1Sam 28,6
J.Kroeker
Von Saul und seinem Fall.
"Und Saul fragte den Herrn; der Herr aber antwortete ihm
nicht, weder im Traum, noch durch Lichter, noch durch
Propheten. Da sprach Saul zu seinen Knechten: Sucht mir eine
Frau, die eine Totenbeschwörerin ist, dass ich zu ihr gehe
und sie frage!" 1.Sam. 28,6 f.
Saul hatte die Schlacht mit den Philistern eigentlich
innerlich verloren, bevor sie äußerlich geschlagen wurde.
Es fehlte ihm jede Begeisterung. Träume und Vorahnung
bedrückten selten schwer sein Gemüt. In dieser verzweifelten
Stimmung nimmt er verkleidet seine Zuflucht zu einer
Totenbeschwörerin in Endor. Die Angst seiner Seele trieb ihn
zu diesem Schritt der Verzweiflung. Wohl sehnte er sich nach
Licht, das ihm in diesen dunkelsten Stunden dienen konnte.
Mit Samuel hatte er aber die Quelle des Lichts verloren.
Denn so oft er auch den Herrn ratfragte, der Herr antwortete
ihm dennoch nicht. Es gibt eine Herzensstellung, in der sich
der Mensch unfähig erweist, Gottes Antwort zu vernehmen, die
Er durch seine gewöhnlichen Dolmetscher und
Offenbarungsorgane zu geben vermag.
So sehen wir denn Saul eines Tages auf der Suche nach Licht
bei einer Wahrsagerin und Totenbeschwörerin. Welch ein Bild
innerlicher Verarmung! Im Kampf wider die Offenbarung endete
aber der Mensch noch immer bei einer Wahrsagerin! Wem Gott
nicht mehr antworten konnte, der suchte Antwort bei der
Totenbeschwörerin in Endor. Wer in seiner Stärke lebende
Propheten nicht mehr hören wollte, wünschte in der Stunde der
Not tote Propheten zu hören.
Denn als Saul zu der Wahrsagerin nach Endor kam, bat er sie
um das Erscheinen des Propheten Samuel. Dieser verstorbene
und von dem ganzen Volke betrauerte Gottesknecht war offenbar
auch Saul eine Persönlichkeit geblieben, der er volles
Vertrauen entgegenbrachte. Allein auch Samuel konnte ihm nur
dasselbe Gericht verkündigen, das ihm durch die lebenden
Propheten verkündigt worden war. Auch zu Endor hörte Saul
keine andere Kunde als die eines Gerichts. Wer auf dem Weg
zum Gericht wandelt, dem kann kein Prophet - ob ein lebender
oder toter - von Leben und Erlösung weissagen.
Selten erschütternd ist nun die Szene, die sich nun mit Saul
abspielte. Als er die Kunde aus dem Munde Samuels vernahm,
erschrak er so sehr, "dass keine Kraft mehr in ihm war".
Hätte Saul doch jenen Weg betreten, den damals David in der
dunkelsten Stunde und im Zusammenbruch seiner Kraft ging.
Er stärkte sich im Herrn, seinem Gott!
Saul vermochte jedoch diese Stellung nicht zu gewinnen. Und
mit der Kunde des Gerichts trat er in den nächsten Tagen in
den Kampf. Es war Nacht in seiner Seele. Und die Nacht lag
vor ihm. Er betrat die Kampfesstätte mit dem innerlichen
Gefühl eines Gerichteten.