1Petr 5,8
C.H.Spurgeon
Efeu an der Mauer.
»Seid nüchtern, wacht! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher
wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen könne.«
1. Petr. 5, 8.
"Des Menschen verderbte Natur hat man mit einem wilden
Feigenbaum verglichen, oder mit Efeu, das an einer Mauer
wächst, von dem man Stamm, Zweige, Sprossen und Äste
abschneiden kann, und doch wird noch etwas da sein, das
wieder aufschießt, so lange bis die Mauer zerstört wird."
Wenn wir meinen, daß wir ziemlich fertig mit der Sünde sind, so
schießt sie plötzlich wieder auf und scheint so kräftig wie eh
und je. Wie man von einem Baume sagt: "Beim Geruch des Wassers
wird er Knospen treiben," so ist es mit unsrer verderbten
Natur, bei der ersten Gelegenheit wird sie Sprossen treiben.
Ruhmredige Christen haben davon geschwatzt, daß für sie keine
Wahrscheinlichkeit des Sündigens mehr vorhanden wäre, aber
erfahrene Gläubige fühlen in der Tiefe ihres Herzens das Böse
ihrer Natur, und wandeln deshalb demütig mit Gott und schreien
zu Ihm, daß Er sie vor dem Bösen bewahre. Oft geschieht es,
daß der Prahler überlistet wird von dem Feind, den er tot
und begraben glaubte, während der wachsame, sorgfältige
Christ inmitten der heißesten Versuchungen bewahrt bleibt
und fähig gemacht wird, seine Integrität aufrecht zu halten.
Wir mögen wohl an die Lebenskraft des Bösen glauben, wenn wir
sehen, wie es die Bemühungen der Gnade überlebt; und doch kann
und will der Herr Jesus es zerstören, Wurzel und Stamm, und
wir werden Ihn ewiglich anbeten, wenn dieses wunderbare Werk
vollendet ist.
Göttlicher Meister, reiße aus mir die Wurzel der Bitterkeit
heraus, und nimm hinweg die Torheiten, die sich um meine
Seele schlingen.
(Th.Manton)
C.O.Rosenius
Seid nüchtern und wacht! 1. Petr. 5, 8.
Ein Weg, auf dem manche Kinder Gottes das Leben verlieren,
ist die ,,geistliche Trägheit", das Weglegen der Waffen, das
Versäumen der Gnadenmittel sowie der Übung des Glaubens und
der guten Werke. Im Anfang des Gnadenlebens war es so lieb,
mit dem Worte umgehen zu dürfen und von Christus, vom
Glauben, von der Gnade, von der Liebe und von guten Werken zu
lesen, zu hören, zu reden oder zu schreiben, sowie im Gebet
mit seinem Gott zu reden und am Abendmahlstisch von Ihm sich
speisen zu lassen. Da waren alle diese Stücke auch dem
Herzen lieblich und angenehm, und das ganze Wesen war
christlich. Dann aber wurde dies alles weniger wichtig. Es
kamen z. B. neue Verrichtungen und Hindernisse. Der Teufel
machte diese sehr wichtig und flößte der Seele außerdem ein,
da sie ja doch wisse, was sie zu wissen nötig habe, so könnte
sie jetzt eine Zeitlang vom Gedächtnis leben und hoffen, daß
Gott das Leben wohl bewahren würde. - Kann der Teufel dich
jetzt vom Wort hinwegführen, dann kann er dich nachher
leiten, wohin er will. Dies ist der Weg zu allerlei Abwegen,
Übertretungen und zum Fall. Bald sieht der Mensch nicht mehr
Sünden bei sich als diejenigen, die die Vernunft bestraft,
und bald glaubt er nicht mehr von der Gnade, als er sich
würdig hält, glauben zu dürfen. Weil aber das Sündengefühl
abstirbt, hat er trotzdem genügenden Trost, und er steht bald
wieder in einem bloßen Naturzustand da.
Zur geistlichen Trägheit gehört auch, die Befolgung des
Wortes zu versäumen und die Stimme des Geistes nicht zu
beachten. Anfangs wollte der Mensch alles tun, was der Herr
uns befohlen hat; er wollte auf alle christlichen Pflichten
achten. Gewiß konnte er nicht alle erfüllen, aber er strebte
eifrig danach und hielt jeden Mangel für eine Sünde, die er
vor Gott beklagte, und bat um Vergebung sowie um Gnade und
Kraft zur Besserung. Jetzt dagegen fängt er an, sich ein
gewisses Ziel zu stecken, wieviel er selbst tun kann und
soll; alles übrige unterläßt er ganz, strebt nicht danach,
denkt nicht daran. Wenn er aber nicht nach mehr strebt als
nach dem, was er schon tut, dann wird die natürliche Folge
sein, daß er keinen Mangel zu bereuen hat und daß er bald so
gut zu sein wähnt, wie er sein will. Alle
Selbstzufriedenheit rührt von der Trägheit und vom Vergessen
der Heiligkeit Gottes und der geistlichen Forderungen der
Gebote des Herrn her.
Wenn der Mensch jetzt mit sich zufrieden ist und keine
weiteren Schulden und Mängel fühlt, was ist dann der Glaube
und das ganze geistliche Leben? Was ist dann Christus für
ihn? Ein Traumbild oder vielleicht ein Heiligmacher, aber
kein Fürsprecher bei dem Vater; ein König, den man kennen,
ehren und dem man huldigen soll, der aber in Wahrheit in der
Tiefe des Herzens nicht so wichtig und unentbehrlich ist, wie
ein Fürsprecher es wäre, der für uns vor dem Angesicht Gottes
steht und der stündlich unsere alleinige Gerechtigkeit ist.
Kurz, der Heiland, der Versöhner hat für das Herz sein
rechtes, eigentliches Amt und Seinen wahren Wert verloren; Er
ist nicht in Wahrheit des Herzens Leben und Trost, sondern
ist es nur in der Einbildung und im Mund. Und ist das erste
Stück, Buße und Sündenerkenntnis, verloren, dann ist sowohl
das zweite als auch das dritte falsch. Auf diesem Wege wird
aus einem Christen ein Pharisäer.
Diese Trägheit hat auch eine andere unglückliche Folge,
nämlich die Leere in der Seele - jene Müßigkeit, Sattheit,
Lauigkeit und Sicherheit, durch die dem Teufel und seiner
Gesellschaft alle Pforten geöffnet werden. Wenn kein Streit
und keine Siegesfreude mehr da ist, keine Sünde und Not, kein
Gebet, keine Freude über die Gnade, kurz, keine Übung mehr zu
finden ist, dann ist das Christentum bald ausgelernt und hat
nichts anderes mehr in sich, als nur Überdruß und Last. Dies
ist der Zustand, den Jesus Matth. 12, 44 so nennt, daß das
Haus gekehrt und geschmückt ist. Da kehrt der Teufel ein und
gibt der Seele eine Beschäftigung im Überdruß, eine
Ausfüllung in der Leere, einen Abgott oder eine Sündenlust,
die er als sehr angenehm und lieblich und als gar nicht
gefährlich darstellt. Sie schmeckt nun ungewöhnlich gut nach
dem Fasten, weil es vorher so leer, so einsam war; es war
keine Übung, kein Schatz, keine liebe Gesellschaft für das
Herz da. Das Menschenherz aber ist so beschaffen, daß es
immer eine Ausfüllung, einen Schatz, eine Gesellschaft haben
will. Wenn nun der Schatz vermißt wird, wenn die Freude über
die Gnade, der Umgang mit Gott und der Abba-Ruf aufgehört
haben, dann schmecken und ergötzen diese neuen Dinge, dann
saugt das Herz wie ein Schwamm das Wasser in sich, was der
Teufel bietet. Und mit dieser Lust und diesem Götzen -
z. B. Freundschaft der Welt, oder Ehre der Welt und
Auszeichnung, oder irdischer Gewinn, oder Wollust oder ein
anderer Götze geht der alte ,,Starke" mit seinen sieben noch
ärgeren Geistern hinein, ,,und sie wohnen allda".
Es ist wahr, daß jeder Christ sich viel geistliche Trägheit
und Versäumnis vorzuwerfen hat. Dabei muß aber ein
Unterschied beachtet werden: Die beklagte Trägheit ist oft
nur ein Vermissen der Lieblichkeit des Gefühls, während die
Christen doch täglich in der Übung stehen, die Gnadenmittel
anwenden und danach streben, sowohl zu glauben als auch zu
lieben. Wenn wirkliche Trägheit eintritt, lassen diese sich
aber durch den Geist des Herrn strafen und erwecken, so daß
sie davor erschrecken und anfangen, das Wort zu ergreifen und
bei Gott Gnade zu suchen, um besser zu werden. So stirbt das
Leben doch nicht aus. Geht es aber hingegen so, daß man
keine Bestrafungen für seine Trägheit fühlt oder keine Zeit
erhält, den Wirkungen des Geistes zu lauschen, daß es
vielmehr so übel, wie es ist, weitergehen darf, dann gereicht
es zum Fall und zum Tod.