Jer 15,16
C.O.Rosenius
Es erhält uns Dein Wort, wenn wir es kriegen, und Dein Wort
ist unseres Herzens Freude und Trost. Jer. 15, 16 (nach
schwed. Übersetzung)
Hier zeigt uns der Apostel den Nutzen und die Notwendigkeit
des Gebrauchs des Wortes Gottes. Aber wir bekennen, daß
gerade in diesem Punkt die Hand ohnmächtig niedersinken
möchte, wenn wir an die Unmöglichkeit denken, hier so zu
reden, wie es sich gebührt, und wenn wir an die Wichtigkeit
des Themas und an die mächtigen Gegner denken, die sich hier
einfinden, nämlich das träge Fleisch, die fesselnde Welt,
der arge Satan. Hier müßten die Worte mit Flammenschrift in
jedes Herz geschrieben werden, und doch wäre es noch zu
schwach geredet. Wer bedenkt nämlich, daß das Versäumnis
des Wortes Gottes die eigentliche Ursache ist zu all dem
geistlichen Elend in der Welt, zu all der Schwäche innerhalb
der Kirche und ihrer Glieder, daß aber der fleißige und
richtige Gebrauch des Wortes Gottes die Ursache zu all den
geistlichen Gütern ist?
Es ist wahr, der Mensch ist gefallen, und betrübend sind
die Folgen des Sündenfalls: Unglaube, Sünde, Finsternis,
Sicherheit, Härte usw. Aber alles kann gutgemacht werden.
Gottes Barmherzigkeit und Seine Gerechtigkeit konnten den
Menschen in diesem Zustand nicht ohne Mittel zur Erlösung
lassen. Er gab uns deshalb vom Himmel ein Heilmittel, einen
heiligen Samen, der, in das Menschenherz gelegt, in ihm das
verlorene Bild Gottes und Licht im Verständnis, Heiligkeit im
Willen sowie neue geistliche Kräfte wiederherstellen sollte.
- Du bist blind, du bist hart, ungläubig unselig und in der
Sünde gebunden; das alles aber kann durch das Heilmittel, das
Gott uns vom Himmel gegeben hat, gutgemacht werden. Dadurch
kannst du sehend, zerknirscht, gläubig, selig und in Christus
frei werden, ohne seinen Gebrauch aber ist es dir unmöglich,
das Böse zu überwinden und wieder aufgerichtet zu werden, ob
du auch noch so inständig Gott um Gnade dazu bittest, und ob
du auch wachst und dich gegen dieses Böse zu Tode streitest.
Trotzdem bricht der Strom der Sünde mit unwiderstehlicher
Kraft hervor.
Das alles bekräftigt auch die Erfahrung. Es gibt Orte und
Gemeinden, deren gläubige Lehrer mit unausgesetztem Predigen
pflügen und säen und mit Fürbitten und Tränen die Aussaat
begießen, und doch steht es gar jämmerlich mit dem Volk; man
verspürt keine dauernde Kraft und Beweisung des Christentums,
keine Übung im Glauben und in der Gottesfurcht, man findet
nur lose Vernunfts- und Gefühlsprahlerei. Was ist daran
schuld? Untersuche, und du wirst finden, daß das Volk
hier noch nicht angefangen hat, selber das Wort Gottes zu
benutzen, und darum verfliegt all das Gute, das sie von der
Kanzel hören, es trägt keine Frucht. Es gab und gibt Zeiten
und Orte, an denen kräftige Erweckungen stattfinden; viel
Volk ist in Bewegung, es fängt überall zu grünen und zu
blühen an, und man freut sich in der Hoffnung auf reiche
Früchte dieser schönen Pflanzung des Herrn. Nach einigen
Jahren erkennst du dieses Feld nicht mehr. Du schaust mit
Sorge nur vermehrte Frechheit und Gottlosigkeit. Und was war
die Ursache davon? Ein tüchtiger Arbeiter wurde abberufen.
Es gab nun keinen, der für das Volk Gottes Sorge trug, und
selbst waren sie nicht so in das Wort eingedrungen, daß sie
es auf eigene Hand hin benutzen konnten. Dagegen gibt es
andere Orte, wo keine ausgezeichnete Persönlichkeit an der
Spitze des Werkes Gottes stand, wo aber das Volk angefangen
hatte, sich untereinander an Gottes Wort zu erbauen, und man
freut sich und ist verwundert, das Werk Gottes nicht nur
erhalten, sondern auch erstaunlich vergrößert, erweitert und
gereift zu sehen.
Diese Fälle sind so allgemein, daß jeder mit etwas Einsicht
in den Zustand des Reiches Gottes sie sehen kann. Und wie
sollen sie erklärt werden? Bedenke deine eigene Erfahrung,
wenn du ein Christ bist, der einige Zeit in die Schule des
Geistes gegangen ist. Wessen kannst du dich als Mittel zur
Erhaltung und Vermehrung deines geistlichen Lebens rühmen?
Bist du so stark, gläubig, wachsam, erleuchtet gewesen, daß
du allen Anfechtungen standhalten konntest? Nein, nur der
Treue Gottes willst du dich rühmen. Aber nun ist Gott
gleich treu gegen alle. Daran hat es nicht gefehlt, wo
das Christentum ausgestorben ist. Vielmehr wurde dort
das Gnadenmittel versäumt, von dir aber benutzt. So träge
und vergeßlich du auch bist, du bist doch mit dem Worte
umgegangen, hast es gelesen und gehört, obwohl du dir auch
hierin viel Versäumnis vorzuwerfen hast. Du hast auch
ungleiche Wirkungen bei ungleichem Verhalten in diesem Stück
erfahren. Oder hast du nicht oft erfahren, wie du nach
längerer Entbehrung des Wortes oder nach Versäumnis desselben
zuweilen so kalt, so tot, so überdrüssig deinem inwendigen
Menschen nach, so schwach gegen jede Versuchung, so weltlich,
so fleischlich geworden bist, dagegen aber zu den Zeiten, wo
du das Wort Gottes fleißiger gebrauchtest, es auch mit deinem
inwendigen Menschen besser bestellt war? Warst du nicht
nahe daran, in Sicherheit und Sünde zu fallen, als ein
Bibelspruch, eine Predigt, kurz, ein Wort Gottes dich aus dem
Schlaf weckte und dich errettete? Warst du nicht oft kalt
und tot und die Welt dir finster und düster? Als du dann
einen Vers, ein Kapitel aus der Bibel, ein Stück aus einem
guten Buch lasest oder einen Freund trafst, der das Wort
Gottes in seinem Mund hatte, empfingst du neues Leben, neue
Wärme, und die Welt wurde dir wieder heller. Hast du nicht
Davids Erfahrung und Bekenntnis: ,,Herr, wo Dein Gesetz nicht
mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem
Elend"? So siehst du, wie das Wort das Mittel war, durch das
Gott dein Gnadenleben erhalten hat. Ebenso ergeht es allen
Christen. Nicht umsonst heißt Sein Wort ein Gnadenmittel,
ohne welches ein Gnadenleben zu bewahren unmöglich ist.