2Sam 12,7
C.Eichhorn
Ein Blitz ins Sündendunkel
Du bist der Mann! 2. Sam. 12, 7
Als David auf der Höhe des Glückes stand, tat er einen tiefen
Fall. Denn es ist nichts schwerer zu ertragen als eine Reihe
von guten Tagen.
Er gab sich allzusehr der Behaglichkeit hin. Anstatt ins
Feld zu ziehen - es war damals Krieg mit den Ammonitern -
pflegte er der Ruhe in seinem Palast. Seine Augen schweiften
nach dem Verbotenen, und sein Herz wurde von ehebrecherischer
Lust entzündet. - Gott hätte den Fall verhüten können durch
ein machtvolles Eingreifen. Er tat's nicht. Er überließ
David dem bösen, finstern Spiel. Er durfte die Tat
vollbringen. Denn Gott will, daß das Verborgene offenbar
werde. Wer in seinem Herzen von ihm weicht und sich nicht
aufhalten läßt durch die verborgene Warnungsstimme und das
heimliche Gericht seines Geistes, der soll offenbar werden
als Sünder. Gott legt selbst einen Anstoß vor ihn hin, daß
er falle. Denn er will zwar nicht das Böse, wohl aber, daß
das Böse ans Licht kommt, gestraft und gerichtet wird. -
Gott ließ David fallen, aber er ließ ihn nicht liegen. Er
sandte ihm Nathan als Bußprediger. Es war kein leichter
Auftrag für diesen Wahrheitszeugen. Er mußte dabei seine
Seele in die Hände nehmen, sein Leben riskieren. Aber er
ließ sich von oben das Wort geben und bekam es. Er kleidete
seine Botschaft in eine Geschichte. In der Stadt lebte ein
Reicher und ein Armer. Zum Reichen kam ein Gast. - Der Gast
ist die böse Begierde, die vor der Tür des Herzens lagert (1.
Mose 4, 7) und den Augenblick ersieht, wo sie hineinschlüpfen
kann. - Dieser Gast will bewirtet sein. Der Reiche schont
seiner Schafe und Rinder und holt das einzige Schäflein des
Armen um es dem Gast vorzusetzen. - Davids Edelsinn flammt
auf: der ist ein Mann des Todes. - "Du bist der Mann!" David
hat sich selbst das Todesurteil gesprochen. Er muß
verstummen. Sein Wahrheitssinn, sein Gewissen kann nichts
dagegen einwenden. Er ist ein todeswürdiger Verbrecher. -
Nathan heißt auf deutsch "Gabe". Einer, der uns auf den Kopf
zusagt: Du bist der Mann!, ist eine Gabe Gottes. So etwas
schmettert nieder wie ein Keulenschlag. Aber David wäre ins
Verderben getaumelt. Nun ward er ernüchtert. Du bist es,
nicht der oder die! Suche den Sünder nicht anderswo! Sag's
nur offen und ehrlich: Ich bin's! - Nathan ließ es bei
diesem Stoß ins Herz Davids nicht bewenden. Er entrollte vor
seinen Augen die ganze lange Liste der göttlichen Wohltaten.
Der vernichtende Schlag allein macht noch nicht zum reumütig
gebeugten Sünder. Was tief einschneidet ins Herz, das ist
die Erinnerung an all die Liebeserweisungen, die man so
schlecht vergolten. Da möchte man sich verkriechen vor
Scham. All dies tat Gott für mich - und ich? Ich habe ihm
Arbeit gemacht mit meinen Sünden und Mühe mit meinen
Missetaten. Gottes unverdiente Güte bewirke auch bei uns
eine gründliche Beugung!