1Mo 4,8
J.Kroeker
Von Kain und seinem Fall.
"Da redete Kain mit seinem Bruder Abel. Es begab sich aber,
als sie auf dem Felde waren, da erhob sich Kain wider seinen
Bruder Abel und schlug ihn tot." 1.Mose 4,8 f.
Trotz der empfangenen Gottesoffenbarung war Kain vom
Angesichte Gottes weggegangen, ohne sich ob seiner inneren
Stellung vor Gott gebeugt zu haben. Vor Gott hatte er sich
mit seinem Opfer nicht zu rechtfertigen vermocht, nun
rechtfertigte er sich selbst vor seinem Bruder durch die
Faust. Kain ergrimmte über Gott und versündigt sich am
Nächsten.
Das war je und je in der Geschichte der Weg der
Selbsterlösung, den eine im Geiste Kains lebende Frömmigkeit
wählte. Wenn sich seelenlose Religiosität durch Opfer, die
im Geist und in der Wahrheit gebracht wurden, plötzlich
gerichtet sah, griff sie immer wieder auf Grund ihrer
bevorzugten Stellung zu den ihr zu Gebote stehenden
Machtmitteln und erschlug ihren Bruder. So bereitete Kains
Frömmigkeit Abels Geschlecht noch immer jenen Leidensweg, den
auch Der in der Mitte seiner Brüder ging, dessen Opfer weit
besser redet als Abels Opfer. Kainitische Frömmigkeit konnte
es nie ertragen, wenn sie sich eines Tages durch Abels Opfer
in ihrer Erstgeborenenwürde zurückgesetzt sah. Sie empörte
sich gegen Gott, erschlug aber den an ihrer Seite opfernden,
schwächeren Bruder. Die große Leidensgeschichte der
Jahrtausende von Abel an bis zu dem in Russland gegenwärtig
leidenden Stundistenbruder legt Zeugnis ab, dass Kain es nie
zu ertragen vermochte, wenn Gott dem opfernden Abel mit
Erhörung antwortete. Ob es Synagogen oder Kirchen,
Imperatoren oder Priester waren - reichten die geistigen
Machtmittel der fleischlichen Frömmigkeit nicht aus, so nahm
man den Arm des Staates in Anspruch und schuf den Anbetern im
Geist und in der Wahrheit Kerker und Scheiterhaufen.
So glaubte Kain durch die Faust seine Erstgeburtsstellung vor
Abel und dessen Opferdienst vor Gott vertreten zu müssen.
Allein weder Gott noch Abel konnten je durch äußere
Machtmittel zum Schweigen gebracht werden. Sie redeten
hinfort lauter denn je zuvor im Gewissen Kains. Denn nach
der entsetzlichen Tat fragte Gott Kain: "Wo ist dein Bruder
Abel?"
Wo ist dein Bruder Abel? - Das ist die ergreifende
Gottesfrage, die seitdem kein Mittel der Welt im Gewissen
Kains zum Schweigen bringen konnte! Auch nicht im Gewissen
jener Staaten und Kirchen, die je und je über die Leiche
ihres Bruders hinweg ihre bereits von Gott verworfene
Erstgeburtsstellung und ihren ohne Erhörung gepflegten
Opferdienst allein durch Machtmittel zu behaupten vermochten.