2Mo 19,4
J.Kroeker
Über unseren Glaubensumgang mit Gott.
"Ihr habt gesehen, was Ich an Ägypten getan, während Ich euch
auf Adlerflügel hob und euch zu Mir brachte." 2.Mose 19,4.
Mit diesen Worten deutete Gott selbst die großen Ereignisse,
die Israel erlebt hatte und nun bereits hinter dem Volke
lagen. Jedes einzelne derselben hatte das eine Ziel gehabt,
das in der Abhängigkeit von Ägypten schmachtende Volk bis zu
Gott zu bringen, damit es von Gott her als dessen Knecht mit
prophetischer Sendung unter die Völker trete. Denn Erlöste
können ihre Erlösung nur im Umgang mit dem Erlösenden finden.
Ohne Gott und nur auf sich und seinen Propheten gestellt,
hätte Israel in der Wüste zuletzt nur ein Massengrab
gefunden. Alles für das Reich Gottes je und je erlöste Leben
trug die Erlösung nicht etwa als eine einmal empfangene Gabe
und Kraft in sich, sondern empfing sie immer neu von Gott
selbst. Nicht das in der Vergangenheit Empfangene, sondern
das im Umgang mit Gott dauernd Empfangende hob Israel
über die anderen Völker weit hinaus. Es gab ihm jene
Sonderstellung, in der es mehr als alle anderen Völker
ausschließlich Gott angehörte. In dem "und habe euch bis
zu Mir gebracht" liegt mithin das tiefste Geheimnis der
Separation des Glaubens für den Umgang mit Gott. Nicht um
die anderen Völker zu verachten, sondern um sie segnen zu
können, sah sich Israel in seiner Geschichte für diesen
Umgang mit Gott berufen. Erst Jünger, die nicht mehr von der
Welt sind, kann Jesus als seine Apostel in die Welt senden.
Selbst vom Worte Gottes lebend, sollte Israel zur Stimme
Gottes für die Völker werden: Das war Inhalt und Ziel seiner
göttlichen Erwählung, die in der erlebten Berufung in Ägypten
ihren geschichtlichen Anfang genommen hatte.
Jeder geistige Umgang mit Gott hat nun zwei Pole: Gott als
den Sprechenden und den Menschen als den Hörenden. Dieses
Reden Gottes und dieses Hören Israels sollte hinfort auch
die verborgene Kraftquelle für den zukünftigen Aufbau des
erwählten Volkes werden. Gott als der aktiv Schaffende,
Israel als der glaubend Empfangende, - und das geschichtliche
Ergebnis würde ein Königreich von Priestern sein, in dem
auch der Kleinste lernen sollte, sein inneres Ohr an den
Mund Gottes zu legen. Denn wie Gott das ganze Volk Pharao
gegenüber als seinen Sohn bezeichnet hatte, so sollte auch
das ganze Volk, nicht etwa nur der Priester, Ihm geweiht sein
und ein Ohr für die Sprache Gottes gewinnen. Hätte Israel
sich auf den Boden seiner Berufung gestellt, es hätte nicht
die Thora, die Worte des Gesetzes auf steinernen Tafeln
empfangen, Gottes unmittelbares Sprechen wäre das lebendige
Wort im Leben des Volkes geworden.