Jeremia

Jer 15,18 J.Kroeker Von unseren Glaubenskonflikten.

"Warum soll mein Schmerz allezeit währen und meine Wunde tödlich sein, dass sie nicht heilen will? Willst Du mir denn sein wie ein täuschender Bach, wie Wasser, welches versiegt?" Jer. 15,18.

Im Glaubenskampf mit seinen Konflikten stehend, sehen auch wir uns immer wieder im Dienst in unseren Gemeinden und an unserem Volk vor die Entscheidung gestellt, ob der Hass und die Feindschaft der Welt das Blickfeld unseres Glaubens ausfüllen soll oder Gott. Ob wir mit Paulus eine Christusbotschaft haben, die in uns weit größer ist als die Schuld unseres Volkes und als die Mächte der Finsternis, oder ob uns der Geist der Zeit und das Getue der Welt größer erscheint als das Handeln Gottes.

Ich erinnere uns da an die Klagen des Propheten Jeremia. Sie waren nicht der Inhalt seiner prophetischen Botschaft, die er in kritischer und schicksalsreicher Zeit für sein Volk empfangen hatte. Sie flossen aus den schweren Leiden mit ihren Konflikten, die ihm auf Grund seines unbestechlichen Dienstes an seinem Volke wurden. Er hatte Worte für sein Volk empfangen, das vor Entscheidungen stand, von denen Leben oder Tod, Zukunft oder Untergang abhingen. Und er konnte sagen: "Deine Worte sind zur Freude und Wonne des Herzens mir geworden." Und doch muss er später klagen, nachdem er gewagt hatte, das empfangene Wort seines Gottes ohne Abschwächung ans Volk weiterzugeben: "Warum soll mein Schmerz allezeit währen und meine Wunde tödlich sein, dass sie nicht heilen will? Willst du mir denn sein wie ein täuschender Bach, wie Wasser, das versiegt?"

Ja, in welch innere Konflikte musste ein Jeremia kommen, als er eines Tages mit seiner von Gott ihm gewordenen Botschaft vor dem König in einer entscheidenden Fürstenversammlung stand und ihm sogar von seinem Berufsgenossen, dem angesehenen Propheten Hananja, öffentlich widersprochen wurde. Nun stand angeblich empfangenes Gotteswort gegen Gotteswort, Prophet gegen Prophet. Beide Männer rangen im Bewusstsein ihrer Verantwortung vor Gott um die Zukunft ihres Volkes. Wer hatte nun das richtige Wort Gottes für das Volk? Denn erwies sich später im Verlauf der Geschichte auch Hananjas Wort als ein falsches, so war dieser Prophet jedenfalls doch eine sehr ehrliche Persönlichkeit, die innerlich nicht weniger um das Wohl und die Zukunft seines Volkes rang als ein Jeremia.

Vielleicht verstehen wir nach all den schweren Erlebnissen und politischen Kämpfen der hinter uns liegenden Zeiten einen Jeremias in seinem Leiden vonseiten seines Volkes und seiner Berufsgenossen noch mehr als vordem. Haben wir doch erkannt, wie leicht parteipolitische Kämpfe die Kirche Christi in die herrschenden Geistesströmungen der Zeit hineinziehen können und sie zu zerreißen drohen, sodass eines Tages selbst Bruder gegen Bruder steht.