Ps 2,11
C.Eichhorn
Gefühlschristen
Freuet euch mit Zittern! Ps. 2, 11
Die Freude, mit der viele das Evangelium aufnehmen, ist
verfrüht. Weil sie nicht durch Sündennot gegangen sind, ist
ihre Freude ein Rausch, der vorübergeht. Sie hält nicht
stand in den Anfechtungen, weil sie mehr in seelischen
Gefühlen besteht. Man bekehrt sich nur bis zu einem gewissen
Punkt. Man will noch geehrt und geliebt sein und schreckt
zurück vor Verzicht und vor dem Gehorsams- und Sterbensweg.
Man liefert sich dem Herrn nicht ganz aus. Man ist nur ein
Jünger des Herrn in guten Tagen. Kommt Spott und Verfolgung
über einen, versagt man und fällt ab. Es ist Gefühlsfreude
gewesen; aber unsere natürlichen Gefühle sind wechselnd. Da
geht es auf und nieder: himmelhochjauchzend - zu Tode
betrübt. "Eine kleine Zeit" ist man fröhlich bei dem Licht,
das in unser Erdendunkel hereindringt; dann verliert es seine
Anziehungskraft, die Stimmung senkt sich wieder. Seelische
Gefühle sind täuschend und gaukeln uns etwas vor. Man meint,
ein durchgedrungener Christ zu sein, weil man sich so
glücklich fühlt. Aber was man in der Stimmung oder im Gefühl
besitzt, hat man noch lange nicht in Wirklichkeit. Man kann
aus den Himmeln der Freude plötzlich herunterstürzen und mit
Beschämung innewerden, daß man sich weit überschätzt hat.
Ein Petrus fühlte eine Liebe zu seinem Meister, die so stark
war, daß er sich bereit fand, mit ihm ins Gefängnis und in
den Tod zu gehen. Aber das Gefühl täuscht; einige Stunden
darauf verleugnete er ihn. - Maria X. wurde in einer
Evangelisation tief ergriffen. Es ging durch göttliche
Traurigkeit zu überströmender Freude. Eltern und Nachbarn
bewunderten die Veränderung und den Zeugenmut. Wochen
sonniger Freude folgten. Dann kam die Werbung eines
Ungläubigen. Die Freude am Herrn verblaßte, und aus innerem
Ungehorsam gegen des Herrn Wort kam das "Ja" für den
Bewerber. Die natürlich-seelischen und fleischlichen Gefühle
hatten die Macht. Jahre innerer Erkaltung und Gottferne
folgten. Leid auf Leid brach herein, aber Maria verstand
ihren Herrn nicht. Ihre erste feurige Hingabe war nur
Gefühlssache. - Traue dem Gefühl nicht! Es darf nicht das
Fundament deines Christenstandes bilden, auch nicht der
Maßstab sein, nach dem du deinen Christenstand beurteilen
darfst. Es sind nicht die gefördertsten Christen, die immer
von Freude überquellen. Es sind nicht die schlechtesten
Christen, die oft noch innerlich durch viel Gericht und
Traurigkeit hindurchmüssen und zuweilen noch recht unter dem
Druck stehen. Freue dich mit Zittern, und wenn du zitterst
und zagst, dann verzage nicht, sondern freue dich, daß du
dennoch trotz Sünden und Mängeln des Herrn Jesu Eigentum
bist!