Ps 18,35
C.H.Spurgeon
,,Wenn Du mich demütigest, machst Du mich groß."
Ps. 18, 35.
Eigentlich heißt die Stelle: ,,Deine Demut macht mich groß,"
,,Deine Herablassung zu mir," ,,Deine Selbsterniedrigung." Was
uns groß macht, ist die Leutseligkeit Gottes, die sich uns
zuliebe klein macht. Wir sind so klein, daß, wenn Gott seine
Größe ohne Herablassung offenbaren würde, wir unter seinen
Tritten zermalmt würden; aber Gott, der sich erniedrigen muß, um
aus seinem unnahbaren Heiligtum die Himmelsräume zu betrachten,
der sich beugen muß, um seiner Engel Walten zu schauen, senkt
seine Blicke noch tiefer herab, und siehet auf die Niedrigen und
Elenden und macht sie groß. Die Worte können auch übersetzt
werden: ,,Deine Güte macht mich groß." David schreibt dankbar
alle seine Größe nicht seiner eignen Güte, sondern der Güte
Gottes zu. ,,Deine Vorsehung" lautet eine andre Lesart, und
Vorsehung ist ja nichts andres, als die sich betätigende Güte.
Güte ist die Knospe, aus welcher die Vorsehung erblüht, oder
Güte ist die Saat, aus welcher die Vorsehung als Ernte
hervorgeht. Manche lesen auch: ,,Deine Hilfe," was eigentlich
nur ein andrer Ausdruck für Vorsehung ist; denn die Vorsehung
ist der starke Verbündete der Heiligen, der ihnen im Dienst des
Herrn zu Hilfe kommt. Es gibt noch andre Ausdrücke, so heißt es
zum Beispiel in der griechischen Übersetzung: ,,Deine Zucht,"
deine väterliche Strafe, ,,macht mich groß;" während die
chaldäische Umschreibung lautet: ,,Dein Wort stärkt mich." Doch
ist der Gedanke immer derselbe. David weist hier auf die
herablassende Güte seines himmlischen Vaters hin, wenn er an
seine erlangte Größe denkt. Möchte doch dies Gefühl heute abend
in unsern Herzen einen dankbaren Widerhall finden, während wir
unsre Kronen zu den Füßen Jesu niederlegen und ausrufen: ,,Deine
Güte macht mich groß." Wie wunderbar haben wir doch Gottes Güte
und Freundlichkeit erfahren dürfen! Wie väterlich milde sind
seine Züchtigungen gewesen! Wie zart sein Verschonen! Wie
lieblich seine Lehren! Wie sanft seine Heimsuchungen! Liebe
gläubige Seele, denke hierüber nach. Laß deine Dankbarkeit
aufwachen; laß deine Demut sich vertiefen, laß deine Liebe sich
beleben, ehe du dich heute abend zur Ruhe legst.