Ps 55,6
D.Rappard
Ich sprach: O daß ich Flügel hätte wie die Taube,
ich wollte hinfliegen und ruhen.
Ps. 55,6.
Aber du hast sie ja, diese Flügel, liebes Kind Gottes! Brauche
sie nur und fliehe hin an den einzigen Ruheort. Deine
beiden Flügel sind Glaube und Gebet. Mit diesen schwing dich
empor über Berge der Schwierigkeiten und Täler der Verzagtheit,
durch Wolken der Angst und Nebel des Zweifels. Fliehe hin
zum Gnadenthron, zu deinem gekreuzigten und auferstandenen
Heiland. Du hast nicht weit zu fliehen. Deine ermatteten Flügel
können die Stätte wohl erreichen.
Dein Gott ist dir nicht fern.
Wo ein zerschlag'nes Herz nach ihm sich sehnet,
Wo immer auch ein Auge nach ihm tränet,
Da ist der Gnadenthron des Herrn.
Ich kannte einen Familienkreis, wo mancherlei Trübsal einkehrte
und der müden Mutter manchmal ähnliche Worte auspreßte, wie
unserem Psalmsänger. Da lernte sie den G e b r a u c h d e r
F l ü g e l kennen, und wenn ihr das Herz gar schwer war, floh
sie in ein stilles Stübchen, wo sie gewohnt war, ihr Herz
auszuschütten vor dem Herrn Zebaoth. Erquickt und gestärkt
kehrte sie allemal zurück, so daß eins der Kleinen einmal sagte:
,,Ich glaube, in Mutters Zimmer kann man den Heiland sehen."
Ja, müdes Täublein, bei Jesu ist Ruhe. Brauche deine Flügel!
Flieh' zu Jesu früh und spät:
Mach aus allem ein Gebet!