Jos 2,3
A.Christlieb
Da sandte der König von Jericho zu Rahab... Josua 2, 3
Rahab kam in eine schwierige Lage. Der König fordert von ihr
die Auslieferung der Boten. Sie lügt. Sie gibt die Richtung
an, in welcher die Männer sich entfernt haben sollten.
Dürfen wir mit dem Ausdruck ,,Notlüge" diese Unwahrheit
entschuldigen? Nie und nimmer! Der Geist der Heiligen
Schrift, der Geist der Wahrheit, kann niemals eine Unwahrheit
gutheißen. Rahabs Glaube war nicht stark genug, sie bei der
Wahrheit zu halten. Man kann indessen mehrere Gründe zur
mildernden Beurteilung ihrer Schwachheit nennen. Da ist
zunächst der plötzliche Schreck, als die Boten des Königs vor
ihr stehen. Sie muß sofort etwas sagen. Ihr fällt nichts
Besseres ein. So sagt sie die Unwahrheit. Mag bei Rahab
diese Lüge milder beurteilt werden dürfen, weil sie das Glied
eines durch und durch verderbten, gerichtsreifen Volkes
gewesen ist; wehe uns, wenn wir bei unserer Kenntnis des
heiligen Gesetzes und unserer christlichen Erziehung uns mit
Rahabs Beispiel entschuldigen wollten. - Mildernd spricht
für Rahab auch der Umstand, daß es ihr zunächst um Rettung
der Kundschafter zu tun war. Sie steht vor Gott anders da,
als einer, der allein um des eigenen Vorteils willen oder
gar zur Schädigung anderer lügt. Daß Gott in so gefährlichen
Lagen den Seinen durchhelfen kann, auch ohne
Unwahrhaftigkeit, zeigt das Beispiel Oberlins. In der
Revolutionszeit hielt er das Töchterlein eines Geächteten im
Pfarrhaus verborgen. Die Häscher kommen und fragen Oberlin,
ob das Mädchen in seinem Haus sei. Oberlin seufzt innerlich
zu Gott um Hilfe und spricht dann schlicht: ,,Meine Herren,
tun Sie Ihre Pflicht!" Die Beamten gehen durch alle Zimmer.
Das Kind hört die schweren Tritte und stellt sich hinter die
Tür des engen Zimmerchens. Die Beamten öffnen die Tür nur
wenig, werfen einen flüchtigen Blick hinein und gehen weiter.
Gott kann uns in jeder Lage retten, auch ohne daß wir lügen.
C.H.Spurgeon
,,Das wurde dem König zu Jericho berichtet. Da sandte er zu
Rahab." Jos. 2, 3.
Rahabs Glaube war ein fester und ausharrender Glaube mitten
unter allen Nöten.
Ich habe von einem Geistlichen gehört, der in der Zeit
anhaltender Dürre ersucht wurde, um Regen zu beten. Er sagte:
"Gut, ich will beten, aber das Gebet hilft nicht im geringsten,
solange der Wind von Osten kommt."
Manche haben einen Glauben dieser Art; sie glauben, solange es
ihnen wahrscheinlich vorkommt, daß geholfen werde. Aber dies
heißt nicht Glauben, sondern Schauen. Der wahre Glaube sagt:
"Obwohl die Sache unwahrscheinlich ist, so glaube ich dennoch."
Der Glaube spricht: "Wenngleich die Berge in Finsternis
eingehüllt sind, so sind sie doch ebenso wahrhaftig vorhanden
wie bei Tageslicht." Der Glaube sieht durch die Wolke hindurch,
nicht mit dem äußeren Auge, sondern mit dem inneren
Geistesauge. Der Glaube spricht: "Ich traue meinem Gott und
wandle auf dem Wasser ebensofest wie auf einem Felsen; ich
reise ebensosicher im Sturm wie beim Schein der Sonne; ich lege
mich ebensoruhig auf die Wellen des Meeres wie auf mein Bett im
Haus." So war der Glaube der Rahab, er war stark, fest und
ausdauernd.
Natürlich wird sich der alte Unglaube auch mit ihr in eine
Unterhaltung eingelassen und etwa folgendes mit ihr gesprochen
haben: "Liebe Frau, siehst du nicht die Torheit deines
Glaubens? Siehe, die Israeliten sind auf der anderen Seite des
Jordans, sie haben keine Brücke, wie wollen sie herüberkommen?
Natürlich müssen sie weiter den Strom hinaufgehen, und dann
wird Jericho noch lange sicher bleiben. Sie müssen erst andere
Städte erobern, ehe sie Jericho angreifen können. Überdies sind
die Kananiter sehr mächtig, und die Israeliten nur geringe
Sklaven, die man bald in Stücke hauen wird. Deswegen nimm du
die Kundschafter nicht auf, und bringe dein Leben nicht in
solche Gefahr wegen dieser Unwahrscheinlichkeit." So sprach
ihre ungläubige Vernunft.
Aber der Glaube in ihr erwiderte: "Ich bekümmere mich nicht um
den Jordan, mein Glaube ist nicht bloß ein trockener
Land-Glaube."
Als die Israeliten über den Jordan gekommen waren, so wird ihr
der Unglaube gesagt haben: "Jericho ist stark und kann
widerstehen; willst du noch an den Untergang der Stadt
glauben?"
Und als vollends die Israeliten, statt zum Angriff und Sturm
der Stadt zu schreiten, täglich um die Stadt gingen und nur mit
Ziegenhörnern bliesen, so konnte sich der Unglaube recht breit
machen und der Frau große Not verursachen; aber sie blieb fest
und unbeweglich, als ein denkwürdiges und triumphierendes
Beispiel von der Macht des Glaubens.
Rahabs Glaube blieb fest und ausharrend.