Hebr 2,10
C.O.Rosenius
Es ziemte dem, der da viele Kinder zur Herrlichkeit geführt
hat, daß Er den Herzog Ihrer Seligkeit durch Leiden
vollkommen machte. Hebr. 2, 10.
Als Herzog unserer Seligkeit ist Christus vollkommen
geworden. Dies ist durch zwei dem Sohn Gottes ganz neue
Übungen geschehen: Durch Seinen Gehorsam und durch Sein
Leiden. Wir sehen dies aus den Worten des Apostels: ,,Es
ziemte Ihm, daß Er den Herzog ihrer Seligkeit durch Leiden
vollkommen machte." Und abermals: ,,Wiewohl Er Gottes Sohn
war, hat Er doch an dem, daß Er litt, Gehorsam gelernt.
Und da Er vollendet war" usw. - Beachte! Gottes Sohn hat
,,Gehorsam gelernt". Es war dem Herrn aller Wesen und dem
Stifter des Gesetzes etwas ganz Neues, als ein gehorsamer
Diener dem gleichen Gesetz untertan zu sein, das Er uns
gegeben hatte. Er wundert sich gleichsam selbst darüber, da
Er in dem prophetischen Psalm sagt: ,,Herr, Mein Gott, groß
sind Deine Wunder und Deine Gedanken. - Opfer und Speisopfer
gefallen Dir nicht; aber die Ohren hast Du Mir aufgetan.
Siehe, Ich komme, im Buch ist von Mir geschrieben. Deinen
Willen, Mein Gott, tue Ich gern, und Dein Gesetz habe Ich in
Meinem Herzen."
Beachte! ,,Die Ohren hast Du Mir aufgetan." Dies bezeichnet,
wie Er ,,unter das Gesetz getan ward" und dazu bestimmt
wurde, zu gehorchen. Es ist Sache eines Dieners, zuzuhören
und zu gehorchen. Da dies also dem Sohn Gottes eine ganz
neue Übung war, verstehen wir, weshalb der Apostel sagt, daß
Er Gehorsam gelernt habe. Aber Gehorsam als eigentlichen
Beruf dem Gesetz Gottes gegenüber zu lernen, das war etwas,
was Gottes Sohn für sich nicht nötig hatte; das hat Er
vielmehr als Herzog unserer Seligkeit, als der andere Adam
getan, der jetzt an Stelle des ganzen Menschengeschlechts die
Probe des Gehorsams bestehen mußte, gleichwie der erste Adam
auch auf eine Probe des Gehorsams gestellt wurde, dabei aber
fiel. ,,Denn gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam viele
Sünder geworden sind, also auch werden durch Eines Gehorsam
viele Gerechte." Welch ein herrlicher Trost beim Gefühl
unseres täglichen Ungehorsams gegen die Gebote unseres
Gottes! Welch ein Trost, dann zu wissen, daß Gott uns Einen
gegeben hat, der an unserer Statt den vollkommenen Gehorsam
leistete, den wir zu beweisen schuldig sind, den wir aber nie
zuwegebringen können! ,,Durch Eines Gehorsam werden viele
Gerechte." Christi Gehorsam ist die eigentliche Erfüllung,
die, indem sie uns gegeben und zugerechnet wird, die
Gerechtigkeit ist, mit der wir gar wohl vor Gott bestehen,
die Gerechtigkeit, die das Gesetz von uns gefordert hat,
die es aber, wie Paulus sagt, nicht wirken konnte. ,,Was
dem Gesetz ganz unmöglich war, weil es durch das Fleisch
geschwächt ward, das tat Gott und sandte Seinen Sohn in der
Gestalt des sündlichen Fleisches." Es war nicht genug, daß
unsere Sünden mit Blut getilgt wurden, es mußte auch das
Gesetz erfüllt werden. Und es gefiel dem barmherzigen Vater,
uns dafür einen Mittler für alle Menschen zu geben, einen
neuen Adam, der die Probe bestehen sollte: Einer für alle
und alle in Ihm. Darum hat Er, wiewohl Er Gottes Sohn war,
Gehorsam gelernt. ,,Und da Er vollendet war, ist Er allen,
die ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigen Seligkeit
geworden."
So ist Er durch Leiden und Gehorsam ein vollkommener
Seligkeitsherzog geworden. Als Er als Kind noch in der
Krippe lag, war er folglich noch kein vollkommener
Seligmacher. Wäre Er aus der Krippe sofort wieder in den
Himmel zurückgekehrt, dann hätte dieser Besuch ,,des Aufgangs
aus der Höhe" uns nicht zur Seligkeit gereicht. Er mußte
zuerst zubereitet werden zu dem Mann unseres Heils und
unserer Hoffnung, zum Herzog unserer Seligkeit. Dazu war
unbedingt erforderlich, daß Er erst an unserer Statt alle
Gerechtigkeit erfüllte und allen Schuldigkeiten Genüge tat,
die uns oblagen. Es war unumgänglich nötig, daß er den
ganzen Fluch erduldete, der von Rechts wegen uns zukam, ja,
daß Er zum Fluch für uns wurde. Er mußte kämpfen, leiden,
bluten, von Gott verlassen sein, - Er mußte sterben. Durch
all diese Tiefen mußte Er hindurch, um uns ein vollkommener
Heiland zu werden. Aber Er mußte auch wieder auferstehen als
ein Fürst des Lebens, mit unserem Fleisch und Blut gen Himmel
fahren und auf den Stuhl der Majestät erhoben werden, auf daß
Er uns den Geist senden und sich durch Ihn ein williges Volk
auf Erden bereiten könnte. Und erst dann, als Er das Brüllen
der Tiefe vernommen, aus den Bächen Belials getrunken, sich
in den Abgrund eines verfluchten Todes hinabgestürzt, des
Grabes Siegel gesprengt, die Wolken durchbrochen und in
unserer Menschheit den Stuhl der Majestät eingenommen hatte,
- erst dann war Er uns völlig gemacht ,,zur Weisheit,
Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung"; erst dann stand Er
vor Gott und der Welt als ein vollkommener Heiland und
Hoherpriester Seines Sünderheeres da; - und da ist Er
vollendet.
So ward denn erfüllt Gottes ewiger Rat,
Den Grund Gott selbst legte zur Freiheit und Gnad';
So wohl hat's der Seligkeitsherzog bestellt,
Die Schuld ward bezahlet, erlöst ward die Welt,
So frei von der Sünde, wie Adam einst war,
Und glücklicher noch, denn der Mittler hat gar
Die ew'ge Gerechtigkeit für uns bereit't,
Komm, komm, armer Sünder, und sei nun erfreut.
J.MacArthur
"Es geziemte ihm, um dessentwillen alle Dinge und durch
den alle Dinge sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit
führte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen
zu machen" (Hebr. 2,10).
Durch den Tod wurde Christus der vollkommene Führer Seines
Volkes.
Bei allem, was der Herr tat, dürfen wir nicht vergessen, dass
Er damit den souveränen Plan Gottes erfüllte. Der Schreiber
des Hebräerbriefes sagt uns, es sei in Gottes Augen
"geziemend" für Christus gewesen, "viele Söhne zur
Herrlichkeit" zu bringen. Das bedeutet: Alles, was Gott
durch Christus tat, stimmte mit Seinem Wesen überein.
Das Kreuz war ein Meisterstück göttlicher Weisheit. Es zeigt
Seine Heiligkeit und Seinen Hass gegen die Sünde. Es stand
in Übereinstimmung mit Seiner Kraft; denn Christus ertrug in
wenigen Stunden, woran alle Sünder in Ewigkeit tragen müssten
(und niemals hätten sie dadurch eine Sühnung ihrer Schuld
erreicht). Das Kreuz zeigt Gottes Liebe zu den Menschen.
Und Christi Kreuzestod passt völlig zu der Gnade Gottes,
weil Er Ihn als Stellvertreter leiden ließ.
Um "viele Söhne zur Herrlichkeit" bringen zu können, musste
Gott "den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen
machen". Das griechische Wort für "Urheber" (archegos)
bedeutet "Anführer" oder "Herzog". Es wurde gewöhnlich für
den gebraucht, der eine Bresche schlug, durch die andere
folgen konnten. Der archegos stand niemals hinter der Truppe
und erteilte Befehle, er war stets vorn, um anderen den Weg
zu bahnen. Als der große archegos ist Er vor uns her
geschritten und hat uns die Bahn freigemacht.
Alles erscheint furchteinflößend und bedrohlich, wenn der Tod
naht. Da liegt ein Weg vor uns, den wir nicht allein gehen
können. Aber "der Urheber unserer Errettung" sagt: "Weil
ich lebe, werdet auch ihr leben" (Joh. 14,19). Nur der
vollkommene "Durchbrecher" (Mi. 2,13) kann uns aus der
Herrschaft des Todes in die Gegenwart Seines Vaters bringen.
Für dich bleibt nur, deine Hand in Seine durchbohrte Hand zu
legen, dann wird Er dich von der einen Seite des Todes auf
die andere Seite bringen, so dass du mit dem Apostel Paulus
sagen kannst: "Wo ist, o Tod, dein Sieg? Wo ist, o Tod, dein
Stachel?" (1. Kor 15,55).