2. Mose

2Mo 20,17 D.Rappard Laß dich nicht gelüsten . . . . alles dessen, das dein Nächster hat. 2. Mos. 20,17.

Alle die Gebote, die sich auf unseren Nächsten beziehen, werden in diesem letzten der ,,zehn Worte" nochmals zusammengefaßt. Zugleich berührt es die innerste Quelle unseres Wesens. Über ä u ß e r e H a n d l u n g e n kann man am Ende mit großer Willenskraft herrschen, aber keine menschliche Macht vermag den G e f ü h l e n d e r S e e l e wirksam zu gebieten. Da muß der Stärkere kommen und den Starken binden, der uns von Natur gefesselt hält. Dann sind wir die leibeigenen Knechte Immanuels und zugleich Herren und Sieger über die Sündenlust. Das ist der Kampf und der Sieg, den Paulus so lebendig beschreibt (Röm. 7 und 8).

Eine Jüngerin Jesu erzählte einst mit beweglichen Worten, wie sie, die kinderlose Frau, beim Besuch einer reichen Kindermutter einmal von so furchtbarer Eifersucht befallen worden sei, daß sie sich von höllischen Mächten umgeben gefühlt habe und fast unterlegen wäre. Da habe sie mit Geschrei und heißen Tränen zu Jesu geblickt und gerufen: ,,Herr, hilf mir! Sieger, siege!" Und augenblicklich habe der Kampf in ihrem Innern aufgehört, der Neid einer herzlichen Liebe und die Unruhe einem süßen Frieden Platz gemacht. - Denn was dem Gesetz unmöglich ist, das tut Gott durch seinen Sohn Jesum Christum, unseren mächtigen Erlöser.

Ewig Dank sei Dir gebracht, Mein Erlöser! Ich vertraue Deiner Macht!





C.O.Rosenius Laß dich nicht gelüsten deines Nächsten Frau, noch seines Knechts ... noch alles, was dein Nächster hat. 2. Mose 20, 17.

Hier hat die göttliche Majestät das ausgesprochen, was Gott eigentlich in allen Seinen Geboten will und meint, daß wir nämlich ganz rein und heilig sein sollen, wie Er heilig ist. Hier hat sie die erste Regung, ja, das Vorhandensein eines sündlichen Gelüstes im Herzen verboten. Beachte! ,,Sündliches" Gelüst oder Verlangen. Es kann nicht geleugnet werden, daß es auch ein unschuldiges Verlangen gibt, ein rein natürliches, wie z. B. nach Speise, Trank, Schlaf usw., soweit es innerhalb der Grenzen der Mäßigkeit gehalten wird, oder auch ein geistliches, wie z. B. Sehnsucht und Verlangen nach Gott und nach all dem Guten, von dem David so oft spricht: ,,Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn und nach dem lebendigen Gott."

Sündlich aber sind alle jene Gelüste, die in irgendeiner Weise gegen die Gebote und Verordnungen Gottes streiten, so z. B. die Gelüste, die der Herr hier nennt: Gelüste nach der Frau des Nächsten (oder die Lüste der unreinen Wollust), oder nach seinen Knechten (welches Gelüste des Eigennutzes sein können), oder nach seinem Ochsen oder seinem Esel (Gelüste des Geizes), oder nach irgend etwas, ,,das dein Nächster hat." Mit anderen Worten: Alles, was Gott deinem Nächsten, aber nicht dir gegeben hat, sei es nun irdisches Gut oder Ehre und Auszeichnung oder irgendein anderer Vorzug, alles dessen sollst du dich aus bloßer Ehrfurcht vor der Austeilung und dem Wohlgefallen deines Gottes nicht gelüsten lassen. Kurz, das Gelüst ist sündlich, sobald du Gott und Seinem Wohlgefallen nicht untertan bist. Das Gelüst ist sündlich, auch wenn der Gegenstand desselben unschuldig ist. Als die Kinder Israel in der Wüste nach dem gelüstete, was böse war, da war der Gegenstand an sich ganz unschuldig, nämlich Fleisch, Fisch und Gewürze. Daß sie sich aber nicht in den Willen Gottes und in Seine Verordnung für ihr Leben in der Wüste fügen, sondern dort dasselbe wie in Ägypten haben und sich nicht sagen lassen wollten, wenn der Wille Gottes ihnen vorgehalten wurde, darin lag das Böse, um deswillen der Zorn Gottes sie so traf, so daß ,,die Stätte Lustgräber heißt bis auf diesen Tag, darum daß man daselbst das lüsterne Volk begrub." (4. Mose 11, 34).

Wir erkennen hieraus das Geheimnis dieses Gebotes: Wir sollen als gute Kinder nichts mehr begehren, als nur Gott und Sein Wohlgefallen. Will Er uns Speise, Trank, Kleider, Ehre und Ansehen geben, dann sollen wir es zu unserem Besten genießen und Ihm danken, solange Er es uns gibt. Gefällt es Ihm aber, diese Dinge von uns zu nehmen, dann sollen wir ebenso zufrieden sein, als da Er sie uns schenkte, weil wir ja Ihn und Sein Wohlgefallen, das unser einziges Verlangen sein soll, behalten dürfen. - Asaph singt: ,,Herr, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil."

Hieraus wird ganz unbestreitbar deutlich, was auch erleuchtete Lehrer erkannt haben, daß nämlich das letzte Gebot mit dem ersten wie in einen Ring zusammenläuft. Es fordert eigentlich nur, daß der Herr der alleinige Gott des Herzens, der einzige Gegenstand unseres Verlangens, unserer Liebe, ja, unseres Trostes und unserer Sehnsucht sein muß. Denn das war die Absicht der Majestät Gottes, als Er den Menschen zu Seinem Bild schuf, daß dieser in allen Dingen nur auf Ihn sehen, in Ihm und von Ihm als seinem Ursprung und Element leben sollte. Zum Bild Gottes und zum wahren Leben gehörte vor allem, daß der Mensch ein Herz besaß, in dem Gott wohnte, ein Herz, das ohne Ihn nicht leben konnte, das sich nach Ihm sehnte und sich von Ihm nährte, gleichwie ein Kind sich von der Milch seiner Mutter nährt.

Diesen Durst nach Gott pflanzte Er in der Schöpfung so tief in den Menschen hinein, daß unser Herz ohne Ruhe, ohne Trost und Frieden sein soll, solange es nicht Ihn, den lebendigen Gott, umfaßt und allein in Ihm seine Lust und sein ganzes Vergnügen hat. Weder irdische Lust und Freude, noch Silber oder Gold, keine Kunst oder Wissenschaft, nicht Ehre oder Fürstentum, keine Welt und kein Himmel mit allen seinen Heerscharen sollte das innerste Verlangen und die innerste Sehnsucht des Menschenherzens befriedigen. Der Mensch sollte mitten im Besitz all dieser Dinge arm und elend sein ohne Ihn, den lebendigen Gott, das höchste Gut. Alles andere, welchen Namen es auch immer haben möge, sollte er seiner Sehnsucht für unwürdig halten. Die ganze Welt mit allem, was sie ist und hat, sollte uns auch nicht einen Tropfen Befriedigung für unser durstiges Herz geben. Nach dem Allergrößten und Allerhöchsten, nach dem Unendlichen und Ewigen, nach Ihm allein, unserem Herrn und Gott, sollte uns dürsten. Er allein will unsere Erquickung, unsere Ruhe und Sättigung sein. Darum gestaltete Er unser Herz so, daß es voll unendlicher Sehnsucht, voll Begehren und Verlangen ist. Seine Absicht dabei war, daß Er selbst der Gegenstand dieser Sehnsucht sein wollte.

Jetzt aber fragt es sich: Hat nicht der große Gott noch heute denselben Willen, dieselbe Meinung? Wahrlich, es ist noch heute Sein ernster Wille. Sein erstes und sein letztes Gebot gehen noch heute auf dasselbe hinaus: ,,Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften."

Du bist Sein! Ihm allein gehörst du an, Deinem Schöpfer und Erhalter, Der dir lauter Gutes getan! Von der Jugend bis ins Alter Sollst und darfst du keines andern sein; Du bist Sein!