2Mo 3,1
A.Christlieb
Mose blieb im Lande Midian. Er willigte ein, bei Reguel
zu bleiben. Er hütete die Schafe seines Schwiegervaters.
2. Mose 2, 15 - 3, 1
Merkwürdige Gegensätze finden sich in Moses Erleben während
seines Aufenthaltes in Midian. Etliches bleibt wie in
Ägypten, etliches ändert sich. - Gleich zu Anfang wird Mose
Zeuge einer Ungerechtigkeit. Freche Hirten stoßen schwache
Mädchen zur Seite. Was Mose aber in Ägypten nicht vermocht,
das gelingt ihm hier: Er schafft den Unterdrückten Recht. -
Geblieben ist ihm auch der Herzenstrieb zu helfen. Er kann
nicht tatenlos zusehen, wo Ungerechtigkeit sich an Wehrlosen
vergreift. Da muß er beispringen und dem Ohnmächtigen
helfen. Darin sollte ja einst sein Lebenswerk bestehen. -
Vollkommen anders aber war in Midian zunächst die
Ehrenstellung des Mose. Einst war er königlicher Prinz
gewesen. Jetzt ist er nur ein armer Schafhirte. Das mag ihm
doppelt peinlich gewesen sein, sofern es (1. Mos. 46, 14)
einmal heißt: ,,Was Viehhirten sind, das ist den Ägyptern
ein Greuel." - Wie anders war auch seine Stellung dem Gelde
gegenüber. Als königlicher Prinz verfügte er über große
Reichtümer. Jeden Wunsch hatte er sich sofort erfüllen
können. Jetzt galt es, den Kostenpunkt sorgsam in Erwägung
ziehen, wenn er für seine Familie das Notwendigste anschaffen
wollte. - Das Schwerste wird dem Mann, ,,mächtig in Taten",
gewesen sein, daß er Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für
Monat, Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt nichts zu tun
hatte, als hinter der kleinen Schafherde einherzugehen. Die
allerbesten Mannesjahre - er war Vierziger! - verstrichen
mit Nichtigkeiten. Er wurde ein Greis, ein Achtzigjähriger!
Und tatenlos mußte er sein Leben verschleißen in der Wüste.
- Doch hüten wir uns, Gottes Leitung zu kritisieren. Wir
wollen lieber sinnend die göttliche Warteschule bedenken und
uns daran freuen, wie Gott das Werkzeug für die Befreiung
seines Volkes zurüstet.
A.Christlieb
Mose aber hütete die Schafe Jethros, seines Schwiegervaters,
des Priesters in Midian. 2. Mose 3, 1
Mose hat auf seiner Flucht eines Tages Rast gehalten an einem
Brunnen in Midian. Da kamen etliche Hirtinnen, füllten die
Tränkrinnen mit Wasser und wollten ihre Herde tränken. Es
kamen aber Hirten hinzu und stießen die Mädchen zur Seite.
Mose erhob sich, leistete ihnen Beistand und half ihnen beim
Tranken. Der Vater der Mädchen hörte davon und lud Mose ein,
bei ihm zu bleiben. Mose aber wurde so - für 40 lange Jahre
- Hirte in Midian. Welch ein Abstieg aus stolzer Höhe: die
königliche Hoheit hütete Schafe! Zugleich aber auch: welch
ein Aufstieg! Ein armer, kleiner Mensch kommt in die
Hochschule des lebendigen Gottes, der sich zuletzt
ihm in Herrlichkeit offenbart und zu einem Werk von
Ewigkeitsbedeutung beruft. - Vorher freilich gab es allerlei
zu lernen. Vorab: G e d u l d ! In der ersten Tat Moses lag
etwas Ungeduldiges. Er konnte nicht warten, bis Gott selber
Recht und Hilfe schaffte. In der Wüstenhochschule lernt
Mose, auf Gott warten - 40 Jahre lang! Auch Demut mußte Mose
noch lernen. Vor ihm als dem Fürstensohn hatten selbst
Minister und Würdenträger in Ehrerbietung sich geneigt.
In Midian ist Mose zunächst ein heimatloser, besitzloser,
arbeitsloser Mensch. Vom 40. bis 80. Jahr seines Lebens
nur Schäfer! In Gottes Demutsschule lernt man klein werden
in den eigenen Augen. -
Zuletzt galt es, Stille und Einfalt gewinnen. In Ägypten
hieß es: ,,Vieles ist not!" in Midian: ,,Eins ist not: Gott
stille halten." E i n großes Ziel hatte Gott im Auge, Mose
vorzubereiten auf die Stunde, wo er sich ihm im brennenden
Busch offenbaren konnte. Alle Zerstreuungen des Hoflebens in
Ägypten waren mehr als wertlos, verglichen mit dem Segen, den
Mose in der Stille und Einfalt der Wüstenhochschule Gottes
empfing.