4Mo 10,35
A.Christlieb
Herr, steh auf, laß deine Feinde zerstreut werden, und die
dich hassen, flüchtig werden vor dir. 4. Mose 10, 35
Aus Moses Gebet beim Aufbruch der Lade wollen wir noch einen
zweiten Hinweis entnehmen. Mose betet nicht: ,,Herr, laß
m e in e Feinde zerstreut und die m i c h hassen, flüchtig
werden vor m i r." Er betet vielmehr: ,,Herr, steh auf, laß
d e i n e Feinde zerstreut, und die d i c h hassen, flüchtig
werden vor d i r"! Es geht ihm um Gottes, nicht um die eigenen
Feinde, und daß sie fliehen vor Gott, nicht vor ihm. Daraus
können wir lernen, daß der Beter die Ehre Gottes suchen muß
und nicht die eigene, und daß er auf Gottes Kraft vertrauen
soll, nicht auf die eigene. Nicht seine Widersacher, nein,
Gottes Widersacher greift er an. Hier lernt man, wie man im
Gebet S i e g e s k r a f t bekommt. Mose wußte: Wir sind
Gottes Augapfel. Unser Weg ist Gottes Weg. Wer unseren Zug
nach Kanaan aufhalten will, der tritt Gottes Reiseplänen in
den Weg, der ist nicht unser, der ist Gottes Feind. Gegen
solche Feinde bittet er im Glauben um völlige Zerstreuung.
Bist du in Wahrheit ein Kind Gottes, stehst du vor Gott, sind
deine Wege nach Gottes Willen ausgerichtet, dann (aber auch
nur dann!) darfst du beten wie Mose, darfst Gottes Kraft für
dich in Anspruch nehmen und deine Hindernisse als Gottes
Hindernisse n i e d e r b e t e n. So bekommt man täglich
frische Überwinderkräfte. So wird die Angst vor den
Feindesmächten in fröhliches Vertrauen auf des Herrn
Durchhilfe verwandelt. Wollen wir droben die Überwinderkrone
erben, dann müssen wir jeden Morgen vor unserem Gott liegen
und uns nach täglichem Sieg durch seine Kraft und Bewahrung
ausstrecken. Wieviel besser ist das, als in eigener Kraft
und Kühnheit vorwärts stürmen. So bekommen wir auch die
volle innere Ruhe denen gegenüber, die unsere Arbeit hindern,
lästern oder schädigen wollen.
A.Christlieb
Gebet am Morgen
»Und wenn die Lade zog, so sprach Mose: Herr, stehe auf, laß
deine Feinde zerstreut und die dich hassen, flüchtig werden
vor dir! Und wenn sie ruhte, so sprach er: Komme wieder,
Herr, zu der Menge der Tausende Israels« (4. Mose 10, 35.
36).
Jedesmal, wenn die Lade zog, wenn wieder ein neuer kleiner
oder großer Reiseabschnitt begann, dann war es das erste, was
Mose tat, daß er betende Hände zu Gott emporhob. Mose dachte
nicht: Ich bin schon so sicher, so geübt in den Wegen des
Herrn, daß ich auch einmal ohne besonderes Gebet fertig
werde. Mose hat immer wieder aufs neue, wenn die Wolkensäule
sich zu erheben anfing und der Aufbruch begann, den Herrn
angerufen für den nächsten Reiseabschnitt, der vor ihm lag.
Das ist gewiß ein sicheres, seliges Christenleben, wo jede
einzelne Arbeit, jeder Besuch, jeder Gang, jede Unterredung
im betenden Aufblick zum Herrn begonnen wird. Laßt uns darin
Mose ähnlich werden!
Mose sagte auch nie: Ja, jetzt gerade beim Aufbruch habe ich
so besonders viel zu tun, an alles Mögliche zu denken; ich
muß kontrollieren, ob die verschiedenen Levitenabteilungen
die Stiftshütte recht besorgen; ich muß nachsehen, ob Juda an
seinem Platz ist an der Spitze; ich muß nach meinen eigenen
Sachen sehen, ob mein Diener Josua alles recht besorgt; jetzt
gerade habe ich zum Gebet durchaus keine Zeit. Mose hatte
gewiß sehr viel zu tun, gerade beim Aufbruch des Lagers;
aber zu einem kurzen Gebetsseufzer hatte er immer Zeit.
Ebenso, wenn die Lade haltmachte, wenn die Wolkensäule
stehenblieb an einem Ort, so war wieder das erste, daß Mose
betete (V. 36). Auch hier gab es bei der Einrichtung des
neuen Lagerplatzes wieder hunderterlei zu tun; aber das Gebet
war das erste und Wichtigste. Wolle doch Gott vielen
Menschen das einfache Geheimnis enthüllen, daß soviel Zeit
verlorengeht, weil man das Gebet nicht an die erste Stelle
setzt! Vieles geht nur deshalb verkehrt und bringt neuen
Zeitverlust mit sich, weil es nicht mit Gebet begonnen wird.
Man glaubt Zeit zu gewinnen durch Gebetsuntreue, und man
entdeckt nachher, daß man nur Zeit verloren hat.
Elieser hat gewiß keine Zeit verloren, als er sich vor der
Stadt Labans Zeit nahm, vom Kamel zu steigen, um zu beten und
Gott um genaue Leitung zu bitten (1. Mose 24, 12). Sein
Auftrag wurde dadurch wesentlich schneller und leichter
ausgeführt, als wenn er ohne Aufenthalt weitergeritten wäre
und sich dann von Haus zu Haus müde gelaufen und gefragt
hätte.
Nehemia hat auch nichts verloren dadurch, daß er vor der
wichtigen Antwort an den König Artasasta auf die Frage, was
er denn fordere bei dem elenden Zustand Jerusalems, zuerst
betend aufschaute zu Gott und dann dem König Vorschläge
machte. Urlaub, Reisemittel, Erlaubnis zum Bau der Mauern,
alles wurde auf einen Schlag bewilligt als Antwort aufs Gebet
(Neh. 2, 4).
Laßt uns jedesmal beten, wenn sich auch bei uns die Lade
Gottes erhebt, wenn wieder ein Schritt weiter gemacht wird,
und laßt uns beten, wenn wir zur Ruhe haltmachen!
Kurze Gebete sind oft wertvoll. Wir können aus dem
Gebetlein, das Mose jedesmal beim Beginn eines
Reiseabschnittes sprach, einige Hinweise für unser
Morgengebet entnehmen. Soll doch jeder Tag ein
Reiseabschnitt sein, der uns dem himmlischen Kanaan
näherbringt.
1. Gefahren vor Gott ausbreiten!
Wenn die Lade zog, so sprach Mose: »Herr, stehe auf!« Das
klingt, wie wenn ein Kind seinen Vater bittet aufzustehen,
um es zu schützen oder ihm sonst etwas zu tun. So kindlich
dürfen wir beten. »Herr, stehe auf, laß deine Feinde
zerstreut und die dich hassen, flüchtig werden vor dir!« Aus
diesem Gebet Moses beim Aufbruch der Lade wollen wir für
unser tägliches Morgengebet zunächst den Hinweis entnehmen:
Mose breitete die Gefahren, die der neue Reiseabschnitt mit
sich brachte, vor Gott aus und wappnete sich gegen diese
Gefahren mit Gebet.
Die Gefahr, die bei der damaligen Wüstenwanderung nahelag,
war: Überfall durch feindliche Stämme, wie das durch die
Amalekiter und den König von Arad (4. Mose 21) vorkam.
Darum rief Mose nicht erst zum Herrn, wenn er amalekitische
Reiterscharen heranstürmen sah, sondern jedesmal, wenn die
Lade aufbrach, übergab er alle Feinde, die ihm heute begegnen
könnten, dem Herrn und bat ihn, selber den Kampf gegen sie in
die Hand zu nehmen: »Herr, laß deine Feinde zerstreut und die
dich hassen, flüchtig werden vor dir!«
Welch ein wichtiger Hinweis ist dies für unser tägliches
Morgengebet! Die Feinde, die uns an den einzelnen Tagen
begegnen können, sind nur selten äußere Feinde. Es sind
Armeen der unsichtbaren Welt, gefährlicher als alle
Amalekiter und Moabiter, Mächte, welche die Pilger nach dem
himmlischen Kanaan oft plötzlich überrumpeln wollen, gegen
die wir jeden Morgen beim Aufbruch zum Tagewerk zu beten
haben. Wie leicht ist solch ein schwaches Pilgerherz
fortgerissen von der Macht der Unreinigkeit, der Ungeduld,
der Lieblosigkeit, die in einem völlig unerwarteten
Augenblick ihren Angriff versuchen! Wie wichtig ist es,
jeden Morgen alle unvorhergesehenen Gefahren, die uns
plötzlich aus der Gemeinschaft Jesu reißen wollen, alle
unvorhergesehenen Besuche, die heute unser Haus betreten
können, vor Gott auszubreiten und Bewahrungskräfte im
Heiligtum des Kämmerleins anzuziehen, damit wir dem Herrn
keine Schande machen!
Laßt uns alle Morgen flehen: »Herr, du kennst meine schwachen
Stellen, du kennst die Mächte, die mich angreifen wollen;
Herr, habe acht auf mich! Behüte mich wie einen Augapfel!
Erfülle die Verheißung bei mir: Um Jerusalem her sind Berge,
und der Herr ist um sein Volk her von nun an bis in
Ewigkeit!« (Ps. 125, 2) Ja, auch wir haben nötig, daß der
Herr jeden Morgen für uns aufsteht, um die höllischen Feinde
vor uns her zu zerstreuen, sonst sind wir verlorene Leute.
2. Mit Gottes Plänen übereinstimmen!
Ferner: Mose achtete in seinem Gebet darauf, daß er mit
Gottes Plänen genau übereinstimmte. Das sehen wir daraus,
daß er nicht betete: »Herr, laß meine Feinde und die mich
hassen, flüchtig werden«, sondern: »Herr, laß deine Feinde
und die dich hassen, flüchtig werden.« Er wollte nicht eigene
Feinde und Hindernisse wegbeten.
Wie leicht kann es vorkommen, daß wir den Widerstand eines
unangenehmen und uns scheinbar hinderlichen Menschen wegbeten
wollen und dabei gar nicht merken, daß Gott diesen Menschen
zu unserer Erziehung und Demütigung dahin gesetzt hat! Ist
ein Hindernis nur ein Erziehungsmittel für uns, so dürfen wir
Beugungsgnade und Erkenntnis der göttlichen Absicht erbitten.
Ist es aber ein Hindernis für die Sache Gottes, so dürfen wir
es im Glauben niederbeten. Mose nun wußte genau von allen
Feinden, die Israel überfallen konnten, daß es Gottes Feinde
waren. Er wußte: »Israel ist Gottes Augapfel, und Israels
Zug nach Kanaan ist dem Willen Gottes gemäß. Wer diesen Zug
aus Ägypten aufhalten will, der tritt Gottes Reichsplänen in
den Weg und ist nicht mein, sondern Gottes Feind.« Gegen
solche Feinde bat Mose im Glauben um völlige Zerstreuung.
Darin liegt ein wichtiger Gebetshinweis. Wir lernen hier,
wie wir Siegeskraft im Gebet erlangen.
Jeden Morgen gilt es, unsere Wege sorgfältig vor dem Herrn
auszubreiten und zu prüfen. Allen eigenen Willen, für den
uns Gottes Geist straft, gilt es aufzugeben, so daß wir
wissen: unsere Wege sind Gottes Wege, unsere Ziele sind
Gottes Ziele. Dann bekommen wir eine große innere Ruhe allen
denen gegenüber, die unsere Arbeit hindern, lästern oder
schädigen wollen.
Du wahres Kind Gottes, wenn du recht stehst und deine Wege
nach Gottes Willen sind, dann - aber nur dann! - darfst du
Gottes Kraft für dich in Anspruch nehmen und darfst deine
Hindernisse als Gottes Hindernisse niederbeten. Laßt uns da
lernen!
3. Sich hinter dem Herrn verbergen!
Einen dritten Hinweis entnehmen wir daraus, daß Mose nicht
betet: »Laß deine Feinde flüchtig werden vor Israel«,
sondern: »Laß sie flüchtig werden vor dir.« Nicht vor Mose,
nicht vor Israel sollten die Feinde fliehen, sondern vor dem
Herrn. Mose verbirgt sich also hinter dem Herrn. Er bittet,
seine Feinde möchten es mit Gott zu tun bekommen. Mose geht
nicht in eigener Kraft und Kühnheit weiter, als ob vor ihm
die Gegner weichen würden, sondern er hüllt sich mit seinem
Volk vor jeder Weiterreise in die Nähe und Gegenwart Gottes
ein, indem er bittet: »Herr, wohin wir auch kommen, da sei
du so um uns her, daß vor deiner Nähe alle Feinde fliehen
müssen.«
Hätte Mose gebetet: »Laß die Feinde vor uns fliehen«, so
hätte sich leicht ein geheimes Wohlgefallen an dem eigenen
Triumph hineingemischt. Der Beter hätte sich im Geist
ausmalen können, wie alle Völker vor ihm davon fliehen,
so daß er als glänzender Held dastände.
Weg mit solchen Hochmutsphantasien im Kämmerlein! Mose
betete: »Nicht vor uns, vor dir laß die Feinde flüchtig
werden. Herr, du sollst die Ehre haben. Wir bekennen uns
als ohnmächtige Leute, vor denen niemals Feinde fliehen
würden. Du wollest uns so umhüllen, daß die Feinde dich zu
spüren bekommen und vor dir zurückfliehen.
Wie richtig hat doch Mose gebetet! Mit diesem kurzen Gebet
zog er bei jedem Aufbruch der Lade frische Überwinderkräfte
an. Alle Angst vor Feindesmächten wurde in fröhliches
Vertrauen auf die Durchhilfe des Herrn verwandelt. Wieviel
besser ist solches, als in eigener Kraft und Kühnheit
weiterzugehen!
Vor uns weichen finstere Mächte nie zurück. Wir wollen
vielmehr in echtem Ohnmachtsgefühl täglich mit Mose beten:
»Herr, laß heute auf allen meinen Wegen, bei allen Besuchen,
Gesprächen und Begegnungen die finsteren Mächte zerstreut
werden von deiner Nähe und Gegenwart.« Dies ist das Geheimnis
der göttlichen Umhüllung.
Wenn wir droben die Überwinderkrone bekommen wollen, müssen
wir jeden Morgen vor unserm Gott liegen und uns nach
täglichem Sieg durch seine Kraft und Bewahrung ausstrecken.