Ps 115,11
C.O.Rosenius
Ihr, die ihr den Herrn fürchtet, vertrauet Ihm! Ihre Hilfe
und ihr Schild ist er. Ps. 115, 11.
Du fragst hier vielleicht: ,,Wie sollen wir denn Gott
fürchten und vertrauen?" Antwort: Nur so, daß es dem
entspricht, was Er wirklich ist. Wir müssen ihn recht
kennen, dann haben wir sogleich sowohl Gottesfurcht als auch
Glauben. Wenn wir leichtsinnig und sicher sind, liegt es nur
daran, daß wir weder wissen noch glauben oder bedenken, wer
Gott ist. Glaubten wir recht, wie groß und mächtig Er ist,
welch ein heiliger Eiferer Er gegen alle Sünde ist, wie wahr
Er in Seinen Drohungen ist, wie nahe Er uns ist und alles
sieht, aber auch wie gnädig und treu Er ist, dann würden wir
Ihn wahrlich fürchten und Ihm vertrauen.
Wenn wir nun alle diese Eigenschaften Gottes betrachten, die
wir aus Seinen Urteilen, nach dem Wort und aus der Erfahrung
kennen und gleichsam mit den Augen sehen müßten, und wenn wir
es damit vergleichen, was Er so oft in Seinem Worte befiehlt,
daß wir nämlich Ihm glauben und vertrauen sollen, dann
erhalten wir folgende Lehre: Wir sollen Gott so fürchten
und vertrauen, daß wir sonst nichts fürchten, wie furchtbar
es auch an und für sich sein mag. Nichts anderes sollen
wir fürchten als Ihn allein. Wir sollen auf sonst nichts
vertrauen, wie stark, vortrefflich und zuverlässig es auch
scheinen mag, nein, auf gar nichts als auf Ihn allein. Dann
wird der Herr unser einziger und alleiniger Gott. Dann wird
Er allein der Gegenstand der Furcht, des Vertrauens und der
Verehrung unseres Herzens.
Wie aber soll ich das verstehen, daß ich nichts fürchten darf
als Gott allein? Es gibt doch viele furchtbare Dinge auf
Erden, so daß man oft schon bei dem Gedanken an dieselben
schaudert. Bedenke nur, wieviel Böses erbitterte und
mächtige Feinde uns zufügen können, oder bedenke, was es
bedeuten würde, etwa unter den Händen eines Mörders den Geist
aufzugeben oder für die ganze Lebenszeit das Augenlicht oder
den Verstand zu verlieren oder von einer schrecklichen,
unheilbaren Krankheit ergriffen oder vom Blitz erschlagen zu
werden, und was dergleichen schreckliche Ereignisse mehr
sind. Muß man sich nicht vor solchen Dingen fürchten?
Antwort: Das muß ein jeder, der nicht in dem allmächtigen
Herrn seinen einzigen und alleinigen Gott hat. Wer aber
wirklich glaubt und bedenkt, daß ein lebendiger, denkender,
wachsamer und allmächtiger Gott überall zugegen ist, ja,
wem die geistlichen Augen geöffnet werden, so daß er dieses
sieht und glaubt, der weiß auch, daß nichts von allen diesen
schrecklichen Dingen auch nur ein Haar auf seinem Haupte
krümmen kann, wenn dieser treue, allmächtige Vater es nicht
beschlossen hat. Wenn Er es will, dann trifft dich der
Blitz, die Krankheit, das Unglück oder der jähe Tod; aber hat
Er es anders beschlossen, dann kann nichts von alledem dich
rühren. Hält Er es für notwendig oder dir nützlich, daß dein
Herz zerschlagen werden, leiden und bluten soll, dann sendet
Er dir eine Sorge, einen Verlust oder gar einen bösen
Menschen, der dich übervorteilt, belügt und verspottet. Wenn
Er dir aber Ruhe verleihen will, dann darf dich von alledem
nichts treffen.
Seht, wie Christus dem Pilatus antwortete: ,,Du hättest keine
Macht über Mich, wenn sie dir nicht von oben herab gegeben
wäre." Oder wie David von dem bösen Menschen Simei spricht:
,,Laßt ihn fluchen, denn der Herr hat ihm geheißen: Fluche
David." Und wenn Jeremia von all den mannigfachen Trübsalen
redet, z.B. daß man ,,unterdrückt", ,,falsch gerichtet" wird
usw., so sagt er: ,,Wer darf denn sagen, daß solches ohne des
Herrn Befehl geschieht, und daß nicht Böses noch Gutes aus
dem Munde des Allerhöchsten kommt?" Als der Satan Erlaubnis
erhält, Hiob zu plagen, schreibt Gott der Herr, ihm
ausdrücklich die Art und den Grad vor. Ja, der Prophet Amos
sagt: ,,Ist auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht
tue?" Und Gott, der Herr, selbst erklärt es so: ,,Auf daß man
erfahre bis zu der Sonne Aufgang und der Sonne Niedergang,
daß außer Mir nichts sei. Ich bin der Herr und keiner mehr;
der Ich das Licht mache und schaffe die Finsternis; der Ich
Frieden gebe und schaffe das Übel. Ich bin der Herr, der
solches alles tut." Wer an diesen alleinigen Gott nicht
glaubt, der hat sich von allen Seiten vor tausend Dingen
zu fürchten; er schaut bald hierhin, bald dorthin und hat
fortwährende Unruhe. Heute fürchtet er Krankheit, morgen
Armut und Verlust. Heute fürchtet er sich vor einem bösen
Menschen, der ihm Schaden tun kann, morgen fürchtet er, daß
ein treuer Freund ihn verlassen wird. Kommt eine betrübende
Nachricht, so weiß er keinen Helfer, wenn er selbst oder
andere Menschen nicht helfen können. Alles das ist die
gerechte Strafe für diejenigen, die nicht allein den
allmächtigen Herrn ihren Gott sein lassen. Dagegen - welche
selige Ruhe, welchen Frieden genießt derjenige, der an einen
Gott, einen mächtigen Gott, einen treuen Vater glaubt.
So sei nun, Seele, Seine
Und traue dem alleine,
Der dich geschaffen hat;
Es gehe, wie es gehe,
Dein Vater in der Höhe,
Der weiß zu allen Sachen Rat.
Es kann mir nichts geschehen,
Als was Er hat ersehen
Und was mir selig ist.
Ich nehm' es, wie Er's gibet;
Was Ihm von mir beliebet,
Dasselbe hab auch ich erkiest.