Hebr 12,5
C.O.Rosenius
Achte nicht gering die Züchtigung des Herrn und verzage
nicht, wenn du von Ihm gestraft wirst. Hebr. 12, 5.
Du, der du die Gnade hast, die Vergebung deiner Sünden zu
glauben und dich für ein Kind Gottes zu halten, der du aber
trotzdem ungeduldig und mißvergnügt mit der Haushaltung des
himmlischen Vaters wirst, weil es dir nicht nach Wunsch, Plan
und Berechnung deines Herzens gegangen ist, sondern weil du
einer Sache, die du dir sehr gewünscht hattest, verlustig
gegangen bist und dich stattdessen etwas betroffen hat,
wovor du dich am meisten fürchtetest -, mit dir wollen wir
einige Worte reden.
Auch viele kürzere Prüfungen und Trübsale können dem Herzen
wehe tun, z. B. wenn der eine eine Zeitlang von Menschen
verfolgt wird, ein anderer krank wird oder ein dritter einen
Verlust gehabt hat, ohne daß dieser seine Zukunft gefährdete
usw. Das alles aber sind nur kleine Kindesübungen, über die
man leicht getröstet sein wird. Tiefergehende Leiden sind
diejenigen, die dein ganzes Leben und deine Zukunft zu
betreffen scheinen, wenn du die liebsten Wünsche und
Hoffnungen deines Lebens fehlschlagen siehst. Du suchtest
glücklich zu werden und meinst nun, unglücklich geworden zu
sein. Du bist mit etwas beschwert worden, von dem du eine
Befreiung in der Zeit nicht erhoffen kannst, z. B. mit
einer Krankheit oder einer Person, an die du für dein ganzes
Leben gebunden bist und die dir ein Kreuz ist; oder du
hattest das Glück deines Herzens an eine Person geknüpft,
die nun von dir genommen ist.
Du, der du jetzt in der Stille sorgst und dich für
unglücklich ansiehst, hebe doch deine Augen einmal empor und
blicke der unendlichen Ewigkeit entgegen! Bist du dessen
ganz gewiß, daß du der wundersamen und harten Wege Gottes
nicht bedarfst, um glücklich hindurchzukommen? Hast du so
gänzlich vergessen, welch einen schweren Kampf es gilt, wenn
du errettet werden und in den Himmel kommen sollst? Die
ganze Welt liegt im argen, und du darfst wissen, daß es nur
wenige sind, die selig werden, ja, daß ,,der Gerechte kaum
erhalten wird". Du glaubst und erfährst vielleicht, wie dein
ganzes Wesen vom Gift der alten Schlange durchzogen ist - so
ist es in Wahrheit mit allen Menschen -, dein Herz ist ein
arges und hinterlistiges Ding, das stets den unrechten Weg
will, dein Fleisch ist voller Lüste und Begierden. Du
glaubst und siehst, wie die ganze Welt um dich her voller
Verführungen ist, und wie die Macht und List des Teufels so
groß und mannigfach ist, daß auch große Heilige verführt,
heimlich betrogen und bezaubert wurden, so daß sie ewig
verlorengingen. Und trotzdem kannst du meinen, daß du aller
Gefahr überhoben sein solltest? Dich könnten das falsche
Herz und die alte Schlange nie betrügen, meinst du? Du bist
sogar dessen sicher, daß es dir ganz bestimmt gut gelingen
werde, durch alle Gefahren dieser Welt zu gelangen und
dereinst bestimmt unter den Seligen zur rechten Seite
des Richters zu sitzen? Sei dessen gewiß, daß ,,Gott die
Menschen nicht von Herzen plagt", sondern nur, ,,wo es sein
soll". Sei dessen gewiß, daß, wenn das Leiden nicht für dein
ewiges Wohl erforderlich wäre, die unendliche Liebe im Herzen
Gottes dir viel lieber ein Paradies auf Erden gegeben hätte.
Und wenn nicht immer von dem Entfliehen vor dem ewigen Tode
die Rede ist, so sollte es dir genügen, daß der Herr dich
noch mehr heiligen, deinen alten Menschen töten und dich an
geistlicher Kraft, geistlichem Leben und Geist, an Glauben,
Gebet, Liebe, Wachsamkeit und Demut noch reicher machen will.
Hältst du solches für ein Nichts? Hältst du die Sünde und
deine Fleischlichkeit für so nebensächliche Dinge, daß es dir
gleichgültig ist, wenn Gott sie tötet? Wie achtest du dann
Ihn und Sein Wohlgefallen? Wenn Er mehr Ehre an dir gewinnen
will, soll dir das dann unlieb sein? Bedenke doch, o Mensch,
wer dich mit einer unsterblichen Seele erschaffen hat und zu
deiner Errettung Seinen eigenen geliebten Sohn in einen
blutigen Tod gegeben hat! Hat Er nicht ein Recht darauf, aus
dir ,,ein Gefäß zu Seiner Ehre zu machen" - es so zu machen,
daß du zu Seiner Ehre wirst? Und dies alles sollte dir
unlieb sein, so daß du dich daran ärgern müßtest?
,,O nein", sagst du, ,,daran ärgere ich mich nicht; im
Gegenteil ist das mein inniges Gebet, daß Gott mich zur Ehre
Seines Namens recht ernst und heilig machen möge. Wie oft
habe ich Ihn darum gebeten, daß Er mein Fleisch töten möge,
wenn ich meine große Versäumnis und Ohnmacht dazu gefühlt
habe. Daß Er mein Fleisch tötet, macht mich nicht
unzufrieden; aber ich rede von meinen bitteren Erfahrungen,
die mich unglücklich machen." Antwort: Du willst also
gekreuzigt und getötet werden, ohne zu leiden; du willst
lächelnd den Kreuzestod erdulden und Nägel durch Hände und
Füße haben, aber ohne Schmerzen. So töricht laufen unsere
Gedanken durcheinander. Bedenke darum jetzt, daß der alte
Mensch nicht ohne Leiden getötet werden kann! Wenn du Gott
darum gebeten hast, dein Fleisch zu töten, dann wundere dich
nicht, daß dich manch Bitteres trifft. Denn Gott ist sehr
geneigt, solche Gebete zu erhören, in denen du um das Töten
des Fleisches und um die Zunahme der Gnade in dir bittest; Er
kennt aber keine bessere Weise als Leiden, Widerwärtigkeiten,
Versuchungen, Kreuz und Trübsale.
Ach, wären meine Augen
Nur stets auf Ihn gewandt!
Daß sie so wenig taugen,
Bringt manchen finstern Stand;
Doch laß die Wolken kommen,
Komm Sonnenfinsternis;
Er wird mir nicht genommen,
Sein Heil bleibt mir gewiß.