1. Mose

1Mo 3,9 C.O.Rosenius Und Gott der Herr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? 1. Mose 3, 9.

Es ist dies der erste Ruf Gottes an einen Sünder auf Erden und zugleich das erste Mal, daß ein Sünder zur Bekehrung erweckt wird. Der Herr fängt damit an, ihn zu zerschlagen; denn in den Worten ,,Wo bist du?" liegt, wie Luther bemerkt, des Gesetzes Stimme an das Gewissen oder die Meinung und Absicht des Gesetzes, die Sünder von ihrem gefallenen und unglücklichen Zustand zu überzeugen. Keine Kreatur ist vor dem Herrn unsichtbar, sondern vor Seinen Augen ist alles bloß und entdeckt. Aber dennoch ruft der Herr: ,,Adam, wo bist du?" Damit will Er sagen: ,,Jetzt komme Ich, um nach dir zu fragen. Komm nun hervor und antworte Mir! Was ist aus dir geworden? Wo ist nun das herrliche Ebenbild Gottes, das über die Erde herrschen sollte? Und meinst du, daß Ich dich nicht sehe? Du glaubst dich vor Meinem Angesicht verborgen; auf welchem Wege aber willst du entfliehen?" Das enthält die Frage des Herrn. - Deshalb kam Adam jetzt auch sogleich hervor und fing an, sich zu erklären.

Diese rufende Stimme, diesen Ruf ,,Wo bist du?" wird jeder Sünder von Gott vernehmen. Jenes erste Beispiel gilt für alle Zeiten und für alle Kinder Adams. Erstens ist es ein väterlicher Ruf an die Gläubigen, wenn sie gesündigt haben. Solange der gute Geist noch nicht übertäubt und ihre Ohren noch nicht durch den Lärm der Vergänglichkeit und der Lüste taub geworden sind, merken schon Kinder, wenn sie sündigten, oft frühzeitig die Stimme in ihrem Innern: ,,Was hast du gemacht?" Noch mehr, wenn Christen sich unter die Kinder der Welt gemischt und - sei es aus Schwäche, Menschenfurcht oder Menschengefälligkeit - in irgendeiner Weise mit Wort und Tat ihren Herrn verleugnet haben, dann erhalten sie wie Petrus den durchdringenden Blick vom Heiland, der in Ihrem Innern fragt: ,,Wo bist du? Was hast du gemacht?" Alles dies ist des Freundes Schlag, mit dem Er uns zur Bekehrung ruft, eine Erfahrung, die nicht mit allem Gold der Welt bezahlt werden kann! Wehe, ach wehe dem Christen, der diese Blicke, diese Rufe nicht mehr in seinem Innern erhält oder empfindet!

Zum andern ist es ein Erweckungsruf an die geistlich Toten, die ohne Gott in der Welt leben. Mitten im Lustgarten der Sünde, der Verfänglichkeit und der weltlichen Vergnügungen ruft es oft in ihrem Innern: ,,Wo bist du? Es steht nicht recht mit dir; du mußt dich bekehren". Wenn sie einmal zum Herrn bekehrt worden sind, dann bekennen sie, daß sie lange und oft diesen Ruf vernommen haben und vom Herrn gesucht und dadurch oft in ihrer Lust an der Sünde gestört wurden; besonders wenn ,,der Tag anfing, kühl zu werden". Wenn das Vergnügen vorbei ist und sie zur Einsamkeit oder zur Ruhe der Nacht kommen, dann ruft es in ihrem Innern: ,,Wo bist du?" Oder wenn sie das Wort, eine Predigt oder eine Beichtrede hören und beim Abendmahl Gott unter die Augen treten sollen, dann ruft es oft über ihre Sünden, ihre noch nicht geschehene Bekehrung: ,,Wo bist du?" Wer noch nicht durch eine völlige Bekehrung wieder zu Gott gekommen ist, der soll wissen, daß er einmal doch, ob er will oder nicht, vor Gottes Angesicht kommen muß. - Ja, einmal, früher oder später, in der Zeit oder in der Ewigkeit, soll ein jeder Mensch den Ruf hören, so daß es durch Mark und Bein gehen wird: ,,Wo bist du? Was hast du gemacht?" Denn es ist unmöglich, daß ein einziger Sünder dem allmächtigen, heiligen Gott entgehen wird. Deshalb sei nicht sicher! Gott verzieht wohl mit der Strafe und schweigt, als ob Er deine Sünden gar nicht sähe; aber einmal wirst du Seine Stimme hören.

Dies gilt, wie gesagt, für alle Zeiten der Welt und für alle Kinder Adams. Ein jeder muß vor Gott kommen und hier in der Zeit über seine Sünden Rechenschaft ablegen, sonst begegnen sie ihm in der Ewigkeit. Die Sache ist diese: Wir sind alle Sünder, es ist hier kein Unterschied; würden wir danach gerichtet, so würde kein Mensch errettet werden. Der Unterschied ist nur der, daß, während die Gnadenzeit währt, viele sich fern von Gott halten, Ihm beständig fernbleiben und nicht kommen, um Gnade zu suchen und anzunehmen. Jesus sagt: ,,Das ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Denn ihre Werke waren böse." Kommen wir dagegen ans Licht, halten wir mit Gott Abrechnung über unsere Sünden, dann wird alles gut, ob wir auch die größten Sünder wären, wie Gott der Herr sagt - O, daß wir Seine Worte zu Herzen nehmen möchten! -: ,,Kommt und laßt uns miteinander rechten! Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden; und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden." So sagt Jesus auch bei Matth. 18, daß der König, als er seine Knechte zur Rechenschaft rief und einer kam, der ihm zehntausend Pfund schuldig war, demselben die ganze Schuld erließ, als dieser niederfiel und ihn anflehte. So will der Herr auch mit uns handeln, wenn Er uns zur Rechenschaft zieht.

So kommt dann allesamt heran, Mein Heiland nimmt die Sünder an!