1Jo 2,1
C.H.Spurgeon
,,Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem
Vater, Jesus Christus, der gerecht ist."
1 Joh. 2, 1.
Ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher. Ja, obgleich
wir sündigen; wir haben Ihn noch. Der Apostel Johannes spricht
nicht: ,,Ob jemand sündigt, so hat er seinen Fürsprecher
verscherzt;" sondern: ,,wir haben einen Fürsprecher," ob wir
gleich Sünder sind. Alle Sünde, die ein Gläubiger je begangen
hat, oder die ihm zu begehen noch zugelassen wird, kann seinen
Anteil an dem Herrn Jesu Christo als seinem Fürsprecher nicht
aufheben. Der Name, der hier unserm Herrn gegeben wird, ist
vertrauenerweckend: ,,Jesus." Ach, dann ist Er ein Fürsprecher,
wie wir Ihn brauchen; denn Jesus ist der Name eines solchen,
dessen Pflicht und Freude es ist, zu erretten. Sein Name ist
Jesus, denn Er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden;
sein lieblichster Name schließt sein Werk ein. Danach heißt es:
,,Jesus Christus." Christus, der Gesalbte: das zeigt seine
Vollmacht als Fürsprecher an. Christus hat ein Recht zur
Fürsprache, denn Er ist des Vaters bestätigter Fürsprecher und
erwählter Priester. Wenn wir Ihn gewählt hätten, möchte es
mißlich ausfallen, wenn aber Gott die Hilfe einem Starken
aufgetragen hat, so dürfen wir unsre Not getrost da niederlegen,
wo Gott seine Hilfe zugesagt hat. Er ist Christus, und darum zu
seinem Werk auserkoren; Er ist Christus, und darum geeignet zu
seinem Amt, denn die Salbung verleiht Ihm die rechte Gewalt. Er
ist ein solcher Fürsprecher, der das Herz Gottes bewegt und
überwindet. Welche rührende Worte, welche überzeugende Sprache
stehen Ihm zu Gebote, wenn Er sich meiner annimmt! Es bleibt
noch eine Bezeichnung seines Namens übrig: ,,der gerecht ist."
Das ist nicht nur seine Würde, sondern auch sein
Verteidigungsgrund. Es ist seine Würde, und wenn der Gerechte
mein Fürsprecher ist, dann ist meine Sache eine gute Sache,
sonst hätte Er sich ihrer nicht angenommen. Es ist sein
Verteidigungsgrund, denn Er begegnet der Anklage der
Ungerechtigkeit gegen mich durch die Berufung auf seine
Gerechtigkeit. Er erklärt sich als meinen Stellvertreter und
rechnet mir seinen Gehorsam zu. Meine Seele, du hast einen
Freund, der gar wohl zu deinem Fürsprecher geeignet ist; es
kann Ihm nur wohl geraten; überlaß dich völlig seiner Fürsorge.
D.Rappard
Ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher
bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist.
1. Joh. 2,1.
Der Gedanke von Rö 8,34 ,,Christus ist hier, welcher ist zur
Rechten Gottes und vertritt uns" findet hier eine herrliche
Bestätigung. Es ist interessant zu beachten, daß das
Wort, das hier mit F ü r s p r e c h e r (Paraklet) übersetzt
wird, dasselbe ist, das Jesus brauchte, als er seinen Jüngern den
Heiligen Geist, den T r ö s t e r, verhieß. Christus ist unser
Vertreter bei dem Vater; der Heilige Geist ist Vertreter bei
uns, das eröffnet ein weites Gebiet zu seligem Nachsinnen.
Schon allein die Gegenwart Jesu vor Gott ist eine beredte
Fürsprache. Eine Geschichte aus dem Altertum soll diese Wahrheit
beleuchten. - Ein junger Grieche hatte ein Verbrechen
begangen, das mit dem Tode bestraft werden sollte. Man war
im Gerichtssaal versammelt und erwartete den endgültigen
Urteilsspruch. Da sah man, wie der Richter erbleichte und
unverwandt auf einen Punkt hinschaute. Aller Augen wandten
sich dahin und erblickten einen Mann, der stehend, schweigend
den vernarbten Stumpen seines rechten Armes emporhob. Man
kannte den Mann. Es war ein Held, der im Kampfe fürs
Vaterland seinen Arm verloren hatte. Er war aber zugleich
der Bruder des Verurteilten. Da brach von der Menge der Ruf
los: ,,G n a d e! G n a d e!" Und der Richter bestätigte:
,,G n a d e f ü r d e n V e r b r e c h e r u m d e s
v e r w u n d e t e n B r u d e r s w i l l e n!"
Ja, daß Dein Blut für mich redet vor dem
heiligen Gott, das, das ist meine Zuversicht
alleine, sonst weiß ich keine.
C.O.Rosenius
Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei
dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. 1. Joh. 2, 1.
Hier redet Johannes die Gläubigen an, indem er sie ,,meine
Kindlein" nennt. Er ermahnt sie, daß sie nicht sündigen. Zu
gleicher Zeit aber setzt er voraus, daß es doch geschehen
könnte. Was sagt er nun von einem solchen? Was soll
derjenige denken und tun? Er soll in solchen Augenblicken
dessen eingedenk sein, daß er einen Fürsprecher bei dem Vater
hat. ,,Und ob jemand sündigt, so (dann) haben wir einen
Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist.
Und derselbe ist die Versöhnung." Der Geist der Worte des
Apostels scheint dieser zu sein: ,,Meine Kindlein, solches
schreibe ich euch, daß ihr nicht sündigt, nicht unachtsam
seid, jetzt, wo ihr in dem Blut Jesu Christi gereinigt seid
und die Vergebung der Sünden erhalten habt (denn so hat er
eben vorher geredet), sondern ihr sollt jetzt desto fleißiger
gegen alle Sünden wachen, beten und streiten. Wenn es aber
doch so übel geht, daß ihr in fleischlicher Schwachheit durch
die Verführung der Welt und die List des Teufels sündigt -
was leicht geschehen kann, denn ihr könnt nie so treu wachen,
daß diese Feinde euch zuweilen nicht doch überwältigen werden
-, dann ist das gewiß beklagenswert. Es wäre besser gewesen,
wenn ihr nicht so gesündigt hättet, zumal ihr dadurch
wirklich die Ungnade und Verwerfung Gottes verdient habt.
Aber nun will Gott euch dennoch nicht ungnädig werden, denn
ihr habt einen Fürsprecher bei dem Vater, der euch gerade
dann von Nutzen ist, wenn ihr gesündigt habt. Denn wer nicht
gesündigt hat, der bedarf keines Mittlers, Versöhners und
Fürsprechers. Gott will also keineswegs, daß ihr sündigen
sollt, noch weniger aber, daß ihr verzweifeln und umkommen
sollt; darum hat Er euch einen Fürsprecher gegeben."
Nun fügt Johannes von Christus noch das Wort ,,der gerecht
ist" hinzu. Das soll heißen: Bin ich sündig, dann ist
Christus gerecht und heilig; und das ist genug. Seine
Gerechtigkeit ist meine Gerechtigkeit. - ,,Und derselbe ist
die Versöhnung für unsere Sünden." Für welche Sünden? Gewiß
für alle; denn sonst wäre Er uns nicht von Nutzen, ja, dann
wäre Er vergeblich gestorben. Aber Christus hat mit Seinem
Blut wahrlich nicht nur einige Sünden, sondern alle, und
nicht nur erträumte und eingebildete, sondern wirkliche
Sünden, nicht nur die kleinen, sondern auch die großen, nicht
nur die Sünden der Hand und der Zunge, sondern auch die des
Herzens und der Gedanken, nicht nur die vergangenen, sondern
auch die gegenwärtigen, oder wie Luther zu sagen sich
erkühnt, ,,nicht nur die überwundenen und getilgten, sondern
die unüberwundenen und starken, gewaltigen Sünden" gesühnt.
Sagst du nun: ,,Ja, Christus ist sicher eine Versöhnung für
die Sünden der Heiligen, wie z. B. eines Johannes, Petrus,
Paulus oder anderer solcher, wer aber weiß, ob auch für die
meinigen?", dann antwortet Johannes hier: ,,Nicht allein aber
für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt". Das
bedeutet: nicht nur für Johannes, Petrus, Paulus und andere
Heilige, sondern ,,der Welt" gehört alles an, was Mensch
heißt. Untersuche nur, ob du ein Mensch bist, dann weißt du,
daß auch deine Sünden gesühnt und durch Jesu Tod weggenommen
sind.
Vielleicht möchtest du hier einwenden: Dessen darf ich mich
nur trösten, wenn ich fromm gewesen bin, wenn ich das getan
habe, was das Wort Gottes fordert, und wenn ich nicht
gesündigt habe." Der Apostel aber sagt: ,,Und wenn jemand
sündigt, dann haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater."
Achte genau auf dies kleine Wort dann, denn darauf beruht das
ganze Gewicht und der ganze Wert dieses Spruches. Wir wollen
gern die Versöhnungsgnade glauben und schätzen, aber nur
dann, wenn wir selbst besser und andächtiger gewesen sind,
wenn wir gebetet, gelesen oder etwas Gutes getan haben.
Sobald wir aber gefallen sind und gesündigt haben oder das
Gebet versäumt haben und kalt gewesen sind, lassen wir
Christus mit Seiner Versöhnung nichts gelten, dann ist uns so
zumute, als hätten wir keinen Heiland und Fürsprecher, oder
als wäre Er nur für die Gerechten gekommen und als diente Er
uns nur dann, wenn wir so sind, wie wir sein müßten. Aber
der Apostel sagt hier das Gegenteil: ,,Gerade, wenn wir
gesündigt haben, ist uns der Fürsprecher von Nutzen." Hieraus
folgt, daß diejenigen, die an Christus glauben, in einer
beständigen Gnade sind, die nicht so schwankt und wechselt
wie ihre eigene Frömmigkeit.
Das ist nun die in allen Worten des Herrn offenbarte Lehre
von der täglichen und ewigen Sündenvergebung, eine so
liebliche und tröstliche Lehre, daß Heuchler oder falsche
Christen sie nicht hören sollten, weil dies gewöhnlich zu
ihrer eigenen Verdammnis geschieht; denn ,,sie ziehen die
Gnade unseres Gottes auf Mutwillen." Und doch ist es uns
nicht erlaubt, sie zu verschweigen, sondern sie muß zum
Trost und zur Seligkeit der elenden, verzweifelten und armen
Herzen ausgesprochen werden. Gerade sie schöpfen aus der
überströmenden Gnade erneute Lust und Kraft zur Heiligung.
Diejenigen dagegen, die daraus nur Anlaß zur Sicherheit und
zum Verbleiben in der Sünde nehmen, die nicht ihre Sünden
zu überwinden und abzulegen suchen, sondern sie lieber
entschuldigen und verteidigen, diese sind es, die ,,die Gnade
unseres Gottes auf Mutwillen ziehen" und Sünde tun, wovon
derselbe liebevolle Johannes sagt: ,,Wer Sünde tut, ist vom
Teufel; wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, kann
nicht sündigen (Sünde tun), denn er ist von Gott geboren.
So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns
selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. So wir aber
unsere Sünde bekennen, so ist Er treu und gerecht, daß Er
uns die Sünde vergibt und reinigt uns von aller Untugend."