Ps 36,9
C.H.Spurgeon
,,Bei Dir ist die lebendige Quelle."
Ps. 36, 9.
Es gibt in unsrer inneren Erfahrung Zeiten, wo menschlicher Rat
und menschliche Teilnahme, ja, selbst die Tröstungen der
Religion uns nicht zu trösten noch zu helfen vermögen. Warum
läßt der Gott der Gnade solches zu? Vielleicht darum, daß wir
uns zu sehr von Ihm abgewendet hatten, so daß Er sich veranlaßt
sieht, uns alles wegzunehmen, worauf wir uns zu verlassen
pflegten, auf daß wir möchten zu Ihm getrieben werden. Es ist
etwas Seliges, wenn wir am Born der Quelle leben dürfen. So
lange unsre Gefäße mit Wasser gefüllt sind, geben wir uns
zufrieden wie Hagar und Ismael, ob wir gleich in die Wüste
ziehen müssen; wenn sie aber leer sind, so hilft uns nichts
andres mehr, als: ,,Du, Gott, siehest mich." Es geht uns wie dem
verlornen Sohn, wir lieben die Treber, die die Schweine essen
und vergessen unsers Vaters Haus. Bedenket es, daß wir auch aus
den äußern Formen unsers Gottesdienstes Treber machen können;
sie sind etwas Köstliches; wenn wir sie aber an Gottes Stelle
setzen und Gott selber darüber vergessen, so sind sie ohne allen
Wert. Alles kann zum Götzen werden, wenn es uns von Gott fern
hält; selbst die eherne Schlange ist ein ,,Nehusthan" (2 Kön.
18, 4), wenn wir ihr räuchern und sie statt Gott anbeten. Der
verlorne Sohn war nie besser daran, als da er sich nach seines
Vaters Kuß sehnte, denn damals fand er den rechten Halt wieder.
Unser Herr sucht uns in unserm Lande mit Teurung heim, damit wir
uns umso mehr nach dem Himmel sehnen. Die beste Lage, in der
sich ein Christ befinden kann, ist, wenn er ganz und unmittelbar
von der Gnade Gottes lebt, wenn er da steht, wo er am Anfang
seines geistlichen Lebens stand, ,,als die nichts inne haben und
doch alles haben." Wir wollen auch keinen Augenblick dem
Gedanken Raum geben, daß unsre Seligkeit in unsrer Heiligung
stehe, oder in unsrer Selbstverleugnung, in unsern
Gnadenerfahrungen oder Gefühlen, sondern wir wollen erkennen,
daß wir selig sind, weil Christus ein vollgültiges
Versöhnungsopfer, für uns dargebracht hat; denn wir sind
vollkommen in Ihm. Wir besitzen nichts, worauf wir uns verlassen
können; sondern trauen allein auf das Verdienst Jesu. Sein
Leiden und heiliges Leben gibt uns allein einen sichern Grund
völliger Zuversicht.
C.H.Spurgeon
,,In Deinem Licht sehen wir das Licht."
Ps. 36, 9.
Kein Mund vermag dem Herzen die Liebe Christi zu schildern, bis
der Herr Jesus selber sie in demselben kund tut. Alle
Beschreibungen bleiben matt und unzureichend, wenn sie der
Heilige Geist nicht mit Leben und Kraft erfüllt; bis daß unser
Immanuel sich uns innerlich offenbart, sieht Ihn die Seele
nicht. Wenn du die Sonne betrachten möchtest, so würdest du wohl
schwerlich alle gewöhnlichen Beleuchtungsmittel zusammennehmen
und auf solche Weise das herrliche Licht, das den Tag regiert,
zu beleuchten suchen. Nein, wer weise ist, weiß wohl, daß die
Sonne sich selber offenbaren muß, und dieses gewaltige Licht
kann nur durch seinen eignen Glanz erkannt werden. Und so
verhält es sich mit Christo. ,,Selig bist du, Simon, Jona Sohn,"
sprach Er zu Petro, ,,denn Fleisch und Blut hat dir das nicht
geoffenbaret." Reiniget und veredelt Fleisch und Blut durch die
sorgfältigste Erziehung, erhebt die Kräfte des Gemüts zur
höchsten Stufe geistiger Vollendung; das alles kann euch
Christum nicht offenbaren. Der Geist Gottes muß mit Macht kommen
und den Menschen mit seinen Flügeln überschatten, und dann muß
in diesem geheimnisvollen Dunkel des Allerheiligsten der Herr
Jesus sich dem geheiligten Blick offenbaren, wie Er sich den
verblendeten Menschenkindern nicht offenbart. Christus muß sein
eigner Brennspiegel sein. Der große Haufen dieser blödsichtigen
Welt nimmt nichts wahr von den unaussprechlichen Herrlichkeiten
Immanuels. Er kommt ihnen ungestalt und lästig vor, wie eine
Wurzel aus dürrem Erdreich, die von den Toren verschmäht, von
den Stolzen verachtet wird. Nur wo der Geist das Auge mit
Augensalbe gesalbt, das Herz mit göttlichem Leben erfüllt und
die Seele zu einem himmlischen Sinne erzogen hat, nur da wird Er
verstanden. ,,Euch nun, die ihr glaubet, ist Er köstlich;" euch
ist Er der Grund- und Eckstein, der Fels eures Heils, euer eins
und alles; andern aber ist Er ,,ein Stein des Anstoßens und ein
Fels der Ärgernis." Selig ist, wer die Offenbarung unsres
Heilandes empfängt, denn ihm ist die Verheißung gegeben, daß Er
Wohnung bei ihm machen will. O Jesu, unser Herr, unser Herz
steht Dir offen, komm herein, und ziehe ewiglich nicht wieder
fort. Zeige Dich uns! Beglücke uns mit einem Strahl Deiner
Liebe!
W.Nee
In deinem Lichte werden wir das Licht sehen. Psalm 36,9
Daß sein Licht zu uns kommt, kann auf viele Arten geschehen.
Manche von uns sind Heiligen begegnet, die Christus wahrhaft
erkannt hatten, und beim gemeinsamen Beten oder beim Sprechen
mit ihnen haben wir in dem von ihnen ausstrahlenden Licht
Gottes gesehen, was wir bis dahin noch nie gesehen hatten.
Ich kannte z. B. eine solche Christin, sie ist jetzt beim
Herrn, und wenn ich an sie zurückdenke, habe ich immer die
Erinnerung von etwas »Leuchtendem«. Ich brauchte nur in ihr
Zimmer zu treten, und sofort spürte ich etwas von Gott. Ich
war noch sehr jung damals und hatte eine Menge Pläne und
Projekte, die Gott mir bestätigen sollte. Mit all dem ging
ich dann oft zu ihr und wollte sie überzeugen; ihr sagen,
dies oder das müsse man unbedingt tun. Aber bevor ich den
Mund aufmachen konnte, sagte sie irgend etwas, vielleicht ein
paar ganz belanglose Worte und in ganz natürlichem Ton. Und
das Licht ging in mir auf! Es machte mich wahrhaft beschämt
- ich erkannte, wie sehr mein Tun und Planen am Menschlichen,
Irdischen haftete. Denn sie lebte nur Gott, und ein solcher
Mensch ist in ein Licht getaucht, das auch andere erleuchtet.
S.Keller
Psalm 36, 9: «Denn bei dir ist die Quelle des Lebens.»
Verirrt und verschmachtet bin ich einst in großer Not Leibes
und der Seele zu dir gekommen, Herr Jesus, und du hast mich
zu dir hereingelassen, daß ich an der Quelle des Lebens
rasten und trinken konnte. Dein Wesen, deine Liebe, deine
unbegreifliche Barmherzigkeit, deine Reinheit, deine
Schönheit, deine Geduld, deine Kraft - das war der
Regenbogen, der über den talwärts stürzenden Wassern dieser
Quelle im Lichte stand. Ein Anblick, den ich nicht vergessen
kann, weil ich von dem Lebenswasser getrunken habe und auf
diese Weise etwas von dir in mir ist. Seither bin ich oft
wieder aus der Unrast des Alltags und der Spannung der Sorge
und dem Schmerz der Sünde (eigener und fremder) zu dir
zurückgekehrt und fand Kraft und Stille und Segen. Das
Schönste auf meiner Lebenswanderung ward das Geheimnis, daß
der Fels, welcher überall nachfolgte, war Christus. Im
Hotelzimmer wie in großen Versammlungen, im Sturm des Meeres
und in schlaflosen Stunden der Nacht, im Glück und im Druck,
überall bist du mir nachgefolgt und warst im Nu gegenwärtig,
wenn ich schrie nach dir! Dein Leben quillt hinter meinem
Leben. Du bist mein Geheimnis und meine Erklärung, mein
Vorzug und meine Schranke, meine Zuflucht und meine Aufgabe,
mein neues Wesen, das vor mir steht und das in mir wird.
Herr Jesus, wie liebe ich dich und wie lobe ich dich recht!
Gib mir die Ewigkeit, damit meine Liebe Raum habe für dich
und zu deinem Lobe wachse. Amen.
S.Keller
Psalm 36, 9: «... in deinem Licht sehen wir das Licht.»
Für unser irdisches Sehvermögen gibt's verschiedene Lichter.
Für unser seelisches Leben auch. Für unsern zu Gott
hingeschaffenen Geist gibt's nur ein Licht. Das Licht
schlechthin heißt hier Jesus. Wem die Augen dafür geöffnet
sind, der unterscheidet erst, wenn dieses Licht scheint, alle
Verhältnisse in göttlicher Beleuchtung. Dieses Licht brennt
denn auch in uns, daß wir uns selbst richtig erkennen; das
ist sogar der oft schmerzhafte Anfang dieses neuen Lebens
im Licht. Dann macht dieses Licht unsere durch die Sünde
verdunkelten Augen hell und sonnenhaft, daß sie ,,taugen,
in sein Licht zu sehen". Das kommt nicht zauberhaft in
einem Nu: bei Saulus fing's mit dreitägiger Erblindung an;
bei manchem geht's jahrelang, bis sich seine Augen daran
gewöhnen, immer mehr belichtete Felder und Flächen zu sehen.
Es ist auf Erden nicht alles Seligkeit, was wir bei solcher
Beleuchtung erkennen, sondern oft schmerzt uns noch ein
helleres Glänzen bei einer neuen Beleuchtung. Aber seine
Absicht ist, uns weiter zu führen zu immer deutlicherem
Wandel im Licht, daß die Dämmerstunden dazwischen immer
kürzer werden. Aber alles Licht ist Gnade und weckt Liebe
und Lob!
Darum preisen wir dich, Herr Jesu, daß du uns, die wir in
Finsternis saßen, dein Licht hast aufgehen lassen. Erziehe
uns ferner durch Licht fürs Licht. Herr, reinige uns, daß
wir heller brennen. Amen.