Ps 69,3
S.Keller
Psalm 69, 3: «Das Gesicht vergeht mir, daß ich so lange muß
harren auf meinen Gott.»
Das haben wir beobachtet: wir standen an einer Stelle, da wir
die Straße entlang schauen konnten, von woher der Ersehnte
kommen sollte. Unwillkürlich spannte sich unsere Sehkraft
an, um das erste Erscheinen an jener fernen Ecke nicht zu
verpassen. Aber Viertelstunde um Viertelstunde verrann; wir
wurden müde und verzagt vom Warten. Der Psalmist überträgt
das auf das innere Leben. So geht's, wenn man angstvoll
spähte nach der Hilfe Gottes, und sie blieb lange aus. Da
meint man auch, unsere gesteigerte Sehnsucht muß ein Magnet
sein, der die Hilfe herbeizaubert. Darüber wird man elend
im Gefühl, schwankend im Glauben und gelähmt in allem Tun.
Ist es da nicht besser, daß du die schmerzenden Augen mal
zumachst? All dieses Spähen, diese ganze Spannung ist nicht
Glaube, sondern Unglaube. Kehre dich ab in dem festen
Vertrauen, daß der Herr dich nicht vergessen hat, daß
er seine Hilfe auf andere Weise, als du denkst, schon
herbeiführen kann, daß deine Bitte droben schon erhört
ist. Man will dort vielleicht nur so lange warten mit dem
Eintretenlassen der Hilfe, als bis du stille geworden bist,
als bis du aufhörst, angstvoll hinauszuspähen nach ihrem
Erscheinen. Erhebe deine Augen, damit sie klar seien, die
Hilfe zu sehen, wenn sie kommt.
Herr Jesus, vergib mir meine unwürdige Ungeduld. Ich habe
deine Hilfe schon so oft und so reichlich erfahren, daß ich
mich an dir versündige durch solchen Unglauben. Mach' mich
stille und stark zum Warten. Amen.