1Mo 18,23
C.O.Rosenius
Willst Du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen?
1. Mose 18, 23.
Wir betreten den Hain Mamre und lauschen der denkwürdigen
Unterredung zwischen Abraham und seinen Gästen, während sie
über die Gefilde nach Sodom blicken, das vernichtet werden
soll (1. Mos. 18, 16 - 33). - Der ganze Auftritt ist schon
seiner Art nach so fein - ob man nun auf die Milde des
himmlischen Vaters oder auf das vertrauliche und eifrige
Verhalten Seines gläubigen Knechtes sieht -, daß es die
Herzen aller Gläubigen erfreuen kann. Er zeigt uns aber zu
gleicher Zeit auch, was alle Gläubigen in ähnlichen Zeiten
zu tun haben. Er öffnet uns einen Blick ins Herz eines
gläubigen Freundes Gottes gerade zu einer Zeit, als ein
gottloses Volk mit einem Strafgericht des Herrn heimgesucht
werden sollte.
Noch anziehender aber und den Glauben stärkender ist der
Blick, den er uns in das erbarmende Herz des himmlischen
Vaters öffnet und in den hohen Wert, den Er auf Seine
Gläubigen setzt, da Er wegen nur zehn Gerechter eine ganze
Stadt voll gottloser Verräter verschonen will. Wer in der
Bibel den Bericht in seinem Zusammenhang liest, sieht auch,
wie der himmlische Vater auf den Standpunkt Seines Knechtes
eingeht, Seine Majestät verbirgt und Sein Gottwesen in eine
menschliche Gestalt und Seine Gedanken in menschliche
Redeweisen kleidet, so, als sähe und höre man nur einen
Menschen - und dies alles, um bei Seinem Knecht jede Furcht
zu entfernen und sein Zutrauen ganz an sich zu ziehen. Dies
gelingt Ihm auch. Wir sehen, wie der Glaube des Abraham mehr
und mehr von der Freundlichkeit Gottes entzündet wird, so daß
er Schritt für Schritt in seinen Bitten weitergeht, obwohl er
wegen seiner Kühnheit immer verlegener wird. - Als er hörte,
daß der Herr um fünfzig Gerechter willen Sodom verschonen
wollte, sah er doch ein, daß trotz dieses Zugeständnisses
die bedrohten Städte dem Zorn Gottes anheimfallen mußten.
Darum hielt er es für nötig, immer wieder die Anzahl zu
beschränken; und als er endlich bei zehn stehenblieb und
noch die Versicherung der Gebetserhörung erhielt, schien
es ihm, daß eine weitere Verkleinerung eine Kränkung der
Gerechtigkeit des Allerhöchsten wäre, und daß der Herr, wenn
sich nicht einmal zehn Gerechte finden würden, keinen Einhalt
in dem Urteile Seiner Gerechtigkeit gebieten könne. Deshalb
war der Patriarch zeitig am nächsten Morgen unruhig an
dieselbe Stelle zurückgekehrt, an der er mit dem Herrn
geredet hatte. Mit Besorgnis sah er den Rauch aus dem Tal
wie Rauch aus einem Ofen aufsteigen. Er hatte also einen
tiefen Eindruck von der Gerechtigkeit Gottes erhalten. Er
wußte, daß der folgende Morgen ihm den entscheidenden
Ausschlag geben würde.
Der Herr stand mit Seinem Knechte auf einer Höhe, von der aus
man Sodom und seine Nachbarschaft überblicken konnte. So hat
auch jeder Gläubige durch das Licht des Geistes einen über
die menschlichen Umstände erhabenen Blick und sieht oder
erkennt in den erschütternden Weltbegebenheiten die Gedanken
des Allmächtigen; er sieht, daß es Gottes Wahrheit und Seine
Gerichte sind, die sich darin offenbaren. Der Herr sagte
dem Abraham, was Er mit Sodom und Gomorra tun wollte. Auch
uns offenbart Er durch Sein Wort Seine Ratschlüsse. Wir
wissen: Wenn ein Volk nicht mehr auf die Stimme des Herrn
achtet, sondern frech sowohl Seine Gebote als auch Seine
Barmherzigkeit mit Füßen tritt, dann steigt das Geschrei der
Sünden gen Himmel und der Feuereifer des Allmächtigen wird
in großen Heimsuchungen herabgerufen.
Was wir dann tun sollen, haben wir jetzt gesehen. Wer mit
einem vertraulichen Kindschaftsgeist von Gott begnadet ist,
so daß er mit Ihm wie ein Kind mit seinem Vater reden kann,
der muß diese Gnade anwenden, vor den Herrn hintreten und
vor Ihm mit Fürbitten für die eintreten, die von Seinen
Heimsuchungen bedroht sind. Laßt uns Gebete und Fürbitten
aufsenden für alle Menschen, für die Könige und für die
Obrigkeit, für die Gemeinde Christi und für unsere Nächsten.
Gott will große Dinge tun, am liebsten aber auf die Gebete
Seiner Kinder hin, auf daß Seine Gnade erkannt und gepriesen
werde; darum müssen wir viel von Ihm begehren. Wir sehen,
wie der fromme Patriarch sich demütig sechsmal erbittet, noch
etwas mehr begehren zu dürfen; und nicht ein einziges Mal war
sein Gebet erfolglos. Gott antwortete ihm jedesmal gnädig.
- So oft wir um Erbarmen für Sünder beten, sind auch wir
dessen versichert, daß unser Gebet Gott angenehm ist; denn
es stimmt dann so recht mit Seinem eigenen Herzen überein.
Die Fürbitten der Gläubigen machen zwar die Urteile Gottes
und die Gesetze Seines Gnadenreiches nicht zunichte. Wer
vorsätzlich dem Geist des Herrn widersteht, der kann, wie
wir an den unbußfertigen Juden sehen, nicht einmal durch
Christi eigene Fürbitten und Tränen errettet werden. Dies
aber bewirkt die Fürbitte: Gott tut etwas Besonderes für
diejenigen, die Gegenstand der Gebete Seiner geliebten
Freunde sind. Wir sehen ja, daß der Herr herzlich willig
war, diesen bedrohten Städten zu vergeben, auch wenn nur
zehn Gerechte darin gefunden würden.
Aber noch etwas sollen wir aus dieser Bibelstelle lernen.
Es ist zwar etwas überaus Herrliches, was hier aus dem Herzen
Gottes hervorleuchtet. Sieh, wie teuer vor den Augen Gottes
ein einziger Gerechter ist, der durch den Glauben in Christi
Blut gerecht gemacht wurde, Vergebung der Sünden hat und der
Heiligung nachstrebt. Wegen einiger wenigen solcher will der
Herr eine ganze Stadt voll Gottloser verschonen. Der Herr
Jesus muß dann gewiß einen teuren Schatz auf Erden an all
Seinen dort zerstreuten Gläubigen haben! Dieses müßte uns
innig zu Seinen Füßen hinziehen und tief beugen. Und nächst
der Fürbitte unseres großen Hohenpriesters ist nichts so
bestimmend für die Wege des Herrn mit den Völkern, wie Sein
Herabschauen auf die wenigen Gerechten und ihre Fürbitten.
J.Kroeker
Von der Macht des Gebetes.
"Siehe, ich habe nun einmal angefangen, zu meinem Herrn zu
reden, und ich bin doch Staub und Asche." 1.Mose 18,23.
Je freimütiger der Umgang der Gerechten mit Gott wurde, je
offener sie über das Weh ihrer Zeit mit Gott redeten, desto
tiefer kam ihnen ihre eigene Nichtigkeit und Unwürdigkeit
zum Bewusstsein. Männer, die wie Elia und Jeremia im
öffentlichen Leben und im Kampf mit der Welt als
unerschrockene und unbeugsame Persönlichkeiten standen, an
denen sich alle feindlichen Wellen brechen mussten, lagen in
ihrer Ohnmacht im Staub, wenn sie allein im Allerheiligsten
die Nöte ihres Volkes mit Gott besprachen.
Aber so sehr der Mensch, der den Glaubensumgang mit Gott
gefunden hat, auch "Staub und Asche" ist, so lebt in ihm
dennoch ein Leben, das unendlich mehr als nur "Staub und
Asche" ist. Durch Gottes Offenbarung selbst ist in ihm ein
Leben, ein Mitleid, ein Rechtsempfinden, eine Freimütigkeit
gewirkt worden, in denen er wagt, vor Gott zu treten. Als
solch eine Persönlichkeit stand Abraham vor dem Herrn und
redete mit Ihm nicht über eine Not seiner Seele, oder
seiner Zelte und Herden. Er sprach über die Möglichkeit
der Rettung Sodoms und Gomorras. Denn wer wie Abraham für
eine Weltmission berufen worden, wird eines Tages auch ein
Weltweh auf seinem Herzen tragen. Die Welt öffentlich zu
segnen vermag nur, wer im Verborgenen für die Welt beten
kann. Wahrer Prophetendienst floss daher immer aus einer
mitleidenden Priester- und Prophetenseele.
Eine priesterliche Gesinnung, wie sie in Abrahams Fürbitte
Fleisch wurde, ist ein Beweis, wie sehr Gott Abraham in die
Mitarbeit seines eigenen Geistes hineinzuziehen suchte.
Konnte die zukünftige Weltmission Abrahams doch nur darin
bestehen, Mitarbeiter Gottes zu sein. Das war je und je
wahres Prophetentum, wenn durch den Propheten das Herz Gottes
sprach.
Wenn Abraham nun fragte, ob der Herr die Gerechten wirklich
mit den Schuldigen in den Untergang hineinreißen wolle, so
lag dieser Frage niemals der Gedanke zugrunde, als ob Gott so
ungerecht sein könne, die Gerechten mit dem gleichen Gericht
zu bestrafen, dem die Gottlosen anheim fallen. Wie oft haben
zwar auch Gerechte das Gericht der Ungerechten miterleben
müssen, wie Noah das Flutgericht. Sie durchlebten es aber
als Gerechte immer anders als die Welt. Wer zuvor innerlich
dem entrückt war, was zum Gerichte führte, für den bedeutete
es vielfach weit mehr Erlösung als Gericht. Gerechte können
ein Weltgericht durchleben und doch nicht gerichtet werden.