Ps 22,14
C.H.Spurgeon
,,Mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs."
Ps. 22, 14.
Unser hochgelobter Herr litt unter einer furchtbaren
Zerknirschung und Zerschmelzung seiner Seele. ,,Wer ein
fröhliches Herz hat, der weiß sich in seinem Leiden zu halten;
wenn aber der Mut liegt, wer kann es ertragen?" Eine tiefe
Niedergeschlagenheit des Geistes ist das schwerste aller Leiden;
alles andre ist nichts dagegen. Wohl mochte der leidende Heiland
zu seinem Gott schreien: ,,Sei nicht ferne von mir; denn Angst
ist nahe; denn es ist hier kein Helfer." Mehr als zu jeder
andern Zeit hat ja ein Mensch seinen Gott nötig, wenn ihm das
Herz im Leibe zerschmilzt vor Schwermut. Lieber Bruder, komm
jetzt mit mir zum Kreuz, und bete demütig den König der
Herrlichkeit an, der einmal viel tiefer eingetaucht war in
geistige Nöten und innerliche Ängsten, als irgend einer unter
uns; und achte, wie Er so ganz dazu angetan ist, ein treuer
Hoherpriester zu werden, der da Mitleiden haben könnte mit
unsrer Schwachheit. Möchten doch vor allem jene unter uns, deren
Traurigkeit in der Entziehung des Gefühls von der Liebe des
Vaters ihren Grund hat, in einen vertraulichen und innigen
Umgang mit dem Herrn Jesu treten. Gebet nicht Raum der
Verzweiflung, denn unser Meister ist uns durch alle Dunkelheiten
hindurch vorausgegangen. Unsre Seelen mögen wohl manchmal von
Ungeduld und Furcht gequält werden und fast verschmachten vor
Sehnsucht, ob sie das Licht vom Angesicht des Herrn erblicken
möchten; aber dann wollen wir uns aufrichten an der lieblichen
Gewißheit, daß unser großer Hohepriester Mitleid mit uns hat.
Unsre Angsttröpflein müssen verschwinden vor dem Meere seiner
Leiden; aber wieviel höher sollte eben darum unsre Liebe
steigen! Brich herein, du starke und tiefe Jesusliebe, wie das
Meer heraufwallet zur Flutzeit, überströme alle meine Kräfte,
ersäufe alle meine Sünden, schwemme hinweg alle meine Sorgen,
hebe empor meine erdengefesselte Seele, und trage sie hinauf zu
meines Herrn Füßen, und laß mich dort zurück als eine arme
zerbrochene Schnecke, die seine Liebe aus dem Meeresgrund
herausgespült hat, - die unwert und unwürdig, Ihm nur zuflüstern
möchte, daß sein lauschendes Ohr in ihr den schwachen Widerhall
vernehmen könne von den mächtigen Wogen seiner Liebe, die mich
zu seinen Füßen hingelegt hat, mir zur ewigen Wonne und
Seligkeit.