2Kö 5,25
A.Christlieb
Und Elisa sprach zu ihm: Woher, Gehasi? 2. Könige 5, 25
Eben hat er den versteckten Winkel verlassen und das Haus
wieder betreten, da steht der Prophet vor Gehasi. Mit
durchbohrendem Blick schaut er ihn an: ,,Woher, Gehasi?"
Elisa hat ihm Gelegenheit geben wollen, seine Schuld ehrlich
zu bekennen. Die Strafe wäre dann wohl milder ausgefallen.
Gehasi aber blickt ihn mit der unschuldigsten Miene an und
sagt kühn und frech: ,,Dein Knecht ist weder hierher noch
daher gegangen." Doch da trifft's den dreisten Lügner wie
Blitz und Donnerschlag. Die Knie schlottern ihm; die Wangen
verfärben sich. Alles hat des erleuchteten Propheten Auge
gesehen, sogar den Umstand, daß Naeman vom Wagen gestiegen
und dem Gehasi entgegengegangen ist. - ,,Mein Herz ist mit
dir gegangen, da der Mann umkehrte von seinem Wagen dir
entgegen. War das die Zeit, Silber und Kleider zu nehmen,
Ölgärten, Weinberge, Schafe, Rinder, Knechte und Mägde?"
Gehasis ganze Lügenhülle ist in Fetzen gerissen. Ach, hätte
Gehasi das geahnt, wie gern hätte er dann die Silberzentner
nach Syrien abrollen lassen. Und nun trifft ihn das
schreckliche Strafgericht: ,,Der Aussatz Naemans wird dir
anhangen und deinem Samen ewiglich!" Aus ist es mit dem
Traum, ein reicher Gutsbesitzer zu werden. Das elendeste
Los, das es gibt, hat er dagegen eingetauscht: Aussätzig!
Hinausgestoßen von seiner Familie und aus der menschlichen
Gemeinschaft, und das bis ans Lebensende. -
Gehasis Geschick ist ein Sinnbild all der schlauen Lügner
und Betrüger, die am Jüngsten Tage entlarvt das Urteil hören
müssen: ,,Geht hin, ihr Verfluchten in das ewige Feuer." Da
wird Heulen und Zähneklappen sein. Und schauriger als aus
Gehasis Mund wird es klingen: ,,Ach, hätte ich doch!" Wollen
wir nicht alle Unlauterkeit fliehen und verfluchen und die
Sonnenlauterkeit suchen, die vor Gottes Augen selber alles
Böse ans Licht bringt?
J.Kroeker
Vom Versagen unseres Glaubens.
"Er aber kam und trat vor seinen Herrn. Da sprach Elisa:
Woher Gehasi? Er sprach: Dein Knecht ist weder hierhin noch
dorthin gegangen! Er aber sprach zu ihm: Wandelte nicht mein
Geist mit dir, als der Mann umkehrte von seinem Wagen, dir
entgegen? War es auch an der Zeit, Silber zu nehmen und
Kleider, Ölbäume, Weinberge, Schafe, Rinder, Knechte und
Mägde?" 2.Kön. 5,25-26.
In engster Fühlung mit dem Propheten Elisa stand dessen
Diener Gehasi. Offenbar muss er manche Eigenschaften in
seinem Leben gehabt haben, die ihm sogar das Vertrauen eines
Propheten Gottes erwarben.
Und doch fehlten ihm im entscheidenden Augenblick so völlig
die Züge seines großen Meisters. Trotz des äußeren
Anschlusses an eine königliche und große Prophetenseele wurde
er doch kein Prophet. Anstatt die Welt von ihrem Aussatz zu
heilen, holte er sich deren Aussatz. Nicht Erbe des Geistes
eines Elisa wurde er, sondern Träger der Unreinigkeit und der
Krankheit der Welt.
So wertvoll der enge Anschluss und die Gemeinschaft mit
geweihten Knechten Gottes an sich auch ist, das Werk des
heiligen Geistes zu ersetzen und jenes Bild in uns
herzustellen, das die Züge des Meisters trägt, vermögen
selbst die engsten Beziehungen nicht. Obgleich ein Gehasi
täglich dem Propheten von Samaria hatte dienen dürfen und
immer wieder Zeuge von dessen Leben und Dienen gewesen war,
jenen wunderbaren Seelenadel und jene Seelenreinheit des
Propheten hatte er doch nicht gefunden. Denn Geistesgröße
und Seelencharakter sind unübertragbar. Sie können nur durch
einen persönlichen Umgang mit Gott gewonnen werden.
Gehasi war es unmöglich gewesen, sich im Glauben auf die
innere Höhe seines Meisters zu stellen. Er versagte als es
galt, eine so günstige Gelegenheit selbstlos vorübergehen zu
lassen, ohne etwas für sich gewonnen zu haben, wie es Elisa
getan hatte. Daher lief er dem Naemann nach und erbat sich
nachträglich noch ein Geschenk. So suchte er Segenszeiten,
die ein anderer durch den Dienst seines Herrn erlebt hatte,
zugleich auch zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen. Gehasi
machte seinen Segen abhängig von günstigen Gelegenheiten und
nicht von Gott.
So handelt menschliche Berechnung, nicht aber kindliches
Vertrauen. Wenn der Glaube auch weiß, dass Gott
Gelegenheiten benutzen kann, ihn zu segnen, so macht er
aber doch seine Erwartungen nicht abhängig von günstigen
Augenblicken. Auf diesem Wege segnet sich die Welt, die eine
höhere Quelle und eine höhere Abhängigkeit nicht kennt.