder sind wir in Europa trotz all unserer Kirchen, Kapellen, Vereine und religiösen Gesellschaften wieder wirklich so arm, dass uns niemand die Sprache, die Gottes Finger über das ganze Abendland geschrieben haben, deuten kann? Weiß niemand jene göttlichen Grundlagen zu nennen, auf denen allein eine gesündere und gerechtere Zukunft auferbaut werden kann? Es wartet die Kirche, es warten letzthin die Völker auf jene Prophetenstimmen, die den Weg aus dem Gericht in ein Zeitalter der Gerechtigkeit zu künden wissen.