Hebr 4,1
C.O.Rosenius
Lasset uns fürchten, daß wir die Verheißung, einzukommen zu
Seiner Ruhe, nicht versäumen. Hebr. 4, 1.
Hier dürfte jemand sagen: ,,Das ist es gerade, was ich
befürchte! Ich habe gegenwärtig wohl die Gnade, daß ich
glaube; aber wie werde ich bis ans Ende bestehenbleiben?
Man sieht, wie viele abfallen und verlorengehen!" Antwort:
Christus spricht: ,,Ich bin der gute Hirte. Ich kenne Meine
Schafe und bin bekannt den Meinen, und Meine Schafe hören
Meine Stimme. Und niemand wird sie aus Meiner Hand reißen."
Diese Worte zeigen, daß keiner verlorenzugehen braucht.
Niemand kann aus der Hand des guten Hirten gerissen, niemand
von der Liebe Gottes in Christus Jesus geschieden werden.
Viele, die damit nicht zufrieden sind, in einer beständigen
Abhängigkeit von Christus zu sein, möchten gern eine
Versicherung darüber haben, daß sie nie abfallen können. Die
Schrift aber gibt keine; um so deutlicher beweist sie das dem
Entgegengesetzte und warnt einen jeden vor der Gefahr. Wir
werden also in steter Furcht vor uns selbst und in der
alleinigen Vertröstung auf den Herrn gelassen; und gerade das
ist uns am heilsamsten. Dieses fordert auch die Schrift in
deutlichen Worten: ,,Führt euren Wandel, solange ihr hier
wallet, mit Furcht." ,,Freut euch mit Zittern." ,,Lasset uns
fürchten, daß wir die Verheißung, einzukommen zu Seiner Ruhe,
nicht versäumen." ,,Ihr, die ihr den Herrn fürchtet,
vertrauet Ihm, denn es wird euch an nichts fehlen." (Ps 34:9)
Was ist denn nun unser Trost im Herrn? Christus, Gottes
Sohn, der Sein Leben für uns gelassen hat, ist unser Hirte.
Da Er von einer solchen Liebe und Treue ist, daß Er um
unseretwillen ein Mensch geworden ist, ,,der in allen Dingen
Seinen Brüdern gleich werden mußte", ,,der versucht ist
allenthalben, gleich wie wir - doch ohne Sünde" - und der
schließlich ,,Sein Leben für die Schafe gelassen hat" - was
sollten wir dann nicht von Ihm erwarten können? Da Er zudem
ein allmächtiger Gott ist, welcher Feind kann dann dem Schaf
Schaden tun, das auf Seinen Achseln liegt, Seiner Stimme
lauscht und sich dicht an Ihn hält?
Das ist unser Trost: Er, der gute Hirte, wird Seine Schafe
weiden, d. h., unseren Glauben beständig mit dem Wort des
Evangeliums erhalten, unsere Freude und unseren Trost in Ihm
und unsere Liebe, Geduld und Hoffnung stärken und beleben.
Er wird das Verlorene aufsuchen und das Verirrte zurückholen.
Wenn wir uns auch von der rechten Straße verirrt haben,
will Er uns doch nicht uns selbst überlassen, sondern uns
nachgehen, zurückrufen und zurückholen. Wenn das verlorene
Schaf wieder anfängt, Seiner Stimme zu lauschen, legt Er es
mit Freuden auf Seine Achseln. Ferner ist unser Trost, daß
Er das Verwundete verbinden wird, d.h., die vom Satan übel
zugerichteten Seelen trösten und erquicken, sie wieder zum
Frieden führen und gesund machen, die Schwachen stärken und
die Lämmer, die der Herde nicht folgen können, in Seine Arme
sammeln und an Seinem Busen tragen - kurz, alle Schafe
behüten wird, wie sie es bedürfen,
Aber sollen denn die Schafe nichts zur Sache tun? Von ihnen
sagt der Herr nur dieses: ,,Meine Schafe hören Meine Stimme."
Das ist ganz dasselbe wie: ,,Sie vertrauen Mir, sie haben
keine andere Hoffnung als in Mir." Denn wer in der Stunde der
Not unsere Hoffnung ist, auf dessen Stimme achtet man. Zum
anderen bedeutet ,,die Stimme des Hirten hören" auf dieselbe
achtzugeben, sie zu schätzen und ihr zu gehorchen, sowie sie
von anderen Stimmen zu unterscheiden. Das ist alles, was
erforderlich ist. Denn alles, was der gute Hirte zu unserer
Bewahrung tut, das tut Er mit Seiner Stimme. Wenn wir darum
nur Seiner Stimme folgen, dann wird alles gut. Allen
listigen Anläufen des Satans, allen Versuchungen des
Fleisches und allen Verführungen der Welt, aller unserer
Schwachheit, allem Unglauben, Leichtsinn und Hochmut - kurz,
allem Bösen wird durch Seine Stimme abgeholfen. Kein Christ
ist so stark, so gottesgelehrt, so gläubig, so fest in seinem
Christentum, daß er nicht von allem nur möglichen Bösen
angegriffen werden könnte. Dann beruht alles darauf, ob er
die Worte der Wahrheit mehr gelten läßt als seine eigenen
Gedanken, Meinungen und Gefühle und sich also zurechtweisen,
strafen und trösten läßt. Das heißt ,,die Stimme des Hirten
hören." Dann kann allem abgeholfen werden.
Wir sehen, daß die Jünger des Heilands nie zu einer solchen
Vollkommenheit im Verständnis, im Glauben, in der Wachsamkeit
und Stärke gekommen sind, daß sie hernach sich selbst leiten
und so glauben und wandeln konnten, wie sie sollten, sondern
es geschahen täglich größere und kleinere Versehen. Was aber
bewirkte, daß sie doch bewahrt wurden und in der Gnade
wuchsen, war nur dieses, daß sie dem Hirten nahe waren, Seine
Stimme hörten und sich täglich von Ihm zurechtweisen, warnen,
strafen und trösten ließen. Dadurch wurde alles wieder gut,
und so lernten sie immer mehr, was sie zu lernen nötig
hatten. Warum aber ging der arme Judas verloren? Er hörte
nicht auf die Stimme des Hirten, beachtete nicht die
Warnungen des Herrn, als der Teufel ihm Böses ins Herz
flüsterte. Und als das Gewissen mit Schrecken erwachte, ließ
er sich von keinem Gnadenworte trösten. Hätte er nur auf die
Stimme seines zärtlichen Hirten geachtet, so wäre alles gut
geworden.
Solange wir noch die Stimme des Herrn hören, das Wort von
Christus lieben und ernstlich benutzen, um dessen Kraft zum
Glauben, zur Liebe und zur Gottesfurcht zu erhalten, und
solange wir dem treuen Freunde lauschen, der uns unsichtbar
geleitet und zu unseren Herzen redet, solange wird keine
feindliche Macht uns scheiden von der Liebe Gottes, die in
Christus Jesus ist. Denn der Herr ist größer als alles, und
Er hat feierlich bezeugt: ,,Niemand wird sie Mir aus Meiner
Hand reißen."