Jes 40,11
C.H.Spurgeon
,,Er wird die Lämmer in seine Arme sammeln und in seinem Busen
tragen."
Jes. 40, 11.
Wer ist es, der mit solchen gnadenreichen Worten gepriesen wird?
Er ist der gute Hirte. Warum trägt Er die Lämmer in seinem
Busen? Weil Er ein zärtliches Herz hat, und jede Schwachheit Ihm
sogleich das Herz zerschmelzt. Die Seufzer, die Unwissenheit,
die Schwachheit der Kleinen in seiner Herde bewegten Ihn zum
Mitleid. Es ist sein Amt, als ein treuer Hoherpriester acht zu
haben auf die Schwachen. Zudem hat Er sie mit seinem Blut
erkauft, sie sind sein Eigentum; Er will und muß sich derer
annehmen, die Ihn einen so teuren Preis gekostet haben. Dann ist
Er auch verantwortlich für ein jedes Lamm; Er ist kraft seines
Testamentes und Bundes verpflichtet, ihrer keines zu verlieren.
Endlich sind sie sein Ruhm und sein Lohn.
Wie aber haben wir den Ausdruck zu verstehen: ,,Er wird sie
tragen?" Oft trägt Er sie, weil Er nicht zuläßt, daß sie viel
Trübsal leiden. Die Vorsehung geht zart mit ihnen um. Oft werden
sie ,,getragen", weil Er sie mit einem ungewöhnlichen Maß seiner
Liebe erfüllt, so daß sie sich aufrichten und feststehen. Ob
auch ihre Erkenntnis nicht tief ist, so haben sie doch große
Freude an dem, was sie erkannt haben. Häufig ,,trägt Er sie",
indem Er ihnen einen recht einfältigen Glauben schenkt, der die
Verheißung gerade so nimmt, wie sie geschrieben steht, und mit
jeder Prüfung sogleich zu ihrem Jesus eilt. Die Einfalt ihres
Glaubens verleiht ihnen ein ungewöhnlich zuversichtliches
Vertrauen, das sie über die Welt erhebt.
,,Er trägt die Lämmer in seinem Busen." Hier ist eine
unbegrenzte Liebe. Würde Er sie in seinen Busen nehmen, wenn Er
sie nicht sehr lieb hätte? Hier ist zarte Innigkeit: sie sind
Ihm so nahe, daß sie Ihm gar nicht näher sein könnten. Hier ist
geheiligte Vertraulichkeit: ein köstlicher Liebesverkehr findet
zwischen Christo und seinen Lämmern statt. Hier ist völlige
Sicherheit: wer kann sie in seinem Busen beschädigen? Hier ist
vollkommenste Ruhe und süßester Friede. Wahrlich, wir sind nicht
zartfühlend genug für die unendliche Zärtlichkeit Jesu! Wie wohl
sollte uns sein, daß Er uns in seine Arme nimmt und in seinem
Busen trägt!
C.H.Spurgeon
,,Er wird die Lämmer in seine Arme sammeln."
Jes. 40, 11.
Unser guter Hirte hat unter seiner Herde Schafe von gar
verschiedener Gemütsart; etliche sind stark im Herrn, andre sind
schwach im Glauben; aber Er macht keinen Unterschied in der
Sorgfalt, mit der Er über alle seine Schäflein wacht, und das
schwächste Lamm ist Ihm so teuer als das kräftigste der Herde.
Lämmer gehen gern hintendrein, verirren sich leicht von den
übrigen und sind bald müde; aber vor allen Gefahren dieser
Schwäche bewahrt sie der Hirte mit seinem mächtigen Arm. Er
findet wiedergeborne Seelen, welche als junge Lämmer in großer
Gefahr stehen umzukommen, die ernährt Er bis sie erstarken. Er
findet schwache Gemüter, welche beinahe die Besinnung verlieren
und fast sterben; die tröstet Er und erneuert ihre Kräfte. Er
sammelt alle die Kleinen, denn es ist nicht unsers himmlischen
Vaters Wille, daß derselben eines verloren gehe. Was für ein
wachsames Auge muß Er haben, um sie alle zu beobachten! was für
ein zärtliches Herz, um für alle zu sorgen! was für einen
weitreichenden und mächtigen Arm, um sie alle zu sammeln! In
seinen irdischen Tagen war Er ein großer Sammler der Schwachen,
und jetzt, da Er im Himmel wohnt, wallt Ihm sein liebendes Herz
gegen die Demütigen und Zerknirschten, die Furchtsamen und
Schwachen, die Geängstigten und Ohnmächtigen hienieden. Wie
liebevoll hat Er mich zu sich gesammelt, zu seiner Wahrheit, zu
seinem Blut, zu seiner Liebe, zu seiner Gemeinde! Mit welcher
überwältigenden Gnade hat Er mich gezwungen, zu Ihm zu kommen!
Wie oft hat Er mich seit meiner ersten Bekehrung wieder von
meinen Verirrungen herumgeholt und mich immer wieder in seine
ewigen Arme eingeschlossen! Und das beste ist, daß Er dies alles
selber tut und seine Liebespflicht auf keinen andern überträgt,
sondern sich herabläßt, seinen unwürdigen Knecht zu erretten und
zu bewahren. Wie kann ich Ihn genug dafür lieben oder Ihm
würdiglich dienen? Ich möchte so gern seinen Namen verherrlichen
bis ans Ende der Welt; aber was vermag meine Schwachheit für
Ihn? Großer Hirte, füge Deinen Gnadenbeweisen auch noch den bei,
daß Du mir mögest ein Herz schenken, das Dich treuer liebt. Laß
mich nicht, und tue nicht von mir die Hand ab, Gott, mein Heil!
C.O.Rosenius
Er wird Seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die
Lämmer in Seine Arme sammeln und die Schafmütter führen.
Jes. 40, 11.
Welch ein Trost, wenn man im Bewußtsein der Finsternis,
der Falschheit und Unbeständigkeit des eigenen Herzens, im
Bewußtsein der grausamen Absichten des Teufels, seiner List
und Ausdauer und schließlich eingedenk der verwirrenden
Mannigfaltigkeiten der ,,Winde der Lehre" sich unsicher
fühlt und sich davor fürchtet, irregeführt zu werden und
verlorenzugehen - welch ein Trost, dann vom Herrn die Zusage
zu haben, daß Er selbst unser Hirte sein will. Bedenke,
welch ein Trost für einen armen, seine totale Ohnmacht
fühlenden Sünder, daß Christus die Sünder wie Schafe
betrachtet, für die Er der gute Hirte ist, der lieber Sein
Leben läßt, als daß das Schaf verlorengehen sollte. Welch
ein Trost auch, wenn man mit Besorgnis auf die Gefahren der
,,kleinen Herde" überhaupt blickt und sieht, wie vieles die
Schafe irreleitet - welch ein Trost, daß Er, dem ,,alle
Gewalt im Himmel und auf Erden" gegeben ist, der Hirte der
Schafe ist und für sie sorgen wird. Welch eine beruhigende
Richtschnur zudem für alle Unterhirten, für ,,die kleinen
Knaben", wie Jesaja sie nennt, die von innen und außen mit
der Frage bedrängt werden: ,,Weisest du den Schafen den
rechten Weg? Behandelst du die Schafe richtig?" - Ja, welch
ein Trost dieses entscheidende Beispiel des Herrn selbst, der
da spricht: ,,Ich bin der gute Hirte." Vor Ihm, dem großen
Oberhirten müssen wir uns einmal alle beugen, nach Ihm müssen
wir uns richten, sonst sind wir wahrlich keine rechten
Hirten. Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht Sein.
Das erste in diesem Thema Bedenkenswerte und einen armen
Sünder Erfreuende ist dieses, daß wir hier sehen, wie Gott
die Menschen nur als Schafe, als verlorene und ohnmächtige
Schafe betrachtet, die sich unmöglich selbst hüten und vor
dem Wolf bewahren können, sondern ganz und gar von einem
Hirten abhängen. So hat der Herr überall den Menschen
beschrieben und unausgesetzt darauf hingearbeitet, uns jene
so tief in unser aller Natur liegenden Einbildungen zu nehmen
und niederzuschlagen, daß wir selbst Licht und Kraft besäßen,
uns zu helfen und daß wir selbst etwas verstehen und tun
könnten. Gegenüber dieser falschen Vorstellung sagt das
Wort:
,,Der Herr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder, daß Er
sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. Aber sie sind
alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der
Gutes tue, auch nicht einer." Ja, wir sind so untüchtig, sagt
der Apostel, daß wir nicht einmal tüchtig sind, etwas anderes
zu denken als von uns selber. Gott muß sowohl ,,das Wollen
wie auch das Vollbringen wirken".
Eine solche Untüchtigkeit wird nun mit dem Bild eines
Schafes verglichen. Die Schafe sind unter allen Tieren die
der
Gefahr am meisten ausgesetzten, die wehrlosesten. Sie haben
keine scharfen Zähne, um sich damit gegen den Wolf zu
verteidigen. Zudem sind sie wegen ihres Mangels an Klugheit
bekannt, derentwegen sie sogar zum Sinnbild für einen
beschränkten Menschen wurden. Sind nicht auch wir besonders
im Geistlichen bedenklich töricht? Die im Irdischen sonst
klügsten Männer sind oft die größten Toren, sobald es ihre
eigene Seele betrifft; und selbst die erleuchtetsten Christen
sind gegenüber der ,,Tiefe des Satans" immer verloren, wenn
der Herr sie fahrenläßt. Auch wenn wir noch so deutlich
sehen, was wir tun sollen, sind wir doch so ohnmächtig, daß
wir oft rufen und jammern müssen: ,,Ich bin unter die Sünde
verkauft; das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern
das Böse, das ich nicht will, das tue ich."
Ach, bedenke dies doch einmal, du, der du dein Herz mit
der Frage von deinem eigenen Zutun zu deiner Seligkeit
zermarterst! Falle nieder vor dem Herrn und bekenne mit
David: ,,Ich bin wie ein verirrtes und verlorenes Schaf;
suche Deinen Knecht!" Bekenne, daß du gar nichts kannst,
nicht einmal etwas Gutes zu denken vermagst. Begehre alles
als eine Gabe vom Herrn. Wenn es Ihm gefällt, dir etwas zu
geben, dann hast du es; wenn Er es nicht gibt, dann ist alles
vergebens. Du bist ein schwaches und wehrloses Schaf.
Aber sieh nur weiter, welch ein unaussprechlicher Trost darin
liegt, daß der Herr Christus sagt, Er stehe in dem gleichen
Verhältnis zu uns wie ein Hirte zu seinen Schafen. Nun ist
es die Sache eines Hirten, daß er für das Schaf Fürsorge
trägt und nicht erwartet, daß das Schaf sich selbst bewahre,
sich vor dem Wolf hüten, ihn überwinden soll. Vielmehr ist
es der Hirte, der alles das tun soll, und zwar ohne Rücksicht
darauf, ob die Schafe es wert sind oder nicht. Es gehört
einfach zum Beruf eines Hirten. Bedenke darum: Wenn der Herr
Jesus sagt: ,,Ich bin der gute Hirte", so gestattet Er ja,
daß ich Ihn dafür ansehe und gerade das von Ihm erwarte, was
einem Hirten gebührt. Wem sollte ich glauben, wenn nicht dem
Herrn selbst?
Hier wird nichts Gutes je vermißt,
Dieweil der Hirt' ein Herr der Schätze Gottes ist.