Ps 16,2
C.Eichhorn
In Gotteskindern soll Liebe zu Gott und Christo sein
Ich weiß von keinem Gut außer dir. Ps. 16, 2
"Du sollst keine anderen Götter neben mir haben"; darauf
antwortet die gläubige Seele: Du bist mein allerhöchstes Gut.
Ist das nicht vielleicht zu viel gesagt? Gewiß, überall da,
wo statt gründlicher Bekehrung nur ein schwärmerisches Gefühl
sein Spiel treibt. Wenn aber ein Herz sich dem Herrn
rückhaltlos aufschließt, da teilt er sich mit, und es darf
sprechen: Ich weiß von keinem Gut neben dir. Für mich gibt's
nichts Höheres. In der Tat, es schwindet alles, wenn er sich
der nach ihm dürstenden Seele schenkt, weil ihr sonst niemand
und nichts helfen und genügen kann. - Man muß es erfahren
haben, wie das Herz überwältigt wird, wenn es die Liebe
Gottes in ihrer Fülle schmecken darf. Vor dieser Sonne
erbleichen alle Lichter. Es war aufrichtig, als Petrus
ausrief: "Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des
ewigen Lebens." Es war nicht minder ehrlich, als er
versicherte: "Ich will mit dir ins Gefängnis und in den Tod
gehen." Und dann überwog doch die Liebe zum Leben. Aus
Furcht verleugnete er. Im tiefsten Grund war ihm Jesus
gleichwohl das Liebste. Darum war er nachher so untröstlich
und weinte zum Herzzerbrechen. - Wir müssen unterscheiden
zwischen dem, was im innersten Grund lagert, und was im
einzelnen Fall zum Vorschein kommt. Die Grundstellung des
Herzens entscheidet. Aber ohne Zweifel muß immer mehr zur
Tatsache und Lebenswirklichkeit werden, was meine innerste
Gesinnung ist; nämlich daß er wirklich mein ein und alles
ist. - Dazu dienen die mancherlei Proben. Es kommen
Verluste und Enttäuschungen, Schläge und tödliche
Verwundungen. Wer kein ganzes Verhältnis zum Herrn hat,
fällt ab. Wo sich ein solches findet, bleiben Schwankungen
nicht aus. Hiob ließ seinen Gott nie ganz los. Er konnte
nicht ohne ihn sein. Aber bittere Empfindungen stiegen auf,
und unmutige Worte fielen, über die er nachher in Staub und
Asche Buße tat. - So ist das Menschenherz. Man ist in
Gnadenstunden ganz davon erfüllt: Der am Kreuz ist meine
Liebe. Und dann ist man wieder so untröstlich und so
niedergedrückt von Sorge, als sei alles verloren. - Wie?
Ist er nicht das höchste Gut, im Vergleich zu dem alles
wertlos ist, wie Kot? Wie stimmt das? Ach, du hingest an
den vergänglichen Dingen eben doch noch mehr, als du
dachtest. Dein Leben war dir kostbarer, als du meintest. Du
warst in den Gnadenstunden über alles hinausgehoben. Auf
solchen Höhepunkten überschätzt man sich. Nun kommen dunkle
Stunden. In solchen Proben zeigt sich, was man wirklich ist.
Nun muß es durch neue Buße gehen. Das ausschließliche
Verhältnis zum Herrn setzt sich bei den Aufrichtigen immer
wieder und immer mehr durch. Aber es geht durch Trübungen
und Beugungen, bis im ganzen Umfang des Lebens, in Freud und
Leid, im Beruf und im Verkehr mit Menschem, er, der alles
Überragende, die unerschöpfliche Freudenquelle ist, in
der die Seele allezeit volles Genüge findet, so daß sie
ihn in der Freude nicht vergessen und ihm im Leid nicht den
Abschied geben kann, und daß durch nichts die Seligkeit in
ihm gestört werden darf.
C.Eichhorn
Du bist's, dich muß ich haben!
Ich habe gesagt zu dem Herrn: Du bist ja der Herr.
Ps. 16, 2
Dieses Wort bildet einen wundervollen Widerhall auf das erste
Gebot: Ich bin der Herr, dein Gott. Das Wort seines Gottes
ist in die Seele Davids tief eingedrungen, und nun gibt
er's dem Herrn wieder zurück in Gestalt dieses herrlichen
Bekenntnisses. In vielen Seelen bleiben die Gottesworte
einfach liegen. Sie sind darin abgelagert wie totes
Material. Wenn es richtig steht, kommt das Wort, das wir
vernommen haben, wieder zum Vorschein als Bekenntnis und
Zeugnis unseres Mundes. Das ist der Unterschied zwischen
toten Gewohnheitshörern und lebendigen Seelen. Die einen
hören nur immer, aber man hört von ihnen nichts, sie sind
stumm wie die Toten. - Der Psalmist konnte nicht schweigen;
denn Gott war ihm überaus groß, ja sein alles geworden.
Die Jehova-Offenbarung in ihrem Reichtum an Gnade und
Barmherzigkeit hat ihm das Herz abgewonnen. Es liegt eine
besondere Gnadenerfahrung hinter ihm. "Du bist Jehova", ruft
er im Überschwang dankbarer Freude aus. "Du bist's, außer
dir ist kein Helfer und Retter, du bist mein alles." - Dies
sprach er zu seinem Gott. Damit hat er den Bund mit ihm
festgemacht, den Bund, "der ewig nicht gebrochen werden
soll". Er hat durch diese Erklärung Jehova eingesetzt zu
seinem alleinigen und unbedingten Herrn. Er hat sich dadurch
zu seinem völligen Eigentum übergeben und verschrieben. -
"Ich habe gesagt", nicht: "Ich sagte". Diese Zeitform drückt
die vollendete Tatsache aus. Ich habe es gesagt, und dabei
soll es bleiben. Es soll nicht mehr umgestoßen werden.
Als Paulus dreimal den Herrn um Befreiung von seinem
schmerzhaften Leiden bat, erhielt er eine Antwort von oben,
die nicht seinem Gebetswunsch entsprach, von der er aber
wußte, daß es bei ihr für immer sein Bewenden hatte. "Der
Herr hat zu mir gesagt": daran war nicht zu rütteln (2. Kor.
12, 9). - Weißt du wohl auch von einer solch völligen
Übergabe an ihn? Hast du ihm auch schon das ausschließliche
Recht über dich und dein Leben eingeräumt? Tersteegen
hat sich in einer Weihestunde seines Lebens mit der
Messerspitze in den Arm geritzt und mit seinem eigenen
Blut dem Herrn zum ewigen Eigentum verschrieben. Auf die
äußere Form kommt's nicht an. Aber zu einem ganzen und
ausschließlichen Verhältnis zum Herrn muß es einmal kommen.
Die Eiskruste um unser Herz muß endlich völlig schmelzen, der
letzte Widerstand weichen.
"Endlich mußt' mein Herze brechen und allein,
ohne Schein, dir das Jawort sprechen.
O der sel'gen Gnadenstunde, da ich mich ewiglich
meinem Gott verbunden, da ich allem Sündenleben,
aller Freud' dieser Zeit Abschied hab' gegeben,
da mein Geist zu Gottes Füßen sank dahin
und mein Sinn wollt' in Reu zerfließen!"
Wohl werden wir mit Tersteegen fortfahren müssen: "Zwar ich
bin nicht treu geblieben, wie ich sollt', wie ich wollt',
dich allein zu lieben." Aber wenn einmal der Bund mit dem
Herrn festgemacht ist, dann hält er uns beim Wort und läßt
uns nicht mehr los.