1Mo 9,20
J.Kroeker
Von Noah und seinem Fall.
"Noah aber begann und legte als Landmann einen Weinberg an.
Als er aber von dem Weine trank, war er trunken und entblößte
sich in seiner Hütte." 1.Mose 9,20 f.
Jeder Fall wird aus einer Versuchung geboren. Nun gibt es in
der Schöpfung Gottes aber keinen Boden, auf dem an sich der
Mensch nicht versucht werden könnte. Auch eine durchs
Gericht gereinigte Erde kann wieder zu einem Versuchungsboden
für den erlösten Menschen werden. Jede Gabe in der Schöpfung
Gottes kann dem Menschen zur Versuchung werden, auch die
allerhöchste. Entweder dient sie ihm, oder sie verführt ihn.
Israel ist an seinen Heiligtümern zugrunde gegangen. Als es
in ihnen erst suchte, was allein in Gott zu finden war,
wurden sie dem Volke zum Anstoß des Verderbens. So fiel auch
Noah einst durch Berauschung an der Frucht seiner Hände.
Sein Sohn Ham fiel, indem er sich ergötzte an der Niederlage
seines Nächsten. Hams Nachkomme Nimrod fiel, als er seine
geistige Überlegenheit missbrauchte zu einem Machtmittel,
seine Brüder zu knechten. Und Babel fiel, indem es auf dem
Weg der Selbsterlösung die Garantien seiner Zukunft suchte.
Bewahrung vor dem Fall kann daher nie in Gaben und
Örtlichkeiten gefunden werden. Sie liegt allein in dem
inneren Verhältnis des Menschen zu Gott. Wohl wird Gott bald
dies, bald jenes als Mittel zur Bewahrung des Menschen
benutzen. Die eigentlichen Garantien jeder Bewahrung und
der Zukunft liegen aber in der dauernden Abhängigkeit des
Menschen von Gott.
Welch eine ungeheure Tragik liegt aber für uns Menschen in
der Tatsache, dass auch der erlöste Mensch wieder fallen
kann. Darin offenbart sich, dass jede von Menschen erlebte
Erlösung zwar zur endlichen Vollendung führen kann, aber
an sich noch keine Vollendung ist. Auch bei einem aus so
schwerem Gericht herausgeretteten Noah nicht!
Wohl ist er nie wieder in die alte Geistesrichtung und
Sinnesart jenes Zeitalters zurückgefallen, aus dem er sich
so wunderbar gerettet sah. Es handelte sich in seinem Fall
nicht um eine prinzipielle Sinnesänderung oder um einen
innerlichen Genuss an verbotener Frucht. Hätte Noah geahnt,
was geschehen würde, er hätte sich nie an dem Saft seines
Weinstocks so weit erfreut, dass er trunken ward.
Und doch, welch ein trauriger Gegensatz liegt in dem Noah,
der auf Gottes Geheiß mit seinen Söhnen in die Rettungsarche
ging und dem, der sich an der Frucht seines Weinstockes
berauschte und nun vor seinen Söhnen seine Nacktheit zeigte.
Aber so war es je und je im Leben der Menschheit, dass auf
jeder innerlich gewonnenen Lebensstufe auch ganz neue
Gefahren für sie lagen. Vielfach erkannte auch der erlöste
Mensch sie erst, nachdem er aufs Neue gefallen war.