Jesaja

Jes 30,19 S.Keller Jesaja 30, 19: «Du wirst nicht weinen.»

Wenn wir aus solchem Wort eine Zusage herauslesen würden, daß die Kinder Gottes auf Erden nie mehr Grund zum Weinen haben sollen, so wäre das ein Unrecht gegen den Zusammenhang, und gegenüber der wirklichen Erfahrung einfach nicht wahr. Allerdings werden wir in der ewigen Vollendung nicht mehr weinen, denn Gott wird abwischen alle Tränen; es wird kein solcher Schmerz mehr da sein. Und das ist eine schöne und selige Aussicht, die imstande ist, jetzt schon manche bittere Stunde zu versüßen. Aber solange wir im empfindsamen Fleische wallen, ist uns die lautlose Begleiterin des Schmerzes, die Träne, eine Erleichterung, wie der Dichter andeutet: der tiefste Schmerz hat keine Tränen. - Vielleicht könnte man sagen, je älter wir werden, desto seltener werden die Tränen. Das Kind kann fünfmal am Tage weinen und lacht im nächsten Augenblick wieder; der Mann weiß sich nicht nur mehr zu beherrschen, so daß er seltener weint, er kann sich auch ganz anders an starke Trostgedanken halten. Auch beim Christen muß das Weinen immer seltener werden. Viel Tränen sind ein Zeichen von Schwäche; je näher wir dem Freudenmeister kommen, desto mehr sind die Stimmungen der Trostlosigkeiten verflogen.

Herr Jesus, du hast schon überwunden - wir sind noch im Tränental. Laß von deiner Freudenquelle uns soviel heimliche Stärkung zufließen, daß wir etwas Besseres haben, als Tränen. Du bist unser Licht und Glück und Trost. Amen.