Psalmen

Ps 14,3 C.O.Rosenius Sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. Ps. 14, 3.

Hier haben wir eine überaus wichtige Lehre von der Sünde. Der Herr gibt uns zu verstehen, daß wir alle gleich verdammte Sünder sind. Solches tief zu bedenken, ist für uns alle sehr notwendig. Denn während wir die ganze Welt in Sünden versenkt sehen, wollen wir uns gar zu gern für besser halten. So sind wir alle von Natur gesinnt. Als Kinder dieser Welt wollen wir einfach nicht glauben, vor Gott ebenso große Sünder wie die Diebe, Mörder, Zöllner und Huren zu sein. Auf diesen Wahn gründen sich dann die Sicherheit und Vermessenheit, in denen man dem Ratschluß Gottes zur Buße und zur Bekehrung widersteht.

Aber auch die Erweckten und die Gläubigen haben ihren Teil an derselben Einbildung. Wenn wir mit Schrecken unserer Sündennot gewahr wurden und Errettung in Christus suchten und fanden, dann vergessen wir doch oft, daß wir noch dieselbe alte und verderbte Natur wie Adam tragen. Wir meinen, einem besseren Geschlecht als dem der Zöllner und Sünder anzugehören. Das merkt man an der Verwunderung, die entsteht, wenn wir schwerere Sünden bei uns empfinden. Wenn die finsteren Tiefen des Herzensverderbens sich öffnen und recht erschreckliche Dinge ans Tageslicht kommen, z. B. solche, von denen Christus sagt: ,,Von innen, aus dem Herzen der Menschen, gehen heraus böse Gedanken, Ehebruch, Hurerei, Mord, Dieberei, Geiz, Schalkheit, List, Unzucht, Schalksauge, Gotteslästerung, Hoffart, Unvernunft." Wenn wir etwas so Gräßliches bei uns fühlen, dann verwundern wir uns und erschrecken und sind zu verzweifeln bereit. Bedenke, wenn wir sogar Gotteslästerung, vielleicht selbst beim Gebet, fühlen - wie es einige Christen in schweren Anfechtungen erfahren müssen. Oder wenn wir eine gräßliche Kälte gegen Gott und daneben allzu starke Liebe zu sichtbaren Gegenständen, ja, mächtige Sündenlüste usw. fühlen. Und über alles das sind wir nicht recht zerknirscht, sondern noch hart und leichtsinnig. Während wir unseren Nächsten wie uns selbst lieben sollten, fühlen wir sogar Neid oder wegen einer billigen Zurechtweisung Zorn und Haß sich in uns regen, ganz zu schweigen von der allerschrecklichsten Sünde, daß wir Christi Leiden nicht recht schätzen. Wir können hören, wie Er zu unserer Errettung und Seligkeit gegeißelt und dornengekrönt wurde und mit Nägeln angeschlagen am Kreuz hing, und wir lieben Ihn doch so wenig, daß kleine, unnütze Dinge uns lieber sind. Ach, wenn wir solches fühlen, dann erschrecken wir und verwundern uns.

Und woher kommt nun solche Verwunderung? Nur daher, weil wir nicht geglaubt haben, daß wir so grundverdorben waren. Wir haben andere Adamskinder in alle Laster versenkt und sich dennoch stolz verteidigen, Gottes Wort abweisen, Christus verschmähen und verfolgen gesehen; darüber haben wir uns nicht sehr gewundert. Uns selbst aber haben wir dafür angesehen, einem anderen Geschlecht anzugehören. Zwar ist es wahr, daß wir, wenn wir aus Gott geboren sind, einen neuen heiligen Geist erhalten haben. Der Teil unseres Wesens aber, der vom Fleisch geboren ist, ist doch noch immer gleich vergiftet und arg.

Darum lehrt der Herr hier, wie übrigens auch die ganze Schrift, daß die Sünde unser aller Natur, unser aller gemeinsames Erbe von Adam her ist, ob wir es wissen wollen oder nicht. ,,Es ist hier kein Unterschied; sie sind allzumal Sünder." ,,Der Herr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder, daß Er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. Aber sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer." Ebenso klagte Gott zeitig darüber, ,,daß der Menschen Bosheit groß sei auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse immerdar". So ist der Mensch von Natur, d.h. alles, was von Adam herstammt. Wenn wir das recht glaubten und bedächten, dann würden wir, wenn wir derartiges an uns selbst erfahren, nicht in so große Verwunderung, ja, in Verzweiflung fallen, sondern die Barmherzigkeit Gottes preisen, der uns gerade wegen dieses verlorenen Zustandes Seinen Sohn zu einem Heiland und Erlöser gab.

Für unser Verbleiben in der Zuversicht des Glaubens ist es sehr wichtig, unseren Herzen tief einzuprägen und es eine längst entschiedene Sache sein zu lassen, daß wir durch Adam so verdorbene und verlorene Wesen sind, daß in unserer Natur nichts anderes als Sünde, Bosheit und Ohnmacht sind, und daß Gott der Herr nie etwas anderes von uns gedacht hat. Dann würden wir auch in den uns demütigendsten Sündenerfahrungen zum Gnadenthron eilen und sprechen: ,,Es ist doch alles verloren in mir; Gott, sieh nicht auf mich, den Sohn sieh an!" Wir würden dann aber auch erfahren, daß Gott Sein ganzes Wohlgefallen nur an Seinem Sohn hat, ja, daß unsere Gerechtigkeit einzig und allein in Ihm ist, und daß deshalb Gottes Freundschaft nicht durch das uns innewohnende Verderben erschüttert wird, solange wir in Seinem geliebten Sohn bleiben, weil wir in Ihm sogar eine viel größere Gerechtigkeit und ein viel größeres Wohlgefallen vor Gott haben, als Adam sie im Garten Eden vor dem Sündenfall hatte.

Wer sich nicht tot und gottlos achtet, Wer nicht nach bloßer Gnade trachtet, Dem bleibt der Herr ein fremder Mann. Warum? Er nimmt nur Sünder an.