Ps 103,8
C.O.Rosenius
Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer
Güte. Ps. 103, 8.
Hier könnte jemand klagen: ,,Ich Elender! Gott ist gnädig
gegen Seine Freunde, und dies mag sie trösten, aber nicht
gegen mich! Ich bin von Seinem Angesicht verworfen, Er ist
mir ,,verwandelt in einen Grausamen". Ich sehe es ja, ich
fühle es ja, daß Er mir zürnt! Ich sehe ja, daß Er mein
Gebet nie erhören will! Ich fühle Seine Drohungen in meinem
Herzen. Ich suche Ihn im Worte und finde keinen Gefallen
daran noch Kraft daraus. Ich suche Ihn im Gebet und erhalte
nie eine gnädige Antwort, nur Drohung und Angst. Der Herr
hat mich verlassen!"
Armer Mensch! Wer hat dir Gott so dargestellt? Das haben
der Teufel und dein eigenes lügenhaftes Herz getan. Es
schwebt dir ein ganz falsches Bild von Gott, ja, ein Bild
vom Teufel vor Augen. Sieh doch hier, wie Gottes Wort Seine
Herzensgesinnung darstellt: ,,Barmherzig und gnädig ist der
Herr, geduldig und von großer Güte! Er wird nicht immerdar
hadern noch ewiglich Zorn halten."
Wohl kann der Herr eine Zeitlang mit dir ,,hadern" und sich
zornig stellen; wohl kann Er in solcher Zeit des Zorns Sein
Antlitz vor dir verbergen, ja, es recht lange verbergen; aber
es ist unmöglich, daß Er ewiglich so hadern und immerdar
zürnen könnte. Beachte diesen Unterschied! Das ganze Wort
Gottes - vom Anfang der Bibel bis zu deren Ende - und alle
Seine Werke mit den Kindern Israel zeigen bestimmt, daß der
Herr wahrlich nur die sicheren Verächter, die beständig
widerspenstigen Verächter ewiglich verläßt. Er hat aber nie
und nimmer im Ernste diejenigen verlassen, die sich strafen
ließen und in ihrer Not zum Herrn riefen und Seine Kinder
sein wollten. Sirach sagt: ,,Sehet an die Exempel und merket
sie. Wer ist jemals zuschanden geworden, der auf den Herrn
gehofft hat? Wer ist jemals verlassen und von Ihm verschmäht
worden, der Ihn angerufen hat? Der Herr ist gnädig und
barmherzig und vergibt die Sünde und hilft in der Not. Wehe
denen, so an Gott verzagen!". Ja, wehe dem, der hier seinem
Herzen und Gefühl glauben will! Wehe dem, der nicht vielmehr
- dem Gefühl gerade entgegen - an Gott glaubt! Höre, wie Er
selbst sagt: ,,Denn also spricht der Hohe und Erhabene, der
ewiglich wohnt, dessen Name heilig ist: Der Ich in der Höhe
und im Heiligtum wohne und bei denen, die zerschlagenen und
demütigen Geistes sind, auf daß ich erquicke den Geist der
Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen; Ich will nicht
immerdar hadern und nicht ewiglich zürnen, sondern es soll
von Meinem Angesicht ein Geist wehen, und Ich will Odem
machen."
Hier halte still! Ist dies das wahrhaftige Wort Gottes?
Glaube es dann! Mache Gott nicht zum Lügner! Wie gesagt, Er
will mit uns hadern, aber nicht ewiglich. Er haderte mit der
kananäischen Frau so lange, bis Er sie schließlich einen
,,Hund" nannte. Als sie aber dennoch glaubte, das dicke
Dunkel durchbrach und auf Sein Herz blickte, das nach dem
guten Gerücht lauter Liebe sein sollte, und als sie Ihn beim
Wort faßte, indem sie sprach: ,,Ja, Herr, aber doch essen
die Hündlein von den Brosamen, die von ihrer Herren Tische
fallen", sieh, da konnte Er sich nicht länger halten, da
lachte Sein Herz vor Liebe, und Er rief aus: ,,O Weib, dein
Glaube ist groß! Dir geschehe, wie du willst!" Da siehst du,
wie Sein Herz liebt, auch wenn Er hadert! Da siehst du, was
Seine höchste Lust ist, nämlich, daß wir dennoch glauben.
Man sieht deutlich, daß es Ihm eine Freude, ein Wohlgefallen
war, daß diese Frau so glaubte, denn mit Nachdruck ruft Er
aus: ,,O Weib, dein Glaube ist groß!" - Willst nicht auch du
Ihm diese Freude bereiten, daß du Ihn sich verbergen läßt und
Ihm dennoch glaubst?
Um des Lebens und der Seligkeit willen laß den Teufel dir
nicht das Bild Gottes entstellen! Du siehst hier das wahre
Bild: ,,Barmherzig, d. h.: Gott ist ein solches Wesen, dem
alle Not zu Herzen geht und der nicht dulden kann, daß wir
zu Ihm rufen, ohne daß uns geholfen würde. Jesus selbst
spricht:
,,Sollte Gott Geduld darüber haben?" - nämlich, die Not
Seiner Kinder und ihr Gebet Tag und Nacht hören, ohne zu
helfen. - Gnädig, d. h., daß Er mit uns nicht nach unseren
Sünden handelt, sondern nach Seinem Friedensbunde in
Christus. - Geduldig, d.h. langmütig, oder daß Er harret,
uns gnädig zu sein, Viele Tausende von Gedanken und Bildern
über Gott regen sich in unseren Herzen, dies aber ist das
einzig wahre Bild. Sobald ein anderes Bild von Ihm sich in
deinem Herzen zeigt, z.B., daß Er mit dir nach deinen Sünden
handeln wolle oder sich nicht um dich kümmere, sondern dich
verlassen habe, dann sage sogleich: ,,Nein, dies ist ein
mißlungenes, ein falsches, ein entstelltes Bild! Dies ist
nicht das Bild Gottes, sondern des Teufels. Der wahre Gott
ist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte."
Allein Gott in der Höh sei Ehr'
Und Dank für Seine Gnade,
Darum, daß nun und nimmermehr
Uns rühren kann kein Schade.
Ein Wohlgefall'n Gott an uns hat,
Nun ist groß Fried' ohn' Unterlaß,
All' Fehd hat nun ein Ende.