Jak 3,17
C.Eichhorn
Die himmlische Weisheit im Leben der Frommen
Die Weisheit, die von oben her ist, ist aufs erste
keusch, danach friedfertig, gelinde, läßt sich sagen,
voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch,
ohne Heuchelei. Jak. 3, 17
Gottes Weisheit prägt sich im Wesen und Wandel wahrer
Gotteskinder aus. Jakobus unterscheidet die Weisheit von
oben von der irdischen, natürlichen oder gar teuflischen
Klugheit. Die letztere wird ganz und gar von der Selbstsucht
bestimmt. Sie versteht es, alles ihren eigennützigen
Absichten dienstbar zu machen. Die Weisheit von oben ist
aufs erste keusch oder rein. Sie hat eine Scheu, ja Abscheu
vor allem Sündenschmutz und Unreinheit. Sie treibt uns,
einzig Gott zu gefallen, sie macht grundlauter. Sie wehrt
allen unreinen Begierden, die alles Edle und Zarte der Seele
verwüsten. - Sie ist friedfertig. Sie räumt die Ursachen
gegenseitiger Störung aus dem Weg. Sie kann um Verzeihung
bitten, wenn sie Unrecht getan hat. Sie vergibt und trägt
nicht nach. Sie ist bemüht, wo sie nur kann, Hader und
Streit beizulegen, erregte Herzen zu beruhigen durch
sanftmütigen Zuspruch. - Sie ist gelinde und wirkt daher wie
die linden Frühlingslüfte, denen Eis und Schnee weichen
müssen. Eine linde Antwort stillt den Zorn (Spr. 15, 1).
Eine linde Zunge bricht die Härtigkeit (Spr. 25, 15). Der
selbstsüchtige Mensch dagegen ist hart, unfreundlich und
übellaunig. - Sie läßt sich sagen: Der Weise besteht nicht
starr- und eigensinnig auf seiner Meinung. Er nimmt willig
und dankbar an, wenn er auf einen Fehler oder Irrtum
aufmerksam gemacht wird (Ps. 141, 5). Er läßt sich
umstimmen, wie Jesus durch den Glauben der kananäischen Frau.
Er fühlt sich nicht unfehlbar. Durch demütige Aufnahme der
Zurechtweisung wächst er in der göttlichen Einsicht. -
Die himmlische Weisheit ist voll Barmherzigkeit und guter
Früchte. Sie ist frei von unbarmherzigem Geiz und harter
Selbstsucht, die kein Opfer bringen können. Das Antlitz des
selbstsüchtigen Menschen ist hart und legt sich in finstere
Falten, wenn fremde Not an die Tür klopft. "Die Weisheit von
oben macht das Angesicht leuchtend, und des Antlitzes Härte
wird gewandelt" (wörtl. Übersetzung von Pred. 8, 1). Des
Weisen Leben bringt Früchte, an denen sich andere laben,
und die ihnen zum ewigen Leben gedeihen. - Die himmlische
Weisheit ist unparteiisch, richtiger: "nicht in sich
entzweit". Sie hat etwas in sich Geschlossenes,
Einheitliches. Sie ist nicht zwiespältig und zerrissen. Der
Weise bleibt sich immer gleich, mit wem er es auch zu tun
hat. Er macht keine bösen Unterschiede. Er kennt keine
Antipathie. Er mißt alles mit göttlichem Maß und läßt sich
von oben leiten. - Sie ist ohne Heuchelei. Die fleischliche
Klugheit ist durch und durch unwahr und verbirgt sich unter
einer Maske. Die himmlische Weisheit ist durch und durch
lauter und wahr in Wort, Gedanken und Benehmen. Sie hat
keine Hintergedanken und geheimen Falten. Sie ist schlicht,
einfach und gerade und haßt alle Winkelzüge, sie treibt kein
Doppelspiel; das Äußere stimmt mit dem Inneren.
D.Rappard
Die Weisheit von oben her . . . . läßt sich sagen.
Jak. 3,17.
Wie fein weiß die Bibel den Finger auf wunde Stellen
zu legen! Nach diesem Wort zu urteilen, sind die göttlich
weisen Leute rar; denn wenige gibt es, die eine Ermahnung
oder einen noch so wohlgemeinten Tadel hören können, ohne
aufzubegehren, sich zu rechtfertigen und sich fast als Märtyrer
aufzuspielen. Jeder Menschenkenner wird dieser Wahrheit
beipflichten; sie tritt zu augenscheinlich zutage. Daran, ob ein
Mensch s i c h s a g e n l ä ß t oder nicht, kann man seine ganze
Geistesrichtung erkennen.
Ich wende mich in besonderer Weise an die Jugend und
möchte sie herzlich ermahnen: Bittet um die Weisheit, d i e
s i c h s a g e n lä ß t. Ich habe begabte junge Menschen
gekannt, die zu den schönsten Hoffnungen berechtigten, die sich
aber in ihre eigene Weisheit verschanzten, immer alles besser
wissen wollten als ihre treuen Eltern und Seelsorger, und an
diesem elenden Eigendünkel zu Schanden geworden sind. Solche
aber, die in Jesu Schule himmlische Weisheit, gepaart mit
Herzensdemut gelernt hatten, die sich gerne sagen und
zurechtweisen ließen, haben davon großen Nutzen gezogen.
Mögen wir alle, Alte und Junge, stets bereit sein, uns
sagen zu lassen, nicht nur von Menschen, sondern auch durch die
Stimme des Heiligen Geistes.
Herr, mache mich von Herzen demütig und
himmlisch weise, daß ich mir gerne sagen und
mich belehren lasse und dadurch etwas werde
zum Lobe Deiner Gnade.