1Jo 5,4
C.O.Rosenius
Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und
unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.
1. Joh. 5, 4.
Das elfte Kapitel des Briefes an die Hebräer lehrt, was die
Alten durch den Glauben vermocht, ausgerichtet und erlitten
haben, wobei der Apostel Beispiele von Märtyrern anführt, die
um Christi willen alles verlassen hatten, was ihnen im Leben
lieb war, Eigentum, Haus und Heim, Vater, Mutter, Bruder und
Freunde, ja, selbst das Leben dahingaben, - alles durch den
Glauben. Das heißt die Welt überwinden; denn ihr Fürst,
der Teufel, mit allen seinen Eingebungen, die Welt, die
Ungläubigen mit Drohungen und Versprechen, das Fleisch
mit seiner feinen Empfindlichkeit für Lust und Not, alles
vereinigte sich, sie zu Abweichungen und zur Untreue gegen
den Herrn zu bewegen. Aber alles das überwanden sie; und die
Siegeskraft, die die Welt überwand, war ihr Glaube.
Der Sinn des Wortes ist folgender: Ein wiedergeborener, ein
gläubiger Mensch ist unter keiner Sache Sklave; er kann allem
entsagen, alles leiden, und ist nicht Sklave auch nur einer
einzigen Sünde oder Lust der Welt, ja, nicht einmal in
unschuldigen Dingen. Daß er nicht Sklave ist, bedeutet aber
nicht, daß ihm das Böse nicht anklebt, auch nicht, daß er
nicht in einer bösen Stunde von der Sünde übereilt und
umgestoßen werden könne, sondern es bedeutet, daß er nicht in
der Sünde verbleibt, nicht Sünde tut wie etwas, mit dem man
fortfahren dürfe oder das man nicht entbehren oder aufgeben
könne - wie ein Sklave, der jeden Morgen gezwungen wird,
unter dasselbe Joch, an dieselbe Arbeit zu gehen. In
derselben Weise herrschen auch die Sünde und die Welt über
ihre Sklaven, ob sie auch zuweilen darunter leiden, weinen
und klagen. Wo kein Glaube ist, da ist keine Siegeskraft,
keine Erlösung; sie bleiben in bezug auf eine gewisse Sünde
stets in derselben Knechtschaft, - beachte, in bezug auf eine
gewisse Lieblingssünde. Denn man kann wohl viele äußere
Sünden ablegen, ohne die Kräfte der Gnade zu besitzen. Wer
aber von Gott geboren ist, ist nicht Sklave unter irgendeiner
Sünde, wenn sie auch stets eine ihm anklebende Versuchung
ist, gegen die er täglich in Fehde liegen, wachen und beten
muß. Vor allem aber ist der Mensch Sklave unter der Sünde,
der nicht einmal gegen sie streitet und betet, sondern sie
sogar entschuldigt und verteidigt.
Wir sagten soeben, daß ein Wiedergeborener nicht einmal
Sklave unter unschuldigen Dingen ist. Es ist z. B. eine
unschuldige, ja, eine gute und im Worte befohlene Sache, daß
ein Kind seinen Vater und seine Mutter liebt; aber Christus
sagt: Wer Sklave darunter ist, wer Vater und Mutter nicht
um Meinetwillen verlassen kann, wenn es notwendig wird, der
kann nicht Mein Jünger sein. Es ist eine unschuldige Sache,
Ländereien, Hof, Frau usw. zu besitzen; wenn aber solches
so den Sinn beherrscht, daß man nicht zur Hochzeit und zum
Abendmahl kommen, nicht Jesus folgen kann, dann gereicht es
zum Tod. Wie gesagt, der Glaube und die Neugeburt bewirken
nicht, daß die Gefühle, Schwachheiten und Kämpfe der Natur
ausbleiben. Es geht darum, daß man, sobald es gilt, sie
besiegt und beim Herrn bleibt, wie Asaph sagt: ,,Es tut mir
wehe im Herzen und sticht mich in meinen Nieren ... dennoch
bleibe ich stets bei Dir, wenn mir gleich Leib und Seele
verschmachten." Das heißt, ,,die Welt überwinden".
Bin ich zwar religiös, andächtig und gottesfürchtig, wenn
aber eine meiner Lieblingssünden oder eine an und für sich
unschuldige Sache mich anficht und ich bestehe die Probe
nicht oder lasse die Sache nicht fahren und kann meinen
Schatz und mein Genüge nicht im Herrn haben, sondern folge,
wohin die Versuchung mich zieht, werde also überwunden -,
dann habe ich nicht den rechten Gott zum Vater und zum Schatz
des Herzens, dann habe ich nicht die Siegeskraft der
Neugeburt und des Glaubens. ,,Alles, was von Gott geboren
ist, überwindet die Welt." Luther sagt darüber: ,,Und das
soll das Wahrzeichen der rechten Christen sein, dabei man
erkenne, daß sie von Gott geboren seien, und sie unterscheide
von den falschen Kindern, welche allein den Schaum behalten
von dem Wort Gottes, aber die Kraft desselben nimmer
erfahren; davon wird nun ein Mondkind, da kein recht göttlich
Leben noch Kraft ist. Es heißt allhier nicht, von Gott
geboren zu sein und doch in dem alten, toten, weltlichen
Wesen zu bleiben und nach des Teufels Gefallen in Sünden zu
liegen und zu leben, wie du zuvor gewesen bist, sondern dem
Teufel und seinem ganzen Reich zu widerstehen. Darum, so du
nicht die Weit überwindest, sondern dich überwinden läßt,
magst du wohl vom Glauben und von Christus rühmen, aber deine
eigene Tat zeugt wider dich, daß du nicht Gottes Kind bist."
Du willst ein Christ sein, zu gleicher Zeit aber bei der Welt
oder auch nur bei gewissen Weltmenschen in Gunst stehen.
Wenn du dich ihnen aber gleichstellen mußt, dann tust du das
in dem Grade, daß du von solchen geliebt und geehrt wirst,
die nicht nach deinem Herrn fragen, Ihn nicht lieben und
ehren. Wovon kann das zeugen? Gewiß nicht nur von einem
Verleugnen des Petrus, wodurch er doch nicht der Welt Freund
wurde, da er hinausging und bitterlich weinte und sowohl
vorher als auch nachher ein offenbarer Jünger Jesu war,
sondern es zeugt von fortdauerndem und herrschendem
Sichgleichstellen mit der Welt und von einer Untreue gegen
den Herrn. Es zeugt davon, daß dir die Kraft der Neugeburt
und des Glaubens fehlt; denn der Welt Freundschaft ist Gottes
Feindschaft. - Darum prüfe dich!
Das heißt nur Jesum Christum nennen
Und seinem Herzen ferne sein,
Sich selber nicht im Grunde kennen
Und also nicht um Gnade schrei'n;
Und weil sich's Fleisch u. Blut kommode
Und niemals gerne sauer macht,
Ein Christentum nach seiner Mode
Erwählet, das die Welt erdacht