Ps 73,16
C.Eichhorn
Manchmal geht es bis ans Ende der Kraft
Ich gedachte ihm nach, daß ich's begreifen möchte; aber
es war mir zu schwer, bis daß ich ging ins Heiligtum und
merkte auf ihr Ende. Ps. 73, 16.17
Im Leben der Frommen gibt es Zeiten der Anfechtung. Es ist
für uns sehr tröstlich, daß uns die Gottesmänner der Bibel
nicht nur in ihrer Glaubensstärke, sondern auch in ihren
schwachen Stunden vor Augen geführt werden. Sie selbst
verschweigen ihre Schwachheiten nicht, sondern bekennen
sie ganz offen. Asaph wurden schwere äußere Erlebnisse zur
Anfechtung. Leiden über Leiden, Züchtigung über Züchtigung
reihten sich aneinander. Mit jedem Morgen brach die Trübsal
neu an. Neben sich sah er Menschen, die nicht nach Gott
fragten. Ihnen ging es gut. Sie hatten nicht ihr
Leidensteil wie andere Sterbliche. All ihr Vorhaben führten
sie hinaus. Ihr Hochmut kannte keine Grenzen. Sie rissen
den Mund weit auf und führten das große Wort. Die Menge
gab ihnen Beifall. Ihr Anhang war zahllos. Er einsam,
verachtet, in die Ecke gestellt, täglich geplagt! Da kannte
er sich nicht mehr aus. Quälende Zweifel an der Liebe und
Gerechtigkeit Gottes setzten ihm zu. Er sann und grübelte,
aber mit seinem Verstand kam er nicht zum Ziel und
strauchelte schier.
- Ach ja, die göttlichen Führungen sind mitunter sehr dunkel
und unverständlich. Aber müssen wir sie gleich verstehen?
Tersteegen sagt: Je göttlicher sie sind, desto mehr entziehen
sie sich unserem Begreifen. Wollen wir darum irre werden?
Oder wollen wir es besser wissen als er, ihn meistern? Dann
sind wir die größten Toren, wie Asaph bekennt: Ich war ein
Tor und wußte nichts, ich war wie ein einsichtsloses Tier vor
Gott, dem allein Weisen, als es mir so weh tat im Herzen und
bittere Empfindungen sich in mein Innerstes einbohrten. -
Was brachte die Wendung bei ihm? Er ging ins Heiligtum
Gottes. Anstatt sich mit fruchtlosen Grübeleien
herumzuschlagen, nahte er sich betend dem Gott, gegen den
sich Zweifel in ihm erhoben. Er warf sich zu seinen Füßen.
Er ließ ihn nicht los, wiewohl Gott scheinbar nichts von ihm
wissen wollte. Nun lichtete es sich. Es ging aus der Tiefe
in die Höhe. Er schämte sich seiner Zweifel an der Liebe
Jehovas, dessen Name "Gnädig", "Barmherzig" und "Treu" heißt.
Gott müßte sich selbst fallen lassen, wenn er seine Kinder
fallen ließe, die sich zu ihm halten. Aus der Nacht der
Anfechtung wurde Asaph auf eine lichte Glaubenshöhe gehoben.
Gott ist dennoch seines Herzens Trost und sein Teil, mag ihm
auch Leib und Seele verschmachten, also alles genommen
werden, was das Dasein auf Erden schön und begehrenswert
macht. - Ins Heiligtum Gottes wollen auch wir gehen, wenn
Zweifel wider unsere Seele einstürmen, ins Heiligtum des
Wortes, da Gott mit uns redet, ins Heiligtum des Gebets,
wo wir mit ihm reden. Je mehr Gott uns entschwinden will,
wollen wir ihm nahen, unter Beugung und Buße über unsere
Zweifel und argen Gedanken. Dann werden wir getröstet und
als ganz neue Menschen aus dem Heiligtum herausgehen, wie
einst Asaph.