Psalmen

Ps 73,23 C.H.Spurgeon ,,Dennoch bleibe ich stets an Dir." Ps. 73, 23.

Dennoch. - Wie wenn es trotz aller Torheit und Unwissenheit, die Assaph gerade zuvor seinem Gott bekannt hatte, nicht um ein Stäublein weniger wahr und gewiß wäre, daß er errettet und selig und angenehm gemacht sei in dem Geliebten, und daß das selige Vorrecht, in der beständigen Gnadengegenwart Gottes verweilen zu dürfen, ihm unzweifelhaft zu eigen geschenkt sei. Obgleich seines verderbten Zustandes, wie der Tücke und Bosheit seiner alten Natur sich vollkommen bewußt, singt er gleichwohl in siegesfreudigem Ausbrechen seiner Glaubenszuversicht: ,,Dennoch bleibe ich stets an Dir." Liebe Seele, mußt du in Assaphs Bekenntnis und Geständnis mit einstimmen, so trachte danach, daß du auch mit ihm ausrufen kannst: ,,Dennoch, dieweil ich Christo angehöre, bleibe ich stets an Gott!" Damit ist gemeint: ich bleibe Ihm stets im Sinne; Er denkt allezeit an mich, um mein Bestes zu fördern. Stets vor seinen Augen; des Herrn Auge schläft noch schlummert nicht, sondern wacht immerdar über mir, daß es mir wohl ergehe. Stets in seiner Hand, so daß mich niemand Ihm aus seiner Hand zu reißen vermag. Stets an seinem Herzen; Er trägt mich auf seiner Brust zum Gedächtnis, gleichwie der Hohepriester die Namen der zwölf Geschlechter Israels auf seinem Brustschildlein trug, ihrer jederzeit eingedenk zu sein.

Du gedenkest meiner stets, o Gott. Dein lieberfülltes Herz schlägt mir beständig entgegen. Du wirkest allezeit nach Deiner weisen Vorsehung, was mir zum Besten dienen muß. Du hast mich wie ein Siegel auf Dein Herz gesetzt und wie ein Siegel auf Deinen Arm; Deine Liebe ist stark wie der Tod, daß auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen mögen, noch die Ströme sie ersäufen. Erstaunliche Gnade! Du siehest mich in Christo, und obgleich ich in meinen eigenen Augen häßlich bin, so hast Du doch Wohlgefallen an mir, weil ich gekleidet bin in Christi Gerechtigkeit und abgewaschen in seinem Blut und angenehm gemacht vor Dir in dem Geliebten. So stehe ich stets in Deiner Gunst, ,,ich bleibe stets an Dir."

Hier ist Trost und Erquickung für die geängstete Seele; wenn dich der Sturm inwendig erschüttert, so schaue auf die Ruhe, die dich umgibt. ,,Dennoch," o, sprich's in deinem Herzen aus und eigne dir den Frieden an, den dieses Wort dir in allen Lagen des Lebens, in Traurigkeit und Zweifeln gewährt: ,,Dennoch bleibe ich stets an Dir."





A.Christlieb Dennoch bleibe ich stets an dir. Du bist doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Psalm 73, 23. 26

Ein Studiengenosse des gewaltigen Zeugen Ludwig Hofacker erzählt uns, daß Hofacker sich als Student oftmals in Ermangelung eines anderen Gebetsplatzes in einen Holzschuppen zurückgezogen habe. Mit leuchtendem Angesicht sei er oftmals von dort zurückgekommen. - Laßt auch uns das Heiligtum des Kämmerleins oft aufsuchen. Die Wirkungen des ernsten Gebetes sind heute noch dieselben wie zu Hofackers und Asaphs Zeiten. - Sehen wir noch einmal die Änderung an, die der Gang ins Heiligtum bei Asaph hervorgerufen hat. Die Zustände um ihn her waren geblieben wie vorher. Die Gottlosen trieben ihr freches, stolzes Unwesen wie zuvor. Aber, Asaph hatte einen anderen Blick gewonnen. Er schaute die Verhältnisse nicht mehr an mit den Augen des Neides oder Unwillens, sondern mit den Blicken tiefsten Mitleids. Gott hatte ihm die Augen geöffnet für die Welt der Ewigkeit. Und da sah er, wie die Gottlosen auf schlüpfrigem Boden haltlos dahinsanken, um nie wieder aufzustehen. Ihm aber streckte Gott die Hand entgegen, die niemals losläßt, wen sie ergriffen hat. Während jene ihr Herz an zeitliche Güter hängten, die schnell vergehen, durfte er sein Herz dem weihen, der allein ewig befriedigt. Jene hatten für kurze Zeit eitle Menschenehre genießen dürfen, sich sah er mit ewiger Ehre gekrönt. - Was ist das stolze Brüsten der Gottlosen gegen das ,,Dennoch" seines Glaubens (dennoch bleibe ich stets an dir), das ,,Nur" seiner Liebe (wenn ich dich nur habe) und das ,,Endlich" seiner Hoffnung (du nimmst mich endlich mit Ehren an)? Wer Asaphs Halt, Leitung und Ziel gefunden hat, der ist zufrieden. Er betet mit Tersteegen: Wer dich hat, ist still und satt. Wer dir kann im Geist anhangen, darf nichts mehr verlangen.





C.Eichhorn Der Frommen Dennoch (I) Dennoch bleibe ich stets an dir. Ps. 73, 23

Es begibt sich vieles, was mit der Liebe Gottes scheinbar nicht übereinstimmt. In solchen Fällen scheiden sich die Menschengeister. Einem Arzt starb die Gattin und hinterließ zwei unmündige Kinder. "Bisher schwankte ich noch", sagte er, "ob es einen Gott gibt oder nicht; aber nun bin ich gewiß, daß es keinen gibt. Wenn es einen gäbe, so könnte er so etwas Verkehrtes und Grausames nicht tun." Eine Frau erhält die Nachricht, ihr Mann sei vermißt. Jahre verstreichen, sie hört nichts mehr. "Ich gehe nicht mehr in die Kirche, bis mein Mann wiederkehrt", lautet ihr Entschluß. Viele, welche die Kriegsgreuel miterlebten, haben allen Glauben an Gott weggeworfen. Wenn es einen Gott gäbe, könnte er so etwas nicht mit ansehen und dulden. In solchen Fällen stellt sich heraus, daß überhaupt kein inneres Verhältnis zu Gott vorhanden war. Man stand im Grunde Gott fremd und mißtrauisch gegenüber. Man hat nur an sich gedacht und gemeint, Gott sei eben dazu da, die eigenen Wünsche zu erfüllen und das vermeintliche Glück zu erhalten. Solche Leute vergessen, daß das Geschöpf vor allem eine Verpflichtung dem Schöpfer gegenüber hat. Ihrer Ansicht nach ist Gott verpflichtet, uns ein befriedigendes Dasein zu verschaffen. Ganz anders denken Gotteskinder. Sie werden nicht sofort irre an Gott, auch wenn es ganz gegen ihr Meinen und Wünschen geht. Sie sagen ihm den Dienst nicht ab, auch wenn er scheinbar hart und grausam mit ihnen umgeht. Sie haben die Liebe ihres Gottes in der Rettung ihrer Seele erfahren. Gott hat ihnen in Jesus sein Herz geschenkt, sie haben ihm das ihrige dafür gegeben. Sie stehen zu ihm im Verhältnis des Kindes zum Vater. Sie wissen, daß Gott stets ihr Bestes im Auge hat, auch wenn sie ihn nicht gleich verstehen. Auch treten sie Gott nicht mit Ansprüchen gegenüber. Sie leben nur von Barmherzigkeit und wissen, daß sie alles Schwere, ja das Schwerste wohl verdient haben. Sie besitzen Licht von oben und haben daher Einblick in die Heiligkeit der Liebe Gottes. Sie wissen darum, daß die schweren Wege heilsame Demütigungs- und Erziehungswege Gottes sind. In den dunklen Stunden ihres Lebens regen sich wohl Zweifel. Auch Asaph, der Dichter des 73. Psalms, wurde von solchen geplagt. Ein Hiob hat unter ihnen gelitten. Aber sie kommen doch nicht los von Ihm, ohne den sie nicht sein und leben können. Ja, sie klammern sich in der Dunkelheit nur umso fester an ihn. Sie setzen den bangen Zweifeln das Dennoch des Glaubens entgegen. Sie gehen mit ihren inneren Nöten ins Heiligtum des Gebetes wie einst Asaph und sprechen ihm nach: "Dennoch bleibe ich stets an dir!"





C.Eichhorn Der Frommen Dennoch (II) Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Ps. 73, 23

Ich bleibe stets an dir, ich weiche nicht - warum? Weil ich dich mit meiner Hand festhalte? Nein, weil du mich bei meiner Rechten hältst. Er hält sie fest, viel fester, als ich ihn halte. Ehe ich ihn ergriffen habe, hat er mich ergriffen. Gott ist es, der in Christus zuerst die Seele erfaßt und eine persönliche Verbindung mit ihr anknüpft. Nun läßt er dich nicht mehr los. Er führt dich sicher, wie ein Vater sein Kind, durch das Dunkel der Nacht an gefährlichen Abgründen hin. Er hält dich, wenn mitunter der Boden unter den Füßen weicht, wie schwebend über der Tiefe. Er hält dich fest, daß die Zeitströmungen dich nicht mit fortreißen und die Irrgeister dich nicht unter ihren Bann bringen können. Er hält dich an dem "bösen Tag", wo der Feind mit aller Macht gegen dich anstürmt. Vielleicht kommst du ins Wanken, ins Straucheln, am Ende fällst du auch zu Boden. Aber er läßt dich nicht los, er richtet dich wieder auf, wenn du nicht loslassen willst. Gar lieblich entspricht unserm obigen Wort ein anderes, im 63. Psalm: "Deine rechte Hand erhält mich." Der Vater und sein Kind halten sich Hand in Hand fest umschlossen. Der Vater bietet zuerst seine Rechte. Dann legt das Kind seine rechte Hand in die des Vaters. Der Glaube ist es, der die dargebotene Hand Gottes erfaßt und festhält. Gottlob, er hält fester als wir. "Hand, die nicht läßt, halte mich fest!" so bitten wir im Gefühl unserer Schwachheit. Durch seine starke Hand werden wir bewahrt zur Seligkeit. Aber wir müssen ihm auch vertrauensvoll und gehorsam unsere Rechte geben und lassen. Manchmal ist ein Kind recht eigensinnig und trotzig. Es will durchaus die Hand nicht hergeben, sich führen zu lassen. Es will selbständig gehen und sich seinen Weg nicht vorschreiben lassen. Nun gut! Es geschieht nach seinem Willen. Auf einmal fällt das Kind, liegt am Boden und weint. Nun läßt es sich recht gern von der Hand aufhelfen, die es zuerst weggestoßen hat. - Das ist unser Bild. Wir sind von Natur schwach und können allein nicht richtig gehen, nicht einen Schritt. Gleichwohl sind wir gar trotzig und vermessen, bis demütigende Niederlagen uns eines andern belehren. Nun sind wir froh und dankbar, daß der barmherzige Gott seine Hand ausstreckt aus der Höhe und uns aus dem Schmutz aufhebt, reinigt und dann nicht mehr losläßt. Dann stimmen wir ein in die Bitte:

O Vaterherz, o Licht, o Leben, o treuer Hirt, Immanuel, dir bin ich einmal übergeben, dir, dir gehöret meine Seel'! Ich will mich nicht mehr selber führen, der Vater soll das Kind regieren. So geh nun mit mir aus und ein und leite mich auf allen Tritten! Ich geh', ach Herr, erhör mein Bitten, ohn' dich nicht einen Schritt allein!