Ps 141,3
S.Keller
Psalm 141, 3: «Herr, behüte meinen Mund und bewahre meine
Lippen.»
Ist heute im Laufe des Tages keine solche Entgleisung
geschehen, daß ich etwas gesagt, was ich nicht hätte sagen
sollen, wie ich's getan? Fiel kein unvorsichtiges Wort über
andere Menschen, das vielleicht, weitergetragen, zum Samen
bitterer Feindschaft dienen kann, oder ein übertriebenes
Wort, dadurch ich mir etwas an Lob oder Anerkennung
verschaffen wollte? Anvertraute Geheimnisse kann ich doch
bewahren, warum nicht Urteile und Scherze für mich behalten,
die andere verletzen? Wie demütigend lastet die Erkenntnis
solcher Schuld auf meinem Abendsegen! Und wenn ich auch Gott
und Menschen um Verzeihung bitte, wie viel tiefer wäre mein
Friede, wie viel köstlicher heute abend mein Zusammensein mit
dem Herrn, wenn ich nicht um solch einer neuen Verschuldung
willen mich schämen müßte. Daher begreife ich den Psalmisten
und schließe mich von tiefster Seele seinem Gebet an. Ach
ja, daß eine Schildwache des Herrn vor meinen Lippen stünde
und eine Erinnerung aus dem Heiligtum meinen Mund behütete.
Es muß doch auf diesem einen Gebiet des geistlichen Wachstums
ebenso gut zum Siege kommen, wie es auf manchem andern schon
geschehen ist.
Herr, ich vertraue dir, daß du mich stille machen kannst.
Behüte meinen Mund und bewahre meine Lippen, Herr Jesu, um
deinetwillen! Erinnere mich am Tage der Gefahr an deine Nähe
und deine Hilfe. Amen.
D.Rappard
Herr, behüte meinen Mund! Und bewahre meine Lippen!
Ps. 141,3.
Ein Gotteskind, das sich am Morgen frisch und gesund vom
Schlaf erhebt, hat das Bedürfnis dem Herrn zu danken,
der es behütet hat vor den Gefahren und Schrecknissen der
Nacht. Aber es drohen ihm am Tage nicht geringere, sondern
oft viel größere Gefahren. Die Sünde lauert vor der Tür,
und der Feind der Seelen sucht allenthalben zu schaden und zu
verletzen. O wie tut es daher not zu rufen: Herr, behüte mich!
Eine der vielen Gefahren ist unnützes und sündliches Reden.
Ach, wie viel Unheil ist durch Zungensünden entstanden!
Welch verheerenden Brand hat schon ein unbedachtes Wort
angefacht! Wie wichtig ist es, gerade an das Tor unserer Lippen
eine Wache zu stellen! Und wo könnten wir einen bessern
Wächter finden als den Herrn der Heerscharen? Darum die
ebenso kindliche wie mächtige Bitte: Herr, behüte D u meinen
Mund, bewahre D u meine Lippen!
Aber solcher Bitte muß zartes Aufmerken folgen. Oft ist
ein Wort schon auf der Zunge, da mahnt der heilige Wächter:
Ist das auch aus der Wahrheit? Ist's aus der Liebe? Ist's
göttlich rein? Der Herr ist sehr treu im Mahnen; seien wir
treu im Befolgen.
Laß mich Dir folgen allezeit
Im Reden und im Schweigen!
O laß mich immer dienstbereit
Vor Deinem Wink mich neigen!