Dan 4,6
J.Kroeker
Vom Dienst in Vollmacht.
"Daniel, du Oberster der Schriftkundigen, von dem ich weiß,
dass der Geist der heiligen Götter in dir ist und dass dir
kein Geheimnis Mühe macht, vernimm meinen Traum, den ich
gesehen habe, und sage mir, was er bedeutet." Dan. 4,6.
Gewiss, als der König Nebukadnezar "sorglos in seinem Haus"
lebte, da entbehrte er Daniel nicht. Als es sich aber um das
Letzte und Höchste seines Lebens handelte, da musste der
Prophet ihm mit jenem Evangelium Gottes dienen, in dem auch
eines Weltherrschers einzige Rettung lag. Und das war in der
Menschheitsgeschichte bisher nie anders. Sobald es sich in
der Not der Welt um die letzten und tiefsten Fragen handelte:
um die Warnung vor dem Gericht und um die Rettung aus dem
Gericht, da kam die Menschheit nie ohne die Träger des
Lichtes aus, d.h. ohne jene Dolmetscher der Sprache Gottes,
die auch mitten in der Finsternis das Licht, mitten im
Untergang die Rettung, mitten im Gericht die wartende
Barmherzigkeit Gottes sahen. Propheten wissen, dass Gott nie
an das Gericht gebunden ist, sobald der Mensch in seiner
Blindheit einsieht, was zum Gerichte führte und bereit ist,
sich davon lösen zu lassen. Hier ruht die große Weltmission
auch für die Kirche Christi der Gegenwart. Sie drängt sich
zwar der Welt nicht auf, wenn diese in ihrer Kraft sie
entbehren kann. Sie kommt aber, wenn sie von der Welt in
ihrer Not gerufen wird und dient alsdann mit dem Höchsten,
was sie in sich trägt.
Erst nachdem Nebukadnezar von Gottes wunderbarem Eingreifen
und seinem sorglosen Leben, das er geführt hatte, ein so
offenes Bekenntnis abgelegt hatte, erzählte er in seinem
Manifest nun auch den Traum, der ihm geworden war. Wie in
einer Vision sah er einen mächtig hohen Baum auf weiter Erde
stehen, der an seinen starken Zweigen unzählige Früchte trug
und mit seiner Krone tief in die Wolken des Himmels ragte.
Nun geschah jedoch etwas Unerwartetes. Es fuhr plötzlich
ein heiliger Wächter, ein unbekannter Bote aus der Welt des
Himmels herab. Er gebot mit gewaltiger Stimme: "Haut den
Baum um und schlagt seine Äste ab; streift ihm das Laub
ab und zerstreut seine Früchte! Das Wild fliehe unter
ihm hinweg und die Vögel aus seinen Zweigen!" Es ist
verständlich, dass Nebukadnezar auch ohne Dolmetscher aus dem
Inhalt des Traumes erkennen musste, dass es sich um eine sehr
ernste Kundgebung der Götter für ihn handelte. "Ein heiliger
Wächter", "vom Himmel herabfahrend", "haut den Baum um", -
das waren alles Einzelerscheinungen im Gesamtbild, die
nichts Gutes ahnen ließen. Das wahre Verständnis für diese
Gerichtsbotschaft fand Nebukadnezar jedoch erst, als Gottes
Prophet die Deutung gab. Die Welt empfängt wohl stärkste
Eindrücke von der göttlichen Offenbarung, die zu ihr sprechen
will, ihre Botschaft erschließt sich ihr erst, wenn Propheten
sie ihr deuten.