Jer 31,31
C.O.Rosenius
Ich will mit dem Hause Israel einen neuen Bund machen.
Ich will Mein Gesetz in ihr Herz geben. Jer. 31, 31-33.
Es müßte unser aller Aufmerksamkeit erregen, wenn Gott, der
Herr sagt: ,,Ich will einen neuen Bund machen" - und wenn er
dann ergänzend hinzufügt ,,nicht wie der Bund gewesen ist,
den Ich mit ihren Vätern machte, als Ich sie aus Ägyptenland
führte und mit ihnen zum Berge Sinai kam." Ausdrücklich sagt
der Herr, daß Er einen neuen Bund machen wolle, der nicht so
sein würde, wie der Gesetzesbund; nicht so, nicht so, sagt
Er. O, wie wunderbar! Und dennoch glauben viele Menschen
dies nicht. Viele kennen nur den Gesetzesbund. Aber Gott
der Herr sagt ausdrücklich, worin der Unterschied zwischen
dem einen und dem anderen Bund besteht. Während im alten
Bund das Gesetz auf Stein geschrieben und das Herz aller
Menschen unwillig war, so daß der Herr ,,sie zwingen mußte",
sollte jetzt das Gesetz in Herz und Sinn geschrieben werden,
d. h. ,der Herr wird uns des Heiligen Geistes innere Lust
und Liebe zum Guten geben, die zu einem inneren lebendigen
Gesetz in uns wird.
Zweitens: Während die Gesetze und Rechte des ersten Bundes
durch einen Menschen dem anderen mitgeteilt werden konnten -
da das moralische Gesetz, obwohl verdunkelt, in der Natur
selbst liegt -, würde der neue Bund so sein, daß niemand
durch die Unterweisung durch einen Bruder in denselben
hineinkommen kann, sondern alle müssen, wie Jesus es auslegt,
,,von Gott gelehrt sein" (Joh. 6, 45). Das ist es auch, was
Jesus meinte, als Er sagte: ,,Es kann niemand zu Mir kommen,
es sei denn, daß ihn ziehe der Vater." Niemand kennt den
Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will
offenbaren." Und der Apostel sagt: ,,Niemand kann Jesus
einen Herrn heißen, außer durch den Heiligen Geist."
Ein dritter Unterscheidungspunkt besteht darin: Während die
Sündenschuld nach dem ersten Bund stets eingefordert, stets
an dem Sünder bestraft werden mußte, sollte dieselbe im neuen
Bund dagegen vergeben, erlassen, nicht mehr zugerechnet und
,,ihrer nie mehr gedacht" werden. Dieser Punkt wird mit
einem bedeutungsvollen ,,denn" eingeleitet - ,,denn Ich will
ihnen vergeben" usw. Das zeigt uns, daß diese Vergebung den
Grund und die Ursache der zwei vorhergehenden Punkte bildet.
Und so ist es auch. Die ganze Schrift und alle Erfahrung
lehrt, daß der Mensch erst dann Gott erkennen lernt und daß
Sein Gesetz erst dann ins Herz geschrieben wird, wenn Er ihm
alle seine Sünden vergibt und sein Herz tröstet.
Das ist es, was der Apostel so stark denen gegenüber bezeugt,
die zu einer Zeit auch meinten, daß die trostreiche Lehre des
Evangeliums, ,,die Predigt vom Glauben", das Gesetz aufhöbe,
und daß im Gegenteil das Gesetz die Heiligung bewirken solle.
Er sagt zu ihnen: ,,O, ihr unverständigen Galater! Das will
ich allein von euch lernen: Habt ihr den Geist empfangen
durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben?"
Ebenso sagt Er auch zu den Römern: ,,Heben wir denn das
Gesetz auf durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir
richten das Gesetz auf." Das gleiche sagt der Herr hier:
,,Das Gesetz soll in ihr Herz und in ihren Sinn geschrieben
werden; denn Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer
Sünde nicht mehr gedenken." Nichts anderes sagt uns auch das
Ereignis in der Apg. 10, bei dem Petrus die Worte aussprach:
,,Von diesem zeugen alle Propheten, daß durch Seinen Namen
alle, die an Ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen
sollen." Und während Petrus noch diese Worte redete, fiel der
Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten. Wir sollen
darum jene Meinung von Grund aus verwerfen, daß es neben der
Predigt vom Glauben noch eine andere Predigt gibt, die den
Heiligen Geist und die Heiligung geben könnte. Nur die
Predigt vom Glauben ist es, die den Heiligen Geist gibt;
keine andere Predigt bewirkt dies. Kein Mensch wird ohne den
Heiligen Geist gläubig und in Christus gerecht gemacht, wo
aber der Heilige Geist wohnt, bewirkt Er auch die Heiligung.
Alle Frömmigkeit, die nicht aus der Gnade und dem Glauben
geboren wird, bildet nur ,,die toten Werke" der Natur oder
die erzwungenen ,,Gesetzeswerke", die alle unter dem Fluch
sind. Darum sagt der Apostel so ausdrücklich: ,,Ich bin
durchs Gesetz gestorben, auf daß ich Gott lebe." Und
abermals:
,,Nun sind wir vom Gesetz los und ihm abgestorben, das uns
gefangenhielt, also daß wir dienen sollen im neuen Wesen des
Geistes und nicht im alten Wesen des Buchstabens." Dies meint
der Herr, wenn Er hier spricht: ,,Ich will Mein Gesetz in ihr
Herz geben und in ihren Sinn schreiben; denn Ich will ihnen
ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken."
Diese Heiligungslehre Gottes schließt nie den Gebrauch der
zärtlichen und ernsten Ermahnung aus, sondern sie offenbart
nur das Törichte darin, auch die toten Zweige zu reinigen,
die ja auf alle Fälle verbrannt werden sollen, selbst wenn
sie noch so gut gereinigt wären. Dieses innere Leben aber,
diese Liebe und Lust zum Guten kommt nur durch die auf einen
zunichte gemachten Sünder überströmende Gnade, die das Herz
zerschmilzt und den Heiligen Geist gibt. So verstehen wir
die Worte des Herrn: ,,Ich will Mein Gesetz in ihr Herz geben
- denn Ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde
nicht mehr gedenken."
Weil nun die Scheidewand weggerissen,
Darf ich mit Gott vereinigt sein;
Seinen Bund läßt Er gnädig mich wissen
Und kehrt zur Wohnung bei mir ein.
Gott nimmt mich auf in Sein Geschlecht
Und schenkt mir mehr als Engelrecht.
Halleluja!