Jes 30,15
C.O.Rosenius
Wenn ihr stille bliebet, so würde euch geholfen.
Jes. 30, 15.
Welch eine beklagenswerte Not und welch entsetzlicher Schade,
daß nicht alle Menschen wissen, was sie an dem Herrn Christus
haben und was durch Seinen Tod geschehen ist! Es ist wahr,
viele sind sichere, schlafende, leichtsinnige Verächter der
Gnade, sie werden einst ,,sehen, in welchen sie gestochen
haben." - Ihr alle aber, die ihr eure Sünde und euer Urteil
unter dem Gesetz kennt, gern zu Gott zurückkommen wollt, es
aber nicht wagt wegen des Vielen, was euch fehlt, hört, hört!
Daß das Gesetz und das Gewissen euch verdammen, ist nicht
verwunderlich, denn an Sünden fehlt es nicht. Ihr könnt
nicht tun, was ihr sollt, nicht einmal genug bereuen, nicht
lieben, nicht wachen und nicht streiten, sondern alles, was
das Gesetz fordert, das fehlt euch, und was das Gesetz
verbietet, das fließt über.
Aber hört nur! All dieses jämmerliche, unveränderliche,
verdammliche Elend hat Jesus auf sich genommen. Christus,
der von keiner Sünde wußte, ist von Gott für uns zur Sünde
gemacht, ,,für uns", ,,für uns zur Sünde gemacht" - ,,auf
daß wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm." ,,Christus hat
uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da Er ward ein Fluch
für uns." Was sollte Er mehr tun? Ist das nicht genug?
Wer verdammt dich nun, O Mensch? Gott, der Vater, verdammt
dich nicht; denn Er ist vollkommen mit dem zufrieden, was
Jesus getan hat, und bittet dich darum, sogleich zu kommen.
Der Heiland verdammt dich nicht, denn Er hat Sein Blut und
Leben dahingegeben, um dich selig zu machen. Er spricht:
,,Kommt her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid,
Ich will euch erquicken." Der Geist verdammt dich auch nicht;
denn Er erklärt den Seelen Christus und ruft und lädt zur
Hochzeit.
Wer verdammt dich dann? Es ist der Unglaube, der dich
verdammt. Es sind der Teufel und das arge Herz, die dir
Unglauben einflößen und dich verdammen, indem sie sprechen,
es sei mit dem, was Christus getan hat, nicht genug. Erbebe
vor dem Unglauben! Bitte vielmehr Gott um den Glauben und
lasse Ihn nicht, bevor Er deinem Herzen nicht eingeprägt hat:
,,Es ist genug, was Jesus getan und gelitten hat." - Und
wer in seinem Elend sein alles in allem und sein Genüge in
Christus erhalten hat, der ist errettet, der hat den Glauben,
der ist ein Christ, der erkennt Christus und hat das ewige
Leben.
,,Ja", sagt mancher, ,,ich weiß dies alles von Christus,
halte es auch für wahr, aber ich erhalte daraus keine Kraft
für mein Herz, es bewirkt nicht das Leben, den Trost, den
Frieden, die Freude und die Kraft, wie es sollte." - Ja, es
ist wahr, ,,der Glaube ist nicht jedermanns Ding." Mancher
hat dies Wissen von Christus, diesen ,,historischen" Glauben,
hat aber nie die Lieblichkeit und Kraft geschmeckt, die der
wahre, lebendige, aneignende Glaube mit sich bringt. -
Andere wieder bezeugen durch diese Klage nur ein Dürsten nach
Gefühlen und lieblichen Empfindungen der Gnade, der Liebe und
der Nähe des Heilandes. Sie haben wirklich Glauben, haben
nämlich in Christus ihren einzigen Trost und Schatz, ihr
alles in allem; sie haben durch den Glauben auch einen neuen
Sinn erhalten und wissen deutlich die Zeit, in der sie unter
dem Gesetz waren, von der Zeit zu unterscheiden, in der
sie unter der Gnade lebten. Sie entsinnen sich dabei auch
dessen, welche lieblichen Gefühle sie anfangs hatten, und
dürsten jetzt wieder nach ihnen, sollten aber bedenken, daß
die Schrift nie von Gefühlen, sondern nur vom Glauben an
Christus, vom Glauben an das bloße Wort redet, mag das Gefühl
lieblich oder bitter sein. Sie sollten bedenken, dem Heiland
darin zu gehorchen, damit zufrieden zu sein, wenn es Ihm
gefällt, sich zu verbergen und dadurch ihren Glauben zu
prüfen, wie Er es mit der kananäischen Frau tat, und sie
sollten erkennen, wie lieb es Ihm war, als sie dennoch
glaubte, so daß Er geradezu eine herzliche Lust daran hatte
und ausrief: ,,O Frau, dein Glaube ist groß, dir geschehe,
wie du willst" - und dann durfte sie schmecken und sehen,
wie lieblich Er war. Laßt auch uns dem Heiland diese Freude
bereiten! Er hat keine größere Freude an uns, als wenn wir
an Ihn glauben.
Es ist aber auch unbedingt nötig, wirklich zu glauben, d. h.
in aller Sorge über sich selbst, in allem Elend, in aller
Sünde und Anfechtung wirklich in Christus seinen Trost, sein
Fundament, seine Gerechtigkeit und seinen Frieden zu haben.
Und damit wir diese Kraft aus dem Wort empfangen, damit Gott,
der die Gabe des Glaubens in Seiner Hand hat, uns einen
wirklichen und lebendigen Glauben geben kann, ist es vor
allem notwendig, still und einfältig auf einen gewissen Teil
des Wortes Gottes, einen gewissen Kernspruch von Christus
achtzugeben und denselben ruhig, tief und ernstlich zu
betrachten, ,,denn der Glaube kommt aus der Predigt."
Viele verscherzen die Gnade Gottes einfach dadurch, daß sie
beständig die Gedanken bald hierhin bald dorthin wenden, und
die Augen nicht eine Stunde lang ruhig auf den Gekreuzigten
richten können. Sie wollen nicht glauben, daß alles durch
den Heiland gutgemacht wurde. Darum haben sie so vielerlei
Sorgen, daß das Wort nie in ihre Herzen hineindringen und des
Glaubens Leben und Kraft bewirken kann. Ein brausendes Meer
kann auch von den heißesten Sonnenstrahlen nicht erwärmt
werden, während eine stille Fläche das Licht und die Wärme
der Sonne leicht aufnimmt. Genauso ist es auch mit dem
Herzen bewandt.
In Christi Wunden hast du Schutz,
In Christi Wunden kannst du Trutz
Den Feinden bieten jederzeit,
Bis du gelangst zur ew'gen Freud.
In Jesu Blute wasch dich rein,
In Jesu Wunden hüll dich ein,
Auf Jesu Tod stirb unverzagt,
Das Leben ist dir zugesagt.