Hebr 12,6
W.Nee
Wen der Herr liebhat, den züchtigt er, und er geißelt jeden
Sohn, den er annimmt. Hebräer 12,6
Es scheint klar zu sein, daß geistliches Schauen nicht von
sich aus genügt, ein Leben umzuwandeln. Wir brauchen nur an
Jakobs Himmelsleiter zu denken. Wegen seines betrügerischen
Verhaltens hatte Jakob Heimat und Habe verloren. Trotzdem
ließ ihm Gott in Bethel eine wunderbare Schau zuteil werden,
daß Jakob ausrief: »Wie furchtbar ist diese Stätte!« Die ihm
gegebenen Verheißungen waren an keine Bedingungen gebunden.
Aber stellen wir diesen Verheißungen Jakobs Antwort an Gott
gegenüber: »Wenn du... wenn... wenn..., dann will ich.. .«
Sogar mit Gott wollte er einen Geschäftsvertrag abschließen.
Er war noch immer der gleiche, unveränderte Jakob.
Bald darauf bekam er es mit Laban zu tun, der genau so war
wie er. Auf diese und noch manche andere Weise führte Gott
Jakob durch viele Jahre einer höchst fruchtbaren Zucht. Aus
dem verwöhnten Muttersohn wurde ein hart angefaßter
Handlanger. Aber Gottes Wege sind immer richtig, und als
Jakob schließlich den Weg nach Bethel zurück fand, war er ein
neuer Mensch.
D.Rappard
Welchen der Herr lieb hat, den züchtiget er; er stäupet
einen jeglichen Sohn, den er annimmt.
Hebr. 12,6.
Auf der Gasse einer großen Stadt trieben einige Jungen
ihr munteres Spiel, wobei es nach und nach zu Frechheiten
gegen die Vorübergehenden kam. Ein Herr hatte, in ein Gespräch
mit seinem Freunde vertieft, eine Weile dagestanden. Plötzlich
faßte er einen der Jungen am Arm und versetzte ihm eine derbe
Ohrfeige. Der Freund fragte ganz erstaunt: ,,Warum gerade
diesem Einen? Er war nicht mutwilliger als die anderen."
,,Nein", war die Antwort, ,,aber er ist mein Sohn!"
Ist diese kleine Begebenheit nicht eine treffliche Illustration
zu unserem Textwort? Ist sie nicht die Erklärung mancher
bitteren Erfahrung? Denken wir dabei ja nicht an andere; wir
haben niemand zu richten. Aber denken wir an uns selbst. Es ist
zwar nicht jeder Schmerz eine Zurechtweisung. Es gibt Prüfungs-
und auch Vollendungsleiden.
Doch wo uns eine Züchtigung oder gar eine Strafe zuteil
wird, da wollen wir uns in Demut beugen unter die gewaltige
Hand Gottes. Verzagen aber wollen wir nicht, sondern merken
auf die gnädige Stimme, die spricht: ,,E s i s t m e i n S o h n,
m e i n e T o c h t e r!" Der Vater kann die Unart seines
Kindes nicht durchgehen lassen. Er muß es erziehen und tüchtig
machen für das himmlische Vaterhaus.
Ja, Vater, in Deinen Händen
Mein Herze voll Zuversicht ruht!
C.O.Rosenius
Welchen der Herr liebhat, den züchtigt Er. Hebr. 12, 6.
Der Herr Christus spricht: ,,Eine jegliche Rebe, die da
Frucht bringt, wird Er reinigen, daß sie mehr Frucht bringe."
Hieraus sehen wir, daß die Menschen, die der Herr anerkennt
und die Er gute, fruchtbringende Reben nennt, in sich doch
nicht ganz rein sind. Viele Christen vermengen dies, indem
sie meinen, daß das Fruchtbringen die Reinheit von allem
Bösen enthalte. Es sind dies aber zwei verschiedene
Eigenschaften. Ein guter Ast, der edle Früchte in reichem
Maße bringt, kann zugleich auch dürre oder wilde Zweige
haben, die nur Saft ziehen und darum weggenommen werden
müssen. Ebenso kann auch ein Christ lebendig, treu, reich an
Liebe und an allen Geistesfrüchten sein und daneben nicht nur
seinen Teil an dem allgemeinen Sündenverderben haben, sondern
auch mit einem ärgerlichen Fehler behaftet sein, einer Unart,
die unausgesetzt gekreuzigt und getötet werden muß, die ihm
aber trotzdem beständig bis zu einem gewissen Grade folgt.
Dennoch ist er ein ganz anderer als diese unechten Reben,
die nicht Frucht bringen. Mancher Naturmensch kann weniger
fehlerhaft sein, d.h. eine angenehmere Natur haben, die zu
gleicher Zeit aber doch tot und unfruchtbar ist. Beachte
darum! Daß du nicht ganz rein von Sünden und Unarten bist,
sondern täglich unter ihnen leiden mußt, das wird dich nicht
verdammen, solange du noch in Verbindung mit dem Heilande
bist. Du merkst auch, daß du durch diese Verbindung zugleich
trotz aller deiner Gebrechlichkeit die auszeichnenden Früchte
hast, obwohl du mit deinen Früchten nie zufrieden sein
kannst. Bist du aber mit Christus vereinigt, so bist du
dennoch eine ,,neue Kreatur".
Doch was tut der himmlische Weingärtner mit den Reben, die
Frucht bringen? Der Herr spricht: ,,Eine jegliche Rebe an
Mir, die da Frucht bringt, wird Er reinigen, daß sie mehr
Frucht bringe." Beachte! ,,Die reinigt Er." Das ist ein ganz
kurzes Wort, aber inhaltsschwer in seiner Bedeutung. Die
gute Rebe reinigt Er. Die Rebe, die nicht Frucht bringt,
wird nicht gereinigt, sie darf frei wachsen, wie sie will;
denn sie soll nur brennen. Diejenige aber, die Frucht
bringt, soll gepflegt werden, und die reinigt Er. Wie
geschieht das? Jesu Bild (Joh. 15) ist sehr lehrreich. Er
spricht davon, wie ein Weingärtner seine Reben am Weinstock
reinigt. Das geschieht nicht mit Wasser, sondern mit einem
Messer und einem Schaber, mit denen dürre Reiser, Moos,
überflüssige Reben und Blätter, die die Fruchtbarkeit der
guten Reben hindern, entfernt werden. Damit ist das sehr
treffend bezeichnet, was die Gläubigen erfahren. Fühlen wir
nicht oft dieses Messer des Weingärtners? Fühlen wir nicht
unter dem Hören des Wortes, wie dieses zweischneidige Schwert
in unser Inneres schneidet und wie es vor allem die Unarten
und Gebrechen angreift, die uns am meisten ankleben? Oder
wenn wir im Werke des Herrn saumselig und kalt und ungehorsam
gegen Ihn gewesen sind, werden wir dann nicht inwendig durch
Bestrafungen des Geistes geschabt? Es ist der zärtliche
Weingärtner, der in Seinem Garten umherwandelt und bewirkt,
daß wir beständig inwendig bestraft werden. ,,Es züchtigen
mich auch meine Nieren des Nachts", sagt David.
Wo der Heilige Geist wohnt, da kann es nicht anders sein.
Er wird Unreinheiten in uns finden und diese dann angreifen
und strafen. Was nun aber durch diese inneren Bestrafungen,
durch das Wort nicht ausgerichtet wird, das tut der treue
Herr durch äußerliche Ruten und Plagen, durch Sorgen und
Widerwärtigkeiten, oder, wie Petrus sagt, ,,durch mancherlei
Anfechtungen, wo es sein soll." Kurz: Ein Kind des Himmels
soll gereinigt werden. Der Apostel sagt: ,,Welchen der Herr
liebhat, den züchtigt Er; Er züchtigt aber einen jeglichen
Sohn, den Er aufnimmt. Seid ihr aber ohne Züchtigung,
welcher sie alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr
Bastarde und nicht Kinder. Alle Züchtigung aber, wenn sie da
ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein;
aber danach wird sie geben eine friedsame Frucht der
Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind."
Beachte, das ist der Zweck! Er plagt die Menschen nicht
,,von Herzen", sondern nur, ,,wo es sein soll". Christus
spricht: ,,Er reinigt die gute Rebe, daß sie mehr Frucht
bringe." Er will, daß eine edle Rebe, die gute Frucht bringt,
noch mehr Frucht bringen und herrlicher werden soll. Und -
Gott sei Lob! - wir sehen ja, daß dies durch die Zucht
ausgerichtet wird. Sahen wir nicht hier und dort einen
ganz erleuchteten und rechtschaffenen Christen, bei dem wir
mit Betrübnis eine gewisse Nachlässigkeit und geistliche
Unfruchtbarkeit bemerkten? Unvermutet sahen wir ihn dann von
einer tieferen Sorge oder einem größeren Unglück oder von
einer schweren inwendigen Anfechtung betroffen, so daß wir
darüber erschraken. Als er aber aus dem Ofen der Trübsal
hervorkam, war er ein ganz anderer, ein ernsterer und in
allen guten Werken fruchtbarerer Christ. Und fühlen wir es
nicht alle, die wir in der Pflege des Herrn stehen? Sobald
eine größere Eitelkeit, Eigenliebe oder dergleichen uns
einzunehmen angefangen hat, haben wir eine neue Trübsal, die
uns wieder zur Besinnung bringt. Wenn der Herr dann unser
Herz wieder getröstet hat, befinden wir uns wie nach einem
erfrischenden Bad und beginnen mit neuem Fleiß, den Weg
Seiner Gebote zu laufen. Der Herr hat einen heiligen
Liebeseifer um die Seelen, die Er für den Himmel bereitet.
Und eben darum will Er sie mehr rein und fruchtbringend
haben.
Deine Zucht will ich nicht fliehen
Näh'r zu Dir soll sie mich ziehen,
Da sie mir so dienlich ist.
Scheint sie mir gleich lauter Mühe,
Treibt sie mich doch spät und frühe
Nur zu Dir, Herr Jesu Christ.