Jer 1,7
J.Kroeker
Über Gottes Offenbarungsträger.
"Aber der Herr sprach zu mir: Sage nicht: Ich bin zu jung!
Sondern du sollst überall hingehen, wohin Ich dich sende,
und alles reden, was Ich dich heiße!" Jer. 1,7.
Unser Gott ist ein Gott der Offenbarung. Er hat geredet und
redet auch noch. Auch die dunkelsten Zeiten der Geschichte
konnten daher unseren Gott nie dauernd zum Schweigen bringen.
Sein Licht erwies sich weit stärker als die Finsternis, sein
Leben weit mächtiger als der Tod. Es kam immer wieder die
Stunde, wo das Wort Fleisch wurde und unter uns wohnte. Als
die Zeit erfüllet war, sandte Gott je und je seine Propheten.
Der Prophet war mithin zu allen Zeiten in der Geschichte
Gottes Dolmetscher und Bote. Denn Inspirationen von oben
werden immer zunächst von einzelnen und nie vom Ganzen
erlebt. Die Sehnsucht nach Erlösung vermochte Gott auch in
einem ganzen Volke zu erwecken, das Erlösungsprogramm aber
empfing jedoch zunächst jener Mose, dem Gott im brennenden
Busch begegnen und eine ganz bestimmte Mission für seine
leidenden Brüder anvertrauen konnte. Das war nicht nur in
der Geschichte Israels so. Wo Gott je in der Geschichte
Neues schaffen, Leben wecken, Völker erlösen, Gemeinden
segnen konnte, so geschah es immer zunächst durch Einzelne.
So sehr einst auch das Volk unter der Knechtschaft der
Chaldäer in Babel seufzte, seine Brüder zu trösten und
ihnen neue Lebensperspektiven für die nahe Zukunft zu geben
vermochte nur jener große Jesaja, der von sich bezeugen
konnte: "Der Herr, Herr, hat mir eine geübte Zunge gegeben,
dass ich die Müden mit Worten zu erquicken wisse. Er weckt
mich am Morgen, am Morgen weckt Er mir das Ohr, dass ich höre
wie die Geübten" 1). Es gibt daher Prophetenvollmachten, die
immer über Volks- und Gemeindevollmachten weit hinausgehen
werden. Denn ein Volk als Ganzes hatte nie jenes zarte
Gespür, dass es Gott auch ohne Propheten verstand. Es waren
nur immer einzelne wenige, die als Gottgeweihte sich mitten
aus allem Stimmengewirr der Zeiten heraus auf jene höhere
Warte zu stellen wagten, wo der Mensch schweigt und Gott
redet. Sobald sie hier Höheres empfingen und es als eine
Botschaft des Heils unter ihr Volk trugen, wurden sie zu
Dolmetschern der Offenbarung Gottes inmitten ihrer Brüder.
Gottes Offenbarung musste mithin immer zuvor einen Propheten
erwecken, bevor jemand als Prophet zum Volke reden konnte.
Dies hat Gott in seiner Barmherzigkeit im Laufe der
Geschichte immer getan. Um das Ganze zu erfassen, stieg er
zunächst in das Leben einzelner hinab, nahm sie gefangen in
seinen Gehorsam und sandte sie zum Heile ihres Volkes.
1) Jes. 50,4.