1Jo 1,1
C.O.Rosenius
Das wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unseren
Augen, das wir beschaut haben und unsere Hände betastet
haben vom Wort des Lebens, ... das verkünden wir euch.
1. Joh. 1, 1 u. 3.
Welch mächtiger Trost und welche Stärke war es für den
Apostel Johannes, daß er so zeugen konnte! Es ist die
triumphierende Gewißheit, die hiermit ausgesprochen wird: Ich
verkündige nichts Ungewisses, sondern das, was ich mit meinen
Augen gesehen, mit meinen Ohren gehört und mit meinen Händen
betastet habe. Johannes war der Glückliche, der an der Brust
Jesu gelegen, mit Ihm gewandelt, geruht und gewacht, an
Seinem Kreuze gestanden hatte und auch bei Seiner Himmelfahrt
zugegen war. So wundern wir uns nicht, daß Johannes mit
Freuden alles tun und leiden konnte. Er hat sich auch in
seinem Evangelium auf sein eigenes Schauen berufen: ,,Wir
sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des
eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."
Ebenso hat auch der Apostel Petrus triumphiert und sein
Zeugnis mit seinem eigenen Schauen bekräftigt: ,,Wir sind
nicht klugen Fabeln gefolgt," sagt er, ,,da wir euch
kundgetan haben die Kraft und Zukunft unseres Herrn Jesus
Christus, sondern wir haben Seine Herrlichkeit gesehen!" Gott
sei Lob und Preis!
,,Aber", so sagst du, ,,welche Gewißheit haben denn wir, die
wir es nicht mit eigenen Augen gesehen haben?" Gott sei Lob
und Preis! In Vers 9 des fünften Kapitels seines ersten
Briefes sagt Johannes: ,,Wer an den Sohn glaubt, der hat
solches Zeugnis in sich selbst," der hat gesehen und
beschaut! ,,Gott hat sich nicht unbezeugt gelassen." Wer dem
Zeugnis Gottes nicht glaubt, der ist mit allem Recht mit
Blindheit geschlagen; er sieht nichts, selbst das nicht, was
gerade vor ihm steht, wie wir an den ungläubigen Juden sehen,
die ebenso wie Johannes und Petrus den Herrn Jesus und alle
Seine Werke vor Augen hatten, und doch sahen sie nichts.
Derjenige aber, der an den Sohn Gottes glaubt, sieht in
Ihm ,,Urim und Thummim", Licht und Vollkommenheit, und geht
auch täglich mit Ihm um. Sollte er Ihn dann nicht kennen?
Wer an den Sohn Gottes glaubt, sieht herrliche Dinge, zuerst
in sich und in der Geschichte seines Lebens, nämlich eine
neue Schöpfung, die nicht weniger bewunderungswürdig ist
als die erste Schöpfung. Ferner sieht er um sich her viele
Bestätigungen des Wortes Gottes. Was sieht er z. B. in den
Überresten des alten Israel, den Juden, die unter uns wohnen,
oder gar in der Erbärmlichkeit der Götterlehren aller Heiden?
Was sieht er in der bloßen Tatsache, daß das Wort von dem
Gekreuzigten nicht mit Seinem Tod aufhörte, sondern in alle
Lande hinausgegangen ist? Was braucht er mehr zum Beweis für
die Auferstehung Christi oder um zu wissen, wer dieser Herr
war? Ist alles das nicht ein Sehen? Dank und Lob, o Gott!
Wir haben gesehen, wir haben geschaut. Aber man muß sich
unter die gewaltige Hand Gottes demütigen und um Gnade, um
geistliche Augen und um Licht bitten; denn dies kommt nur von
oben herab, von dem Vater des Lichts.
Das andere, was Johannes uns hier lehrt, ist dieses, daß wir
täglich mit dem Wort des Lebens umgehen müssen. Dies deutet
er mit den mehrfach wiederholten Worten an: ,,Das wir gehört
haben, das wir gesehen haben mit unseren Augen, das wir
beschaut haben und unsere Hände betastet haben vom Wort des
Lebens." Dies nämlich ist die andere notwendige Bedingung, um
einen alles besiegenden Trost in und eine innige Freude über
Jesus zu haben, daß wir nämlich diese Dinge nicht nur gehört
oder gesehen haben, sondern wieder und immer wieder hören,
sehen und beschauen und aufs neue beschauen und ,,betasten"
oder mit diesen unseren himmlischen Reichtümern umgehen.
Hier liegt das Geheimnis, Kraft und Trost im Herzen zu haben.
Wir berühren damit einen Punkt, auf dem alles beruht. Hier
liegt auch die Ursache, weshalb so wenig Friede, Freude und
Kraft in unseren Herzen wohnen. Wir beschauen alles andere
tausendmal, nur nicht das, was Leben und Frieden gibt.
Mitten unter einem fleißigen Hören und Lesen kann man doch
das Auge seiner Seele nur auf sich oder auf das Elend
gerichtet haben; - in die Herrlichkeit Christi aber und
in die ewige Auserwählung Gottes, in unsere himmlischen
Reichtümer also, kann man sich nicht versenken. Was helfen
dann alle Wort Gottes? Was unsere Seele beschaut und
womit sie umgeht, das erfüllt das Herz. Es ist darum eine
beklagenswerte Schwachheit vieler Christen, daß sie so wenig
das Große, Herrliche betrachten, das sie mit Friede und
Freude erfüllen würde. Stattdessen beschäftigen sie sich
mit Dingen, mit denen Qual und Unruhe verbunden sind. Was
man am meisten betrachtet, davon hat man auch den stärksten
Eindruck. Gott helfe uns, Sein Wort auch in dieser Beziehung
ganz ernst zu nehmen! Auch sollten wir einander dazu
verhelfen mit Ermahnungen und Aufmunterungen, auf daß wir
anfangen möchten, fleißiger mit unserem großen Reichtum in
Christus umzugehen. Es gibt ja keine andere Weise, Freude
und Stärke ins Herz zu bekommen. Luther, der täglich nichts
anderes tat, als im Worte und in der Lehre zu arbeiten, nahm
wegen des Bedürfnisses seiner eigenen Seele täglich die
Glaubensartikel und die zehn Gebote Gottes und einige
wohlbekannte Sprüche von Christus vor sich, die er aufs neue
zum vielleicht schon tausendsten Mal betrachtete. Kein
Christ hat bis jetzt eine andere Weise gefunden, Kraft im
Herzen zu gewinnen und zu behalten. Möchte Gott uns helfen,
dieses ins Werk zu setzen!
Jesu, Du bist unaussprechlich
Herrlich Deinem Kind.
Gnad' und Frieden, Heil und Leben
Herr in Dir ich find!