2Kö 4,16
J.Kroeker
Vom Dienst in Vollmacht.
"Und Elisa sprach: Um eben diese Zeit übers Jahr wirst du
einen Sohn herzen! Sie sprach: Ach nein, mein Herr, du Mann
Gottes, belüge deine Magd nicht!" 2.Kön. 4,16.
Wie kam die Frau zu dieser Äußerung? War sie irregeworden an
dem, dass Elisa wirklich ein heiliger Mann Gottes sei? Hielt
sie es für möglich, dass er sie belügen, täuschen könne?
Nein, durch nichts war bis dahin das Vertrauen der Frau zum
Propheten Elisa geschwächt worden. Aber der Prophet hatte
mit seinen Worten eine Sache berührt, in der sie für sich
alle Hoffnungen aufgegeben hatte. Als gläubige Frau hatte
sie oft nach einem Erben ausgeschaut. Wir wissen, mit welch
einer Sehnsucht jede jüdische Mutter einen Sohn erwartete.
Das, wovon der Prophet gesprochen hatte, war ja längst
der Gegenstand ihres heiligsten Wunsches gewesen. Aber
unfruchtbar war ihr Leben verflossen. Von Jahr zu Jahr hatte
sie gehofft, dass ihr Wunsch Erfüllung finden würde. Sie
hatte aber vergeblich gehofft. Nun hatte sie jede Hoffnung
auf einen Erben aufgegeben. Sie wollte nun nicht noch einmal
den Schmerz durchkosten, den sie so oft nach erfolgter
Enttäuschung und nach vergeblichem Warten in ihrem Herzen
durchkostet hatte, nämlich auf etwas in ihrem Leben gehofft
zu haben, was doch nie mehr Erfüllung werden könne. Daher
sprach sie, als der Prophet ihr einen Erben verhieß: Täusche
deine Magd nicht, du Mann Gottes!
Ist es nicht wunderbar, dass diese Frau gerade in der Zeit,
wo ihr jede Hoffnung, je noch einmal Mutter zu werden,
geschwunden war, mit jenem Manne Gottes zusammenkam, der
Vollmacht hatte, zu ihr zu sagen: "Übers Jahr wirst du einen
Sohn herzen!"? Ja, unser Gott vermag uns immer wieder zur
rechten Stunde seine Propheten zu senden, die unser Hoffen
auf Ersehntes neu zu beleben wagen.
Der Herr sorgt dafür, dass wir zur rechten Zeit mit jenen
Gottesknechten zusammenkommen, die uns ein neues,
berechtigtes Hoffen zu geben vermögen. Wir waren vielleicht
bis zu einem entscheidenden Punkt unserer innerlichen
Entwicklung gekommen. Durch die schmerzlichen Niederlagen
in unseren Glaubenskämpfen, durch die Enttäuschungen, die wir
in unserem Dienen und Warten erlebten, durch das dauernde
Schweigen Gottes auf gewisse heilige Wünsche unserer Seele: -
durch alles entstand in uns ein Seelenzustand, der jegliche
Kraft verloren hatte, weiter auf jene Segnungen zu warten,
die einst der Gegenstand unserer heißesten Sehnsucht gewesen
waren. Da sandte der Herr zu seiner Stunde auch uns seinen
Knecht, der uns jenes Warten der Gerechten wiedergab, das
eines Tages dennoch Freude werden musste.