1Kö 18,45
A.Christlieb
Das Wölkchen wie eines Mannes Hand
»Und beim siebten Mal sprach er: Siehe, es geht eine kleine
Wolke auf aus dem Meer wie eines Mannes Hand. Er sprach:
Gehe hinauf und sage Ahab: Spanne an und fahre hinab, daß
dich der Regen nicht ergreife. Und ehe man zusah, war der
Himmel schwarz von Wolken und Wind, und es kam ein starker
Regen« (1. Kön. 18,44 u. 45).
Wir schauen das kleine Wölkchen an, das aus dem Meer aufgeht,
das dem Elia gemeldet wird und diesem die Gewißheit gibt, daß
nun der Regen komme. Was predigt uns dieses Wölkchen?
1. Das Gebet des Glaubens wird endlich dennoch erhört
Sechsmal kam der Diener mit der Meldung, nichts sei da. Vom
siebenten Gang auf die höchste Spitze kommt er mit der frohen
Botschaft zurück: »Eine Wolke geht auf.« Dieses Wölkchen ruft
uns zu: »Bruder, Schwester, gib dein Flehen nicht auf!« Es
kommt die Zeit, wo die Erhörung naht, so gewiß, wie hier
endlich das Regenwölkchen erschien. Hat nicht Josua »bis auf
den Abend« (Jos. 7, 6) vor der Lade Gottes liegenbleiben
müssen, bis die göttliche Antwort kam und ihm den Weg zum
Sieg zeigte?
Mußte nicht die Jüngerschar vor Pfingsten Tag für Tag
weiterflehen bis die Verheißung des Vaters kam (Apg. 1,4 und
14)? Hat nicht die Gemeinde »ohne Aufhören« gefleht, bis
Petrus aus dem Gefängnis befreit wurde (Apg. 12, 5 und 7)?
Blieb nicht die Witwe vor dem ungerechten Richter stehen mit
der immer gleichen Bitte: »Rette mich vor meinem
Widersacher!« (Luk. 18, 3-5)? Bete weiter, bis das Wölkchen
erscheint!
2. Der Glaube kann schon in kleinen Anfängen die ganze Erhörung
erkennen
Wie gering war das Wölkchen! Nur wie eine Hand groß. Aber
dem Glauben genügte es. Der Himmel mußte nicht erst schwarz
werden von Wolken, ehe Elia die Erhörung schaute. Treue
Beter bekommen Blicke für herankommende Erhörung.
Als August Hermann Francke (1663-1727) eine Waisenanstalt in
Halle an der Saale bauen wollte, nahm er die kleine Geldsumme
von drei Talern als Angeld für das Gelingen an. Er sah in
diesem Geschenk einer armen Magd »das Wölkchen wie eines
Mannes Hand«.
Es war wie bei Elia. Da war Glaube. Der Zweifel hätte
gesagt: »Wir wollen erst warten, bis der Himmel Gewitterfarbe
zeigt.« Aber der Glaube erkannte in dem Wölkchen schon den
herabrauschenden Regen.
Wie oft ist dies im Geistlichen der Fall! Haben nicht treue
Beter oft ein Gespür dafür, daß sich geistlicher Gnadenregen
naht, daß sich Erweckungszeiten anbahnen? Hat nicht mancher
treu betende Vater an kleinen Kennzeichen gemerkt: Jetzt geht
bei meinem Kind etwas Neues vor?
Wir sind oft begierig auf die neuesten Nachrichten. Niemand
pflegt so sicher die kommenden Ereignisse vorauszusehen wie
die treuen, anhaltenden Beter. Gott mache uns zu solchen!
3. Gottes Wirken fängt oft unscheinbar an
Endlich sagt uns das Wölkchen: Die großen, herrlichen
Gnadenwirkungen Gottes fangen oft ganz klein und unscheinbar
an.
Seit Jahren seufzte das Land nach Regen. Jetzt endlich kam
diese ersehnte Flut. Und mit dem verächtlich aussehenden
geringen Wölkchen hielt diese neue Gnadenzeit ihren Einzug.
Die Art der Welt ist umgekehrt. Sie liebt es, groß und
imponierend zu erscheinen. Sie bringt aber doch nur wenig
oder nichts von wahrer Erquickung zustande. Sie ist wie
»Wolken ohne Wasser« (Jud. 12). Aber Gott macht es
umgekehrt. Da sieht es oft so aus, als ob gar nichts
vorhanden wäre. Gott läßt sein Reich anfangen wie ein
kleines Senfkorn. Aber hernach wächst es zu einem Baum, der
alle Länder überschattet.
War nicht das Kindlein in Bethlehem so unscheinbar und gering
wie das kleine Wölkchen? Und wie sind Himmel und Erde gelabt
worden durch seine Gnadenströme!