Ps 69,19
Ch.Spurgeon
"Du weißt, was für Schimpf, für Schande und Schmach mir
angetan wird; meine Widersacher sind alle vor dir." Psalm
69,20
Die drei Worte "Schimpf", "Schande" und "Schmach" sind
genannt, um auszudrücken, wie beißend der Erlöser die
Verachtung empfand, mit der er überhäuft wurde, und wie gewiß
es ihm war, daß jede Art Bosheit, die ihm erwiesen wurde, von
Gott beachtet wurde. "Meine Widersacher sind alle vor dir" -
sie entgehen deinem Auge nicht. Diese ganze schamlose Rotte
steht vor deinen Blicken, und ihre boshafte Nichtswürdigkeit
ist dir nicht verborgen: Judas und sein Verrat, Herodes und
seine List, Kajaphas und sein blutiger Rat, Pilatus und
seine Wankelmütigkeit, die Pharisäer und Sadduzäer, die
Schriftgelehrten und Hohenpriester, das Volk und die
Obersten, sie alle siehst du und wirst du zur
Verantwortung ziehen.
"Die Schmach hat mir das Herz gebrochen." Kein Hammer
zerschlägt so sehr wie Hohn. Verleumdungen verursachen
stechende Seelenschmerzen. Bei der so zart empfindenden
Natur des makellosen Menschensohnes genügten ihre Stiche,
sein Herz zu durchbohren, bis es brach. Die Kränkungen und
Lästerungen beugten ihn in den Staub. Sein Herz litt
unsägliches Weh. Wie furchtbar das Gemüt des Heilands unter
all dem litt, was er erdulden mußte, zeigen unter anderem
die Vorgänge in Gethsemane. Da war keiner, der ihm ein
liebevolles Wort sagte; ja nicht einmal jemand, der durch
den Anblick seines Elends gerührt wurde; nicht einer, dessen
Herz fähig gewesen wäre, menschlich für ihn zu fühlen. Ja,
in seiner größten Not wurde er auch von denen verlassen, die
seine milde Hand früher gespeist und geheilt hatte. Er fand
keinen Tröster. Selbst diejenigen, die seine treue Liebe
in höchstem Maß erfahren hatten, suchten nur ihre eigene
Sicherheit und ließen ihren Meister allein. Wer an Herzweh
leidet, bedarf des Trostes; wer verfolgt wird, hat Anspruch
auf Mitleid. Aber unser Bürge fand keines von beiden in
jener finsteren Nacht, als für die Mächte der Finsternis die
gelegene Zeit gekommen war.