2Kö 19,14
A.Christlieb
Und da Hiskia den Brief empfangen und gelesen hatte, breitete
er ihn aus vor dem Herrn und betete: ,,Herr, Gott, höre die
Worte Sanheribs, der hergesandt hat Hohn zu sprechen dem
lebendigen Gott! Hilf uns aus seiner Hand. 2. Könige 19,
14 ff.
Das Auge des Hiskia blickt zunächst auf die Allmacht Gottes.
Alle Königreiche der Erde hat er in seiner gewaltigen Hand.
Was ist ein Heer von Menschen gegen Gott? Hätte Hiskia
einzig auf die Heeresmassen Sanheribs und auf die winzige
Zahl der eigenen Streiter geschaut, er hätte verzagen müssen.
Aber nun richtet er das Glaubensauge auf den lebendigen
Gott. - Das haben die Glaubensmänner aller Zeiten getan. So
schaute David auf den Herrn Zebaoth, als der Riese Goliath
ihm den Kopf abreißen wollte. So blickten die ersten
Christen nach oben, als die Behörde Israels sich drohend
gegen die Gemeinde Jesus wandte. So soll in Angst und Not
auch unser Blick stets emporgehoben sein zu dem allmächtigen
Gott und Vater. - Hiskia blickt weiter auf die schwere Sünde
seines Feindes: ,,Höre die Worte Sanheribs, der Hohn spricht
dem lebendigen Gott!" - Diese Sünde läßt Gott nicht
ungestraft hingehen. Das hat der Goliath erleben müssen, das
hat Sanherib erfahren, das hat die Geschichte der Völker
immer neu bewiesen: ,,Gott schaltet und waltet ein rechtes
Gericht." Im vorigen Jahrhundert mußte Napoleon es auskosten,
was es heißt, Gott den Herrn zu lästern. Bis heute lebt
das Wort: ,,Mit Roß und Mann und Wagen hat sie der Herr
geschlagen." Ausschlaggebend ist der Umstand, daß Hiskia
nicht die Erhaltung der eigenen Heereskraft im Auge hat,
sondern beten kann: ,,Gott, hilf, daß man auf Erden erkenne
deine Macht und Herrlichkeit." - Was gab den Psalmensängern
aller Zeiten Mut und Freudigkeit zu ihrem Flehen? Was gab
dem Elias Vollmacht, Feuer vom Himmel herabzuholen? ,,Daß
man auf Erden erkenne d e i n e Herrlichkeit, daß du allein
Gott bist!"
A.Christlieb
Die Last abwälzen
»Und da Hiskia den Brief von den Boten empfangen und gelesen
hatte, ging er hinauf zum Haus des Herrn und breitete ihn aus
vor dem Herrn« (2. Kön. 19, 14).
Der König Hiskia hatte einen sehr unangenehmen Brief
empfangen. Der König von Assyrien belagerte Jerusalem. Er
setzte in dem Brief an Hiskia die Nutzlosigkeit weiteren
Widerstandes auseinander und drängte auf Übergabe der Stadt.
Wie eine schwere Last legte es sich auf Hiskias Herz und
Gemüt.
Aber er erlag nicht unter der Last. Hiskia zeigt uns, wie
man sich verhalten muß, wenn ähnliche Bergeslasten sich auf
uns legen.
Man beachte zuerst, was Hiskia nicht tat. Er lief nicht zu
Menschen. Er rief nicht, wie einmal ein Kapitän, dessen
Schiff ein Leck erhielt: »Jetzt ist alles verloren!« Hiskia
ließ die Gesandten ruhig eine Weile warten. Er ging hinüber
in den Tempel und »breitete den Brief vor dem Herrn aus«.
Und siehe, Gott gab ihm die Antwort, er habe bereits alles
geordnet und werde Sanheribs Macht zerschmettern.
Die Gesandten mochten große Augen machen, als Hiskia mit
heiterer Stirn und strahlendem Auge wieder ins Zimmer trat.
Sie begriffen wohl kaum, woher er in solch verzweifelter Lage
Mut und Siegeszuversicht erhalten hatte. Und doch zeigte
schon die nächste Nacht, daß Hiskia recht behielt. Gott nahm
ihm alle Schwierigkeiten hinweg, indem er von Sanheribs Heer
185'000 Mann sterben ließ, so daß dieser fluchtartig abziehen
mußte.
Ach, daß wir die Kunst des Hiskia täglich besser lernten,
alle unsere Angelegenheiten vor Gott auszubreiten! Es
würde manche verwickelte Schwierigkeit nicht immer noch
verwickelter werden, wenn wir sie wie Hiskia behandelten und
vor dem Gnadenthron hinlegten. Es würden hundert Dinge ohne
unser Rennen und Laufen viel besser und gründlicher durch
Gottes Hand erledigt werden, wenn wir Hiskias Kunst mehr
betrieben. Hinweg mit aller Selbsthilfe! Hinein ins
Kämmerlein zu den Füßen des allmächtigen Helfers! Der
schlimmste Brief, den wir vor Gott ausbreiten dürfen, ist der
Schuldbrief unserer Sünden. Diesen Brief bringen die Boten
des Höllenfürsten zu uns und wollen uns verzagt machen. Aber
auch diesen Brief breiten wir aus vor Gott bei dem Kreuz
des Heilandes. Dort zeigt uns Gott, wie er den Brief für
uns erledigt. Er füllt unser Herz, wie dort bei Hiskia,
mit Freude und Jubel und nimmt alle Schrecken hinweg.
Lieber Leser, lerne davon! Vielleicht läufst du umher mit
einer Zentnerlast von Sündenschulden. Komm! Bring die ganze
Last dem Herrn! Du mußt nicht sorgen um deinen Schuldbrief.
Er ist zerrissen. Der Feind, der dir droht, hat keine Macht
mehr wider dich. Ja, Gott gebe dir, daß du mit deiner
Sündenschuld und mit jeder anderen Schwierigkeit den Weg des
Hiskia gehen lernst! Dann werden alle Lasten abgewälzt.