5Mo 34,7
A.Christlieb
Und Mose war hundertzwanzig Jahre alt, da er starb. Seine
Augen waren nicht dunkel geworden, und seine Kraft war nicht
verfallen. 5. Mose 34, 7
Wir besitzen kein Bild von Mose, das einer seiner
Zeitgenossen hergestellt hätte. Unser Text gibt uns aber ein
bleibendes Bild von ihm: Ein Greis in voller Manneskraft.
Trotz seiner 120 Jahre - kein altersschwacher Mann, der sich
mühsam den Berg hinaufschleppt. Rüstig, in voller Kraft und
Frische besteigt er den Nebo. Sein Auge ist hell und klar,
seine leibliche Kraft ist ungebrochen. So malt ihn die
Heilige Schrift, so sollte Israel das Bild seines treuen
Führers im Herzen behalten. - Und welche Riesenarbeit hatte
dieser Mann in seinem langen Leben bewältigt! Vierzig Jahre
Wüstenwanderung lagen hinter ihm mit all ihren äußeren und
inneren Nöten. Die Last der Verantwortung war so groß
gewesen, daß sie ihn oft schier erdrückt hätte. Einmal
seufzte er: ,,Habe ich nun all dies Volk geboren, daß du zu
mir sagen magst: Trag es, wie eine Amme ihr Kind trägt! Ich
vermag all das Volk nicht zu tragen. Es ist mir zu schwer"
(4. Mose 11, 4-15). Ist es da nicht ein Wunder, daß dieser
Mann am Schluß seines Lebens noch so stark und frisch war?
Wie ist das zu erklären? - Der weithin bekannte Dr. Fr. W.
Baedeker hatte eine zum größten Teil zerstörte Lunge. Er
reiste aber trotzdem immer wieder bis nach Sibirien, zur
Predigtarbeit in den dortigen Gefängnissen. Er pflegte zu
sagen: ,,Ich lebe von der Wahrheit des Wortes: Er gibt den
Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Die auf den
Herrn harren, kriegen neue Kraft." - Mose war einer von
denen, die auf den Herrn harrten, (siehe 4. Mose 16, 4-15;
2. Mose 15, 25; 2. Mose 17, 4 u. 11), sonst wären seine
Kräfte längst zusammengebrochen. Wie manchem würde es auch
in seiner leiblichen Gesundheit besser ergehen, wenn er das
Rezept Dr. Baedekers gebrauchte!
A.Christlieb
Moses' Kraft war nicht verfallen. 5. Mose 34, 7
Riesengroß und aufreibend war die Arbeit gewesen, die Moses
geleistet hat. Sie würde aber auch seine nicht geringe
Naturkraft zerrieben haben, wenn er sich diese Aufgabe selbst
ausgesucht hätte. G o t t hat sie ihm übertragen. G o t t
hat ihm die Kraft verliehen, die Riesenaufgabe zu erfüllen.
Hätte Moses in eigener Kühnheit und fleischlichem Übermut das
Wagnis übernommen, Israel aus der ägyptischen Knechtschaft zu
erlösen und nach Kanaan zu führen, seine Kräfte wären daran
ganz sicher zerbrochen. Weil Gott aber seinem Knecht den
Befehl erteilt, gab er ihm auch die ganze seelische und
leibliche Kraft zur Ausrichtung dieser Aufgabe. - Wer sich
vor selbstgewählten Wegen und Aufgaben hütet, wer sorgsam auf
den Willen und die Hinweise Gottes achtet, dem kommt das auch
in der Erhaltung seiner leiblichen Kräfte und seiner Gesundheit
zugute. - Vor einer falschen Meinung nur muß hier gewarnt
werden: Niemand darf einen Knecht Gottes geringachten, wenn
er leiblich anders geführt wird als Mose. Dessen Augen waren
,,nicht dunkel geworden". Aber von dem treuen Propheten Ahia
lesen wir: ,,Ahia konnte nicht sehen, seine Augen waren starr
vor Alter" (1. Kön. 14, 4). Und während Mose in voller
Kraft den Nebo besteigen konnte, lag Elisa vor seinem Ende
krank darnieder, wie andere sterbliche Menschen (2. Kön.
13, 14). Dürfen wir deshalb vermuten, die Glaubenskraft und
Treue dieser beiden Gottesknechte sei geringer gewesen als
die des Mose? Weit gefehlt! War Ahias Auge gleich dunkel,
sein Ohr war weit offen für Gottes Stimme und Weisung (1.
Kön. 14, 5). Und war Elisas Leibeshütte schwach und krank,
Gott bekannte sich zu ihm noch über den Tod hinaus. Wir
wollen uns freuen, daß Gottes Treue die Kräfte Moses' bis zum
letzten Tag erhielt. Wir wollen aber nie meinen, daß es bei
allen Knechten Gottes ebenso gehen müsse.